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Blog zur WTT-Rückkehr: Erste Russen setzen Zeichen

Nicht mehr ganz so durchtrainiert wie noch vor einigen Jahren: Maksim Grebnev beim WTT Contender in Tunis. (©WTT)

28.04.2025 - Schon seit Januar 2024 dürfen Aktive aus Russland und Belarus wieder an internationalen Turnieren teilnehmen. Bei den Olympischen Spielen in Paris, der WM und EM war im vergangenen Jahr noch niemand der lange Suspendierten dabei. Mit Maksim Grebnev und Elizabet Abraamian haben dank einer Wildcard in der vergangenen Woche beim Contender in Tunis erstmals wieder zwei Russen die WTT-Bühne betreten. myTT-Redakteur Fabian Kleintges-Topoll äußert seine Meinung zur Rückkehr. Warum er diese als Chance sieht und was er sich für die Zukunft wünscht.

Ich erinnere mich noch genau an meine erste Tischtennis-Europameisterschaft als Journalist. Die Team-EM in Cluj-Napoca im Oktober 2021 war geprägt vom Doppel-Triumph der deutschen Mannschaft – ein sportlicher Höhepunkt. Doch eine weitere bemerkenswerte Geschichte schrieb das russische Herrenteam, das mit einer überraschenden Silbermedaille aufhorchen ließ. Maksim Grebnev, Vladimir Sidorenko (damals beide 19 Jahre alt) und Lev Katsman (20) spielten sich mit erfrischendem Offensivgeist in den Vordergrund. Später schlugen sie gemeinsam unter Trainer Dimitrij Mazunov für den TTC Neu-Ulm in der TTBL auf.

Rückkehr seit Ende 2023 beschlossen, auch frühere Berlinerin feiert Comeback

Doch kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 änderte sich alles: Russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler wurden von sämtlichen internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen. Erst Ende 2023 fiel die Entscheidung zur Rückkehr – unter der Bedingung strikter Neutralität. Meine Kollegin Janina Schäbitz hatte in einem Blog zuvor bereits eine einheitliche Linie gefordert. Für mich war die Entscheidung, Athleten unter neutraler Flagge starten zu lassen, ein erster sinnvoller Schritt – unter der Voraussetzung, dass sie sich klar vom Krieg distanzieren.

Trotzdem dauerte es noch rund 15 Monate, bis ein Mitglied des jungen russischen Trios sein Comeback feierte. Maksim Grebnev durfte vergangene Woche mit einer Wildcard beim WTT Contender in Lima an den Start gehen, ebenso wie die ehemalige Berlinerin Elizabet Abraamian. Der inzwischen 23-Jährige Grebnev, wie Katsman und Sidorenko längst nicht mehr in der Weltrangliste geführt, verlor sein Erstrundenmatch knapp gegen den Franzosen Esteban Dorr und verpasste dadurch ein mögliches Achtelfinalduell mit Dimitrij Ovtcharov. Die 20-jährige Abraamian unterlag der Australierin Yangzi Liu in der Runde der letzten 32 in fünf Sätzen.

Balance-Akt zwischen politischer Verantwortung und sportlicher Gerechtigkeit bleibt schwierig

Unabhängig vom Ergebnis markiert der Start der beiden in Tunesien einen Wendepunkt. Die lange, unfreiwillige Zwangspause ist vorbei. Abraamian und Grebnev, der sich 2025 zum zweiten Mal in Folge zum russischen Einzel-Meister krönte, haben ein Zeichen gesetzt. Es ist ein symbolischer Moment mit Blick auf den schwierigen Balance-Akt zwischen politischer Verantwortung und sportlicher Gerechtigkeit. Die Rückkehr russischer Athleten, dass ihnen unter neutraler Flagge eine Bühne geboten wird, bleibt nicht unumstritten, doch das individuelle Schicksal der früheren Bundesliga-Spieler darf nicht ignoriert werden. Grebnev schlägt heute für Gazprom Fakel Orenburg auf, Ovtcharovs früheren Klub. Sidorenko und Katsman spielen für Hennebont in Frankreich, Abraamian für den italienischen Königsklassen-Klub Quattro Mori Cagliari.

Immerhin hielten sie über ihre Vereine Anschluss ans Wettkampfgeschehen. So konnten sie sich nicht nur fit halten, sondern sich über den nationalen Spielbetrieb auch auf internationale Aufgaben vorbereiten. Der ehemalige Neu-Ulm-Chef Florian Ebner brachte es im Interview nach dem Champions-League-Final-Four 2024 in Saarbrücken auf den Punkt: „Es wäre interessant gewesen, ihre Entwicklung nach dem Vize-Team-EM-Titel weiterzuverfolgen. Sie waren vom Niveau her nah dran und hätten sich wahrscheinlich noch stärker entwickelt. Dass sie nur noch national spielen durften, ist für sie besonders bitter.“

Der Anfang ist gemacht

Nach drei Jahren Pause ist der Weg nun wieder frei. Ich hoffe, dass das Beispiel von Grebnev und Abraamian Schule macht und weitere Turniere folgen. Nur durch Wettkampfpraxis können sie sich in der Weltrangliste zurückmelden oder gar an alte Stärke anknüpfen. Ganz ohne Hürden verläuft dieser Weg aber nicht. Visa-Probleme oder „diskriminierende, nicht akzeptable Bedingungen für neutrale Athleten“ machen vielen Sportlern das Leben schwer. „Wir sind Menschen und Sportler, keine Sklaven“, sagte Sidorenko dem Magazin 'tischtennis' im Juni 2024.

Trotz aller Widrigkeiten scheint sich etwas zu bewegen. Lange galt ein WTT-Start als undenkbar. Nun ist der Anfang gemacht. Und wer weiß? Vielleicht ist für Grebnev das nächste Achtelfinale gegen Ovtcharov ja bald Realität und auch Abraamian kann irgendwann eventuell ohne Einladung auf die WTT-Bühne zurückkehren.

Wie stehen Sie zu Grebnevs WTT-Rückkehr und zu russischen Sportlern unter neutraler Flagge? Berichten Sie darüber gerne in der Kommentarzeile.

(FKT)

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