Auf der Pressetribüne in der vollen Malmö Arena: Fabian Kleintges-Topoll beobachtete die Leistungen von Timo Boll. (©Jan Lüke/ETTU)
18.09.2023 - Nach der Vergabe der Goldmedaille bei den 41. Team-Europameisterschaften in Malmö an die deutschen Damen und die schwedischen Herren ging es für myTischtennis.de-Redakteur Fabian Kleintges-Topoll am frühen Montagmorgen mit dem Flieger zurück nach Düsseldorf. In seinem Blog blickt der 27-Jährige auf das lange Turnier in Südskandinavien zurück und erklärt, warum die Leistungen von Timo Boll Hoffnung auf die Olympischen Spiele 2024 machen.
Das war sie also, die 41. Team-Europameisterschaft in Malmö! Hinter uns liegt eine intensive Woche mit vielen Emotionen. Den größten Anteil daran hatte natürlich die schwedische Herren-Mannschaft von Jörgen Persson, die sich nach 21-jähriger Durststrecke am Sonntagabend mit einem 3:1-Sieg gegen Deutschland vor lautstarkem, heimischem Publikum zum verdienten Europameister krönte. Auch wenn die Malmö Arena bis zur K.-o.-Phase eher durchwachsen besucht war, steigerte sich die Kulisse von Tag zu Tag. Am Endspiel-Sonntag herrschte dagegen eine beeindruckende Stimmung. Auch einige deutsche Fans hatten den Weg auf sich genommen und eines der insgesamt knapp 4.000 verkauften Tickets ergattert.
Schöne Geste der Damen – zweite Herren-Reihe überzeugt
Doch was bleibt? Sportlich kann der DTTB auf ein erfolgreiches Turnier zurückschauen. Die deutschen Damen nahmen Revanche für das verlorene European-Games-Finale gegen Rumänien, lösten das Ticket für die Olympischen Spiele 2024 und zogen mit dem neunten Titel mit Rekordsieger Ungarn gleich. Den Pokal schenkten die Frauen der erkrankten DTTB-Präsidentin Claudia Herweg, die ebenfalls vor Ort war – eine schöne Geste. Bis zum Finale war das Damen-Turnier aber eher eine zähe Angelegenheit, was durchaus auch an der drückenden Überlegenheit von Xiaona Shan und Co. lag. Das Team von Tamara Boros blieb im gesamten Turnierverlauf ungeschlagen und gab in sechs Duellen insgesamt nur sechs Sätze ab – Wahnsinn!
Die deutschen Herren standen im knapp gewonnenen Viertelfinal-Krimi gegen Kroatien schon mit einem Bein vor dem Aus. Unter der Regie von Lars Hielscher steigerte sich die von Benedikt Duda angeführte DTTB-Auswahl immer weiter. Auch wenn es am Ende nicht zur Titelverteidigung reichen sollte, können die Verantwortlichen mit der Silbermedaille in dieser Besetzung gut leben. Der Frust war zwar direkt nach dem letzten Ballwechsel groß, mit ein paar Tagen Abstand wird der Stolz sicherlich überwiegen. Cedric Meissner kam bei seiner Premiere zwar nicht zu einem Einsatz. Der Saarbrücker befindet sich aber auf dem aufsteigenden Ast und kletterte in der Karriereleiter ein weiteres Stück nach oben.
Timo Boll hält gegen Weltklasse-Spieler mit
Kay Stumper rückte zum Halbfinale gegen Portugal für Ricardo Walther an Position drei. Und der junge Düsseldorfer machte wie schon bei der Team-WM in Chengdu 2022 positiv auf sich aufmerksam. Gespannt sein durfte man vor allem auf die Auftritte von Timo Boll. Nach seiner langen Verletzung wusste niemand so recht, in welcher Form sich der 42-Jährige auf diesem Niveau präsentieren würde. Am Ende konnte man nur den Hut vor dem Borussen ziehen. Der Rekordeuropameister zeigte gegen unterklassige Gegner zu Beginn zwar einige Schwächen, war aber in den entscheidenden, kritischen Momenten im späteren Verlauf voll da.
Beachtlich: Ab dem Viertelfinale glänzte Boll und schlug neben Tomislav Pucar, Andrej Gacina und Marcos Freitas auch Mattias Falck nach 0:2-Rückstand. Selbst gegen Shootingstar Truls Moregardh agierte der viel Kampfgeist zeigende Routinier auf Augenhöhe (2:3 nach 0:2) und hätte seine Mannschaft beinahe ins entscheidende Einzel geführt. Das Turnier hat gezeigt: Auch im hohen Alter ist Boll noch immer in der Lage dazu, voranzugehen und eine Führungsrolle zu übernehmen. Der zweifache World-Cup-Sieger gab zu, dass der Instinkt mit zunehmender Wettkampfpraxis immer mehr zurückkam. Fazit: Von seiner Topform ist Boll nicht mehr weit entfernt, mit Blick auf sein großes Ziel Paris darf mit ihm weiter zu rechnen sein.
Lind-Strafe überzogen – die Turnierdauer verringern
Was passierte noch? Für Aufregung sorgte der aktuell formstarke Anders Lind im Viertelfinale gegen Portugal. Der Däne war für einen Tritt gegen den LED-Ergebnisscreen disqualifiziert worden. Meiner Meinung nach etwas überzogen, zumal ein Bandentritt üblicherweise nur mit der gelben Karte geahndet wird. Die bis dato so stabilen Dänen schwächten sich selbst. Wer weiß, wo die Reise für „Danish Dynamite“ sonst noch hingegangen wäre.
Und dann gibt es da noch das Thema Turnierdauer. Von Sonntag bis Sonntag, acht intensive Tage gingen an keinem Beteiligten, mich eingeschlossen, spurlos vorbei. Gerade die Vorrunde und die Achtelfinals – vor zwei Jahren in Cluj-Napoca ging es nach der Gruppenphase direkt mit dem Viertelfinals weiter – zogen sich extrem. Der spielfreie Mittwoch aufgrund des ETTU-Kongresses bedeutete ebenfalls ein Novum. Zuvor wurde parallel zum Event getagt.
Mir persönlich kam der Tag zum Durchschnaufen, Erledigen anderer Büro-Arbeiten und etwas Sightseeing zwar gelegen. Nina Mittelham fand die Pause aber ebenfalls ungünstig, verständlich. Ying Han nutzte den Ruhetag für einen Ausflug nach Kopenhagen und lichtete sich auf Instagram mit der bekannten bronzenen, kleinen Meerjungfrau ab. Gerade für die Profis, die weniger spielten, kam der Modus auch in der großen Halle etwas ungelegen. Statt zwei Einheiten stand täglich nur ein Trainingsslot auf dem Programm. Die Entscheidung liegt logischerweise nicht in ihrer Hand, vielleicht könnte der europäische Verband mal darüber nachdenken, das Turnier abzukürzen. Für mich der einzige Minuspunkt einer insgesamt ereignisreichen EM mit vielen spannenden Erlebnissen!
Der letzte Punkt sollte ein kurzer Smalltalk mit Patrick Franziska am Kopenhagener Flughafen gewesen sein. Der Saarbrücker saß mit seiner Frau, Kristian Karlssons Schwester Frida, und Kind auf der Rückkehr vom Familienbesuch im Flieger eine Reihe vor mir. Was ein Zufall!
(FKT)
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