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Olympia-ABC: Von A wie Alter bis Z wie Zuschauer

Schilder an den Stühlen ermahnten die Teamkameraden, nur zu klatschen und nicht zu rufen

10.08.2021 - In zwei Wochen Olympia kommen eine Menge Ereignisse und Eindrücke zusammen. Redakteurin Janina Schäbitz war live in Tokio vor Ort und fasst die prägendsten Erinnerungen mit ein paar Tagen Abstand in alphabetischer Reihenfolge zusammen. Von A wie Alter, das in den Tischtenniswettbewerben von Tokio von zwölf bis 58 Jahren reichte, bis Z für (nicht anwesende) Zuschauer erzählt sie im Olympia-ABC, was sicher noch länger im Gedächtnis bleibt.

Alter - Spielt im Tischtennis kaum eine Rolle. Hend Zaza aus Syrien war mit zwölf Jahren die jüngste Olympiateilnehmerin in Tokio. Ni Xia Lian bewies mit ihren 58 Jahren, dass Tischtennis auch am anderen Ende der Altersskala gut funktioniert.

Blech - Die Bronzemedaille blieb den deutschen Damen leider verwehrt, dafür gab es nur den undankbaren vierten Platz. Petrissa Solja, Han Ying und Shan Xiaona verpassten es, sich gegen Hongkong für ihr gutes Turnier zu belohnen. Aber Kopf hoch: Auch das Erreichen des Halbfinals ist ein tolles Ergebnis!

Chen Meng - Beim Olympiadebüt gleich mal zwei Goldmedaillen geholt, nicht schlecht! Die Chinesin sagte später, dass sie hoffe, dass nun ihre Ära beginnt. Bei der Dominanz, mit der sie in Tokio auftrat, ist das gar nicht mal so unwahrscheinlich.

Dimitrij Ovtcharov - So stark hat man Dimitrij Ovtcharov selten, vielleicht sogar noch nie gesehen. Sein Spiel gegen Ma Long war an Qualität kaum zu übertreffen, leider wurde er dafür nicht mit dem Finale belohnt. Die Olympischen Spiele scheinen sein Turnier zu sein. Mit Bronze und Silber kehrt er nach Hause und ist damit insgesamt der Tischtennisspieler mit den meisten Olympiamedaillen der Geschichte. 

Enttäuschungen - Die gab es in Tokio viele. Und wenn man fünf Jahre auf etwas hingearbeitet hat, wiegen sie auch noch mal doppelt so schwer. Aus deutscher Sicht sind Ovtcharovs Niederlage gegen Ma Long und die verpasste Bronzemedaille der Damen zu nennen, vor allem aber auch der verpasste Halbfinaleinzug von Patrick Franziska und Petrissa Solja im Mixed, die gegen die späteren Olympiasieger Jun Mizutani und Mima Ito sieben Matchbälle hatten.

Fieber - Musste jeden Tag gemessen und in eine App eingetragen werden. Und das über vier Wochen - zwei Wochen vor Tokio und zwei Wochen während der Spiele. Zur Sicherheit wurde aber auch vor jedem Eintritt in die Halle noch mal die Temperatur überprüft. Mit Erfolg: Zumindest im Tischtennis war Corona kaum ein Thema.

Gäste - Gäste aus anderen Sportarten waren bei diesen Olympischen Spielen nicht erlaubt, auch wenn diese ja selbst in der Olympia-Bubble lebten. Beim Blick über den eigenen Tellerrand war man also diesmal auch als Sportler aufs Fernsehen angewiesen.

Hitze - Manchmal schaut man ja schon etwas neidisch zu anderen Sportarten hinüber, bei denen man nicht über Tage und Wochen an eine dunkle Halle gebunden ist. In diesem Fall allerdings war man heilfroh, nicht in dieser schwülen Hitze, sondern in der klimatisierten Halle zu sitzen. Marathonläufer wollte man in Tokio nicht unbedingt sein.

Interviews - Waren in Tokio manchmal gar nicht so einfach. Zu den Sportlern musste man zwei Meter Abstand halten, hinzu kamen die Masken und die Musik in der Halle. Da war ein gutes Gehör von Vorteil. Die Japaner schafften aber schnell Abhilfe. Oft sammelte ein Volunteer die Handys und Aufnahmegeräte der Journalisten ein, legte sie auf ein Tablett und stellte dieses neben den Sportler. So war zumindest korrektes Zitieren gewährleistet.

Jun Mizutani - Nahm in Tokio wohl an seinen letzten Olympischen Spielen teil und sorgte gemeinsam mit Mima Ito für einen der prägendsten Momente mit dem Gewinn des Mixed-Titels. Auch wenn er im Vorfeld damit haderte, sich intern nicht fürs Einzel qualifiziert zu haben, waren diese Heim-Spiele mit dem Gewinn der Bronze- und Goldmedaille aber ein toller Abschluss seiner internationalen Karriere.

