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WM-ABC: Von A wie Anders Lind bis Z wie Zulu

Richtige WM-Stimmung kam erst am Final-Wochenende auf (©ITTF)

28.05.2023 - Der letzte Ballwechsel ist gespielt, die Tore des Durban ICC geschlossen - die WM 2023 ist vorbei. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz, die die Welttitelkämpfe an allen neun Wettkampftagen vor Ort erlebte, gibt zum Abschluss ihren traditionellen Überblick über diese Weltmeisterschaft in alphabetischer Reihenfolge. Der Däne Anders Lind, der überraschend im Viertelfinale stand, macht diesmal den Anfang.

Anders Lind: Der Däne gehörte zu den größten Turnier-Überraschungen. 2021 war Lind noch in einen schweren Autounfall verwickelt und brach sich zwei Rückenwirbel. In Durban zog er zwei Jahre später ins Viertelfinale ein, indem er unter anderem Jang Woojin besiegte. Diese Weltmeisterschaft wird der Däne sicherlich nicht mehr vergessen.

Bedingungen: Ich bin nicht mit vielen Erwartungen nach Südafrika gereist. Bei vielen vorigen Veranstaltern, die die Tischtennis-WM ebenfalls zum ersten Mal ausgerichtet hatten, gab es einige organisatorische Schnitzer. Aber die Südafrikaner haben positiv überrascht. Alles lief wie am Schnürchen, keine Beschwerden, gerne wieder!

China: Das C ist in meinem ABC meistens China vorbehalten - und das völlig zu Recht. Die Tischtennisnation hat in Durban wieder einmal beeindruckend unter Beweis gestellt, dass sie einfach die Besten sind. Bei den Herren, bei denen man in den vergangenen Jahren immer mal wieder Ausreißer aus anderen Ländern erleben durfte, standen gar vier Chinesen auf dem Treppchen. Zudem eine volle Ausbeute von fünf Titeln, die ganz und gar verdient war.

Doppel: Wer hätte vor dem Turnier gedacht, dass das aus der Not heraus geborene Doppel Dimitrij Ovtcharov und Patrick Franziska am Ende aus deutscher Sicht den größten Erfolg einfahren würde? Das Duo hat die Underdog-Rolle gerne angenommen und sich von Spiel zu Spiel gesteigert. Franziska hat in der Vergangenheit schon des Öfteren bewiesen, was für ein guter Doppel- und Mixed-Spieler er ist. Aber auch Ovtcharov hat sich in Durban für weitere Einsätze empfohlen. Vielleicht sehen wir die beiden als Duo ja sogar bei den Olympischen Spiele in Paris wieder.

Elektrizität: Stromausfälle sind in Südafrika auf der Tagesordnung. Als ich auf der Webseite des Auswärtigen Amts im Vorhinein las, dass der Strom teils für Stunden ausfällt, habe ich mir schon Sorgen gemacht. Unnötiger Weise. Ja, ab und zu war der Strom mal kurz weg, so zum Beispiel auch im Spiel zwischen Dang Qiu und Felix Lebrun, aber dank Generatoren dauerten die Ausfälle meist nur wenige Sekunden. 

Fan Zhendong: Mission erfüllt - und das gleich doppelt. Die Titelverteidigung im Einzel erfolgte ohne große Probleme. Im Doppel - was nach dem Triumph der Schweden in Houston aus chinesischer Sicht noch wichtiger war - strauchelten Fan und Wang kurz gegen die Lebruns, marschierten dann aber zum Sieg.

Gastgeber: Hilfsbereit, herzlich, immer freundlich. Durban wirbt mit dem Slogan „The Warmest Place To Be“ und tatsächlich fühlte man sich hier auch im nicht wörtlichen Sinne sehr "warmherzig" empfangen.

Hina Hayata: Die Frau, die die Chinesen in Durban am meisten ärgerte. Im Mixed-Doppel hatte sie mit Tomokazu Harimoto Lin Shidong/Kuai Man besiegt und am Ende Silber geholt. Im Einzel besiegte sie mit Wang Yidi ihre erste Chinesin - und das mit 21:19 im siebten Satz - und holte sich so WM-Bronze. Eine schöne Abwechslung auf dem Damen-Podium.

