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WM-Blog: Zweifelhaftes Wohnzimmer für Japaner

Die Halle mit Tisch 2 hat eine komplett andere Atmosphäre als die anderen (©Schäbitz)

22.05.2023 - Wo sind eigentlich die Japaner bei dieser Individual-WM in Durban? myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz hat in den ersten beiden Tagen noch keinen Spieler der Tischtennisnation gesehen. Das hat wohl zwei Gründe: Zum einen sind die acht Tische auf vier Hallen aufgeteilt, so dass man sich schon recht aktiv entscheiden muss, welches Match man sehen möchte. Zum anderen haben die Japaner einen eigenen Tisch, an dem sie die meisten ihrer Spiele bestreiten.

Mima Ito, Tomokazu Harimoto oder Hina Hayata sind Spieler, die man bei Weltmeisterschaften gerne beobachtet. Um sie in Durban zu Gesicht zu bekommen, muss man sie jedoch aktiv suchen - zufällig über den Weg laufen sie einem eher nicht. Der Grund dafür ist die Aufteilung der Hallen im Durban ICC. Das Gebäude kann man sich wie einen langen Schlauch vorstellen. An einem Ende befindet sich die Haupthalle mit Tisch 1, daran mit einer eingezogenen Wand angeschlossen ist eine kleinere Halle mit den Tischen 3 und 4 und jenseits eines großen Trainingsbereichs befindet sich der Raum mit den vier Tischen 5, 6, 7 und 8. Und wo ist Tisch 2 geblieben? Der befindet sich am entgegengesetzten Ende des ‚Schlauchs‘ und bietet eine etwas andere Atmosphäre als die anderen Hallen. Wie an Tisch 1 ist das Licht auch in diesem Raum gedämmt und alles konzentriert sich nur auf eine Box. Die Zuschauer sitzen derweil recht weit weg auf einer Kinosaal-ähnlichen Tribüne mit weichen Sesseln.

Wohnzimmeratmosphäre für Japan

Und was hat das nun mit Japan zu tun? Besagte Halle mit Tisch 2 ist quasi das Wohnzimmer der Japaner, da hier die Übertragungen des japanischen Fernsehsenders TV Tokio aufgezeichnet werden. Damit das TV-Team nicht von Tisch zu Tisch ziehen muss, konzentriert sich damit das Spielgeschehen aus japanischer Sicht auf diese Halle. Das heißt nicht, dass dort nicht auch andere Spiele stattfänden - und genauso spielen die Japaner vereinzelt auch woanders. Aber wenn man sich den Spielplan von Tisch 2 anschaut, fällt die japanische Dominanz doch ganz klar auf. Na und?, werden sie sich jetzt vielleicht fragen. Aus organisatorischer Sicht ist das alles komplett nachvollziehbar. Ich habe aber in den vergangenen beiden Tagen des Öfteren von Spielern gehört, dass es nicht ganz einfach ist, sich von Spiel zu Spiel auf die unterschiedlichen Bedingungen in den verschiedenen Hallen einzustellen. Und wenn nun eine Nation quasi ihr Wohnzimmer hat, wo sie die meisten ihrer Matches quasi als Heimspiele bestreitet, finde ich das nicht ganz fair. Selbst die beste Tischtennisnation der Welt, China, tingelt hier von Halle zu Halle. 

Von diesem Tingeln bin ich selbst, muss ich gestehen, auch kein großer Fan. Ich verstehe schon den Punkt, dass man eine Center-Court-Atmosphäre schaffen will. Das hat auch was, keine Frage. Aber gerade bei Weltmeisterschaften fand ich es in der Vergangenheit auch immer sehr attraktiv, wenn am anderen Ende der Halle plötzlich der Jubel losbrach und man so auf jeden Fall mitbekam, wenn eine große Überraschung passierte. Und wenn das Spiel geradeaus aktuell nicht so spannend ist, wendet man seinen Blick ein Stück weiter nach rechts und schaut halt eine Weile nebenan zu. Das ist hier in Durban so meist nicht möglich, man muss schon sein Handy im Blick haben, wer wann wo spielt und wie sich die Spielstände gerade entwickeln. Aus diesem Grund habe ich in den vergangenen beiden Tagen schon die eine oder andere Überraschung verpasst, die ich mir gerne angeschaut hätte. Erschwerend hinzu kommt, dass die Spiele immer direkt im Anschluss an die vorigen begonnen werden - und nicht sklavisch dem Zeitplan gefolgt wird. Eine total sinnvolle Sache, die ich völlig unterstütze - nur muss man auch hier das Handy im Auge behalten, sonst ist das Match, für das man sich interessiert, schon vorbei, wenn man zum festgelegten Termin dort erscheint.

Back to the roots?

Diese Art der Hallenaufteilung ist sicher aus vielen Gründen sinnvoll - zum Beispiel damit die Spieler möglichst nicht von anderen Matches gestört werden, wobei ich das Argument hier nicht ganz gelten lasse, da zumindest zwischen den Tischen 1 und 3/4 die Wand so dünn ist, dass ständig Musik von nebenan zu hören ist. Das Argument, einem großen Fernsehsender wie TV Tokio die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu verschaffen, greift da sicher besser. Nichtsdestotrotz muss man auch sensibel für die Belange der Zuschauer sein - von dem Fairness-Aspekt für die Spieler ganz zu schweigen. Denn auch wenn das Publikum zu Hause vielleicht noch wichtiger geworden ist, sind es doch die Leute vor Ort, die für Stimmung sorgen und damit auch die Spieler positiv beeinflussen können. Hier verläuft sich das Publikum zwischen den vier Hallen doch ziemlich - zumindest an den ersten beiden Tagen. Ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn wir zu der Aufteilung zurückkehren würden, bei der sechs oder acht Tische in einer Halle stehen. Aber diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren wohl eher nicht zurückgedreht werden.

Wie ist Ihre Meinung? Sitzen Sie bei Großveranstaltungen lieber in einer Halle mit vielen Tischen oder bevorzugen sie Einzelhallen mit Center-Courts? Teilen Sie uns Ihre Meinung in den Kommentaren mit.

(JS)

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