Kanak Jha, Vladimir Sidorenko und Maxim Grebnev müssen aus unterschiedlichen Gründen pausieren (©ITTF)
18.04.2023 - Aktuell sitzen bzw. saßen mehrere internationale Topspieler unfreiwillig auf der Wartebank - und das aus völlig unterschiedlichen Gründen. Während Kanak Jha wegen drei verpasster Dopingtests eine einjährige Sperre absitzen muss, wurden russische und belarussische Spieler wegen des Kriegs in der Ukraine international ausgeschlossen. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz überlegt in ihrem Blog, welche Auswirkungen - und gegebenenfalls Chancen - solcherlei Pausen haben.
Die Hintergründe der beiden vorgestellten Fälle sind komplett verschieden - die Konsequenzen sind trotzdem ähnlich: Sowohl Kanak Jha als auch die Spielerinnen und Spieler aus Russland und Belarus werden bzw. wurden etwa ein Jahr lang von Wettkämpfen ausgeschlossen. Im Fall des US-Amerikaners ist die Sperre als Bestrafung für drei verpasste Dopingtests gedacht, im Fall der Russen und Belarussen als Reaktion auf den Angriffskrieg in der Ukraine. Ob dies in dem einen oder anderen Fall nun gerecht, verhältnismäßig und richtig war, will ich an dieser Stelle gar nicht aufs Tableau bringen. Mich beschäftigt dagegen die Frage, wie man als Sportler mit einer solch langen Pause umgeht - vor allem, wenn die Olympischen Spiele vor der Tür stehen.
Das Beste draus machen
Im Fall der russischen und belarussischen Spieler ist die unfreiwillige Pause nun fast überstanden. In Anlehnung an die Erklärung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Ende März unterstützt der Tischtennis-Weltverband die Empfehlung des IOCs, Spieler mit russischem oder belarussischem Pass unter strengen Teilnahmebedingungen zu internationalen Wettkämpfen wieder zuzulassen, auch wenn dies nicht nur in Sportlerkreisen umstritten ist. Damit könnten sie im Mai unter neutraler Flagge theoretisch auf die internationale Bühne zurückkehren, bei der WM in Durban werden sie aber wegen fehlender Qualifikation noch nicht dabei sein. Nichtsdestotrotz werden Spieler wie Vladimir Sidorenko, Lev Katsman und Maksim Grebnev, deren Schicksal man in Deutschland wegen ihres Engagements beim TTC Neu-Ulm besonders gut verfolgen konnte, vor allem Erleichterung verspüren. Und dabei konnten sie ihre Zwangspause noch ziemlich gut nutzen. Schließlich bot ihnen Neu-Ulm die Gelegenheit, neben dem Training mit Dmitrij Mazunov Punktspiele in der TTBL zu bestreiten und damit weiterhin im Tritt zu bleiben, obwohl die internationalen Wettkämpfe wegfielen. Auch wenn das Trio nach dem Rückzug des TTCs aus der TTBL inzwischen neue Vereine in Frankreich und Russland gefunden hat, werden sich die drei freuen, künftig wieder andere - und damit auch internationale - Wettkampfoptionen zu haben.
Ihrem fast gleichaltrigen Kollegen Kanak Jha steht der größte Teil seiner Sperre dagegen noch bevor. Und anders als im Fall der Russen darf der US-Amerikaner auch in keiner nationalen Liga spielen, also auch nicht für seinen bisherigen Arbeitgeber TTF Liebherr Ochsenhausen in der TTBL. Für einen Leistungssportler wie Jha ist diese Pause so kurz vor den Olympischen Spielen eine Katastrophe. 2016 und 2020 hatte der Beste seiner Nation die USA bereits bei Olympia vertreten dürfen, eine Qualifikation für Paris wird so aber natürlich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich. Denn durch die lange Pause wird er seinen Platz in der Weltrangliste verlieren, die Pan American Games Ende Oktober, die wahrscheinlich ein Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele sein werden, wird er - wie alle anderen Turniere bis Anfang Dezember - auslassen müssen.
Abhaken, weitermachen
Der Ärger über diese Situation und über sich selbst wird sicher sehr groß sein. Doch wenn er verflogen ist, sollte Jha das, was er nicht mehr ändern kann, akzeptieren und das Beste daraus machen. Denn er ist erst 22 Jahre alt und hat den Großteil seiner Karriere noch vor sich. Reale Wettkampferfahrung ist zwar durch kaum etwas zu ersetzen, aber er hat im Gegensatz zu all seinen Kollegen nun in den nächsten Monaten die Gelegenheit, akribisch an Details zu arbeiten, wofür andere Spieler, die zwischen China, Südafrika und Europa hin- und her tingeln, schlicht keine Zeit haben. Der Trost mag schwach sein, aber dass es nichts bringt, den Kopf in den Sand zu stecken, zeigt nicht zuletzt das Beispiel der drei Neu-Ulmer Russen. Denn gemessen an ihren Möglichkeiten haben sie das Beste aus ihrer Situation gemacht, sie hatten die Chance, neben gutem Training auch noch Vergleiche mit guten internationalen Spielern in der deutschen Liga zu erhalten und sich so weiterzuentwickeln, während viele ihrer Landsmänner in den vergangenen Monaten mehr oder weniger von der Bildfläche verschwunden sind und nur noch in Russland aktiv waren. Das wird ihnen dabei helfen, nach dieser sicherlich nicht leichten Zwangspause wieder in den internationalen Spielbetrieb einzusteigen und den Anschluss wiederzufinden.
(JS)
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