Iran: Wer hätte gedacht, dass die iranischen Brüder Noshad Alamiyan und Nima Alamian dem deutschen Erfolgs-Duo Benedikt Duda/Dang Qiu in der ersten Doppel-Runde gefährlich werden könnten? Wurden sie - und zwar mit fatalen Folgen für das deutsche Duo, das mit 2:3 ausschied. Zwar ging es auch für die Iraner nur die eine Runde weiter, im Einzel schaffte es Noshad aber immerhin bis in Runde drei, indem er Jonathan Groth besiegte. Ein toller Erfolg für Iran!

Japan-Tisch: Die Verteilung der Tische auf vier Hallen war nicht ganz glücklich, vor allem der „Japan-Tisch“, der vor allem für Übertragungen von TV Tokio vorgesehen war, war in den ersten Turniertagen mehr oder weniger außen vor. Das war schade, da man die Japaner so selten zufällig spielen sah, und es war nicht ganz fair, da sie meist unter denselben Bedingungen spielen durften, während die anderen zwischen den vier sehr unterschiedlichen Hallen wechselten.

Korea: Ein tolles Turnier für die nächsten WM-Gastgeber. Allen voran begeisterten Shin Yubin und Jeon Jihee, als sie die amtierenden Doppel-Weltmeisterinnen Wang Manyu und Sun Yingsha aus der Box fegten. Aber auch im Herren-Doppel war Korea zweimal auf dem Siegertreppchen vertreten. Eine gute Bilanz!

Lebruns: Die Aufsteiger des Jahres, auf die in Durban mit Spannung geschaut wurde. Während der WM 2021 in Houston waren Alexis und Felix noch 1119. und 875. der Welt. Jetzt sind sie die Nummern 18 und 32. In Durban gelang ihnen allerdings nicht die große Überraschung. Im Doppel hatten sie es gegen Fan/Wang selbst auf dem Schläger. Im Einzel schieden die beiden in der dritten Runde gegen Dang Qiu und Darko Jorgic aus. Doch beide sind noch jung und werden sicher noch bei einigen Weltmeisterschaften auf sich aufmerksam machen.

Ma Long: „The Greatest Of All Time“ hätte in Durban die Chance gehabt, der erste Chinese zu werden, der den Herren-Einzeltitel viermal gewonnen hat, und damit näher an Viktor Barna (5) zu rücken. Doch Im Halbfinale scheiterte er an Wang Chuqin, der ein gutes Händchen gegen den Olympiasieger hat und ihm damit ‚nur‘ Bronze überließ. Geehrt wurde er für seine drei WM-Titel trotzdem und hielt dazu eine rührende Rede, sogar auf Englisch. Man fragt sich, ob wir ihn bei den nächsten Individual-Weltmeisterschaften noch mal wiedersehen werden.

Nationalparks: Durban ist zwar eine pulsierende Großstadt, doch im Umland gibt es mehrere Möglichkeiten, eine Safari zu machen und Elefanten, Giraffen und Löwen in freier Wildbahn zu sehen. Viele Spieler machten von dieser Chance Gebrauch, darunter auch Ying Han, die sich damit für ihre gute WM belohnte.

Omar Assar: Der letzte Afrikaner im Rennen um die Medaillen. Mit dem Einzug ins WM-Viertelfinale erreichte der Ägypter eine persönliche Bestmarke in dem Wettbewerb und wurde zur Identifikationsfigur für die afrikanischen Zuschauer.

Publikum: An den letzten beiden Turniertagen war die Halle voll und vor allem die chinesischen und koreanischen Fans sorgten für eine tolle Atmosphäre. Davor verteilten sich die wenigen Zuschauer auf die vier Hallen, was in keiner von ihnen für eine gute Stimmung oder WM-Atmosphäre sorgte.

Queens: Im Doppel wurden Wang Yidi und Chen Meng zu den diesjährigen Königinnen gekrönt. Für beide war dies der erste Titel, den sie bei einer Individual-WM gewinnen konnten. Chen hätte sogar die Chance gehabt, auch im Einzel ganz nach oben zu klettern, wurde aber von Sun Yingsha gestoppt.

Räuber: Durban ist die drittgefährlichste Stadt der Welt. Davon habe ich selbst am eigenen Leib (toi, toi, toi für den Endspurt) nichts gemerkt, aber die eine oder andere Geschichte machte schon die Runde, auch aus der Tischtennisfamilie. Für meinen Alltag bedeutete die hohe Kriminalitätsrate, dass ich abgesehen von der wohl einigermaßen sicheren Strandpromenade wenig von der Stadt gesehen habe und mich zwischen Halle und Hotel immer nur in Taxis bewegt habe.

Sun Yingsha: Auf dem Papier ist sie schon lange die Nummer eins der Welt und nun hat sie auch den passenden Titel dazu. Sun hat den Pokal völlig verdient gewonnen, dazu auch noch den Mixed-Titel mit Wang Chuqin. Mit ihren 22 Jahren könnte sie damit den Grundstein zu einer neuen Ära gelegt haben.

Truls Moregardh: … und die Schweden generell haben eine enttäuschende WM erlebt. Anton Källberg, Mattias Falck und Jon Persson schieden gleich in der ersten Runde aus, Moregardh und Kristian Karlsson folgten in Runde drei (wobei Letzterer mit Ma Long einen dicken Brocken vor sich hatte). Und auch im Doppel hat es diesmal nicht zu einer Medaille gereicht. Dabei hatte Schweden in Houston mit Vize-Weltmeister Moregardh und dem Gold-Doppel Falck/Karlsson noch auf allen Ebenen überzeugt.

Überraschungen: Davon gab es vor allem am Anfang eine Menge. Angefangen bei den gerade genannten Schweden, aber auch Hugo Calderano, Europameisterin Sofia Polcanova oder An Jaehyun schieden bereits in der ersten Runde aus. Am Ende wurden sie seltener - gerade gegen die Chinesen gelang nur vereinzelt mal eine Überraschung.

Verpflegung: Lecker, reichlich und überraschend indisch, was wohl an einer großen indischen Gemeinde in Durban liegen mag. An den letzten Tagen wurden die Essensstände aber wohl von den vielen hungrigen Zuschauern überrascht - da war so manches Gericht dann schnell ausverkauft.

Wang Chuqin: Zweimal Gold, einmal Silber - Wang kann mit seiner WM absolut zufrieden sein, auch wenn es nicht ganz zum ‚Triple‘ gereicht hat. Zudem war er der Mann, der Ma Long den Weg zum Finale versperrte. Wer weiß, wie Fan Zhendong im Finale gegen den Olympiasieger ausgesehen hätte, der nicht gerade sein Lieblingsgegner ist.

X-mal: …haben die Chinesen den WM-Einzeltitel nun schon gewonnen. Bei den Herren waren es zehn Mal Gold in Folge, bei den Damen sogar 15 Mal.

Ying Han: Eine absolute Bank im deutschen Team. Die Abwehrspielerin fegte eine Spielerin nach der anderen aus der Box und ging damit verdient als beste Deutsche aus dem Einzelwettbewerb. Dass es mit der Medaille nicht geklappt hat, ist schade, da muss sie mal ein ernstes Wörtchen mit Glücksgöttin Fortuna sprechen, damit diese ihr künftig in der Auslosung nicht schon wieder Sun Yingsha vor die Nase setzt.

Zulu: Ein paar kulturelle Einflüsse des Volksstamms, der vor allem in der Region um Durban zu Hause ist, waren bei dieser WM zu finden. Angefangen bei der stimmungsvollen und akrobatischen Eröffnungsfeier und aufgehört bei den Ständen mit traditioneller Handwerkskunst in der Halle. Und das war gut so - bei den langen Tagen in der recht uniformen Halle hätte man sonst fast vergessen können, wo man sich gerade befindet.

(JS)

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