Klatschen - War das Einzige, was den Betreuern und Teamkameraden auf der Tribüne erlaubt war. Daran gehalten hat sich im Eifer des Gefechts aber eher niemand. Es wurde trotzdem gejubelt und gerufen. Die Organisatoren setzten zwar stets einen Volunteer vor die Tribüne, der auf die Einhaltung der Regeln achten sollte. Hier wurde aber meist großzügig ein Auge zugedrückt. 

Long, Ma - Er ist und bleibt der Größte. Ma Long ist nun der einzige männliche Tischtennisspieler, der zwei Olympiasiege im Einzel feiern durfte, und mit fünf olympischen Goldmedaillen wohl auch offiziell der G.O.A.T, „Greatest Of All Time“.

Mixed-Doppel - Feierte in Tokio seine Premiere als olympische Disziplin und machte Lust auf mehr. Alleine das Viertelfinale zwischen Solja/Franziska und Ito/Mizutani oder das Finale, als China erstmals seit 2004 ein Olympiaendspiel verlor, demonstrierten die Faszination des Mixed-Doppels, das bislang immer eher stiefmütterlich behandelt worden war.

Nudeln - Der kulinarische Lichtblick meines Olympia-Aufenthalts. Durch das Verbot, in den ersten 14 Tagen Supermärkte und Restaurants zu besuchen, war die Nahrungsaufnahme für die Journalisten arg erschwert - vor allem, wenn man den ganzen Tag in der Halle war, und nicht im Hotel. Kostenlos wurden den Journalisten Bananen und Marmeladenbrote zur Verfügung gestellt. Da lobte ich mir zur Abwechslung die Nudeln, die der kleine Kiosk in der Halle verkaufte und mich Tag für Tag zumindest halbwegs satt machten.

Organisation - Im Nachhinein kann man sicher sagen, dass es gut war, dass die sehr gewissenhaften Japaner diese „Corona-Spiele“ ausgerichtet haben. Denn die Organisation, an der diesmal nun auch das gesundheitliche Wohl aller Beteiligten hing, war in den besten Händen. Die Japaner haben bis ins kleinste Detail an alles gedacht und auf die Einhaltung aller Regeln gepocht. Schade, dass die Coronazahlen in Tokio während der Spiele trotzdem so stark angestiegen sind.

Panagiotis Gionis - Passt auch unter den Punkt E wir Enttäuschungen, soll hier aber noch einmal gesondert genannt werden, weil sein Ausscheiden in der dritten Einzelrunde so unglaublich bitter war. Als Abwehrexperte hat man es, gerade bei den Herren, ja eh schon schwerer. Der Grieche führte gegen Jeoung Youngsik allerdings schon mit 3:1 und 10:3 und schaffte es nicht, einen dieser sieben Matchbälle zu verwandeln. So zog der Koreaner ins Achtelfinale gegen Timo Boll ein. Dem wäre Gionis als Gegner womöglich auch lieber gewesen…

Quarantäne - Im Tischtennis gab es zwei positive Coronatests: Noch vor Beginn der Spiele wurde Ryu Seung-min vom Flughafen aus ins Quarantänehotel gebracht. Kurze Zeit später traf es auch den Tschechen Pavel Sirucek, der somit Tokio nach Abschluss der Quarantäne wieder verließ, ohne einen Ball im olympischen Wettbewerb gespielt zu haben.

Reiseführer - War zwar im Gepäck dabei, wurde aber nicht einmal aufgeschlagen. Durch die Bewegungseinschränkungen, die allen Beteiligten in den ersten zwei Wochen ihres Aufenthalts auferlegt wurden, hat man von der Stadt wenig gesehen. Einen kleinen Eindruck von der gigantischen Metropole vermittelten zumindest die ausgedehnten Bustouren zwischen Halle und Hotel, für die man auch schon mal durch die halbe Stadt kurven musste, auch wenn der direkte Weg nur gut zwei Kilometer lang gewesen wäre.

Stadt - Wie man überall lesen konnte, war ein Teil der Stadtbevölkerung gerade im Vorfeld nicht besonders begeistert darüber, dass Zehntausende Ausländer zu Coronazeiten nach Tokio kommen sollten. Völlig verständlich! Selbst mitbekommen habe ich von dieser Ablehnung allerdings nichts. Bei der Eröffnungsfeier hörte man leise eine Demo vor dem Stadion, ansonsten bestach die Stadt trotz der schwierigen Bedingungen durch Gastfreundschaft.

Timo Boll - Ein Erfolg im Einzel war Timo Boll auch diesmal nicht vergönnt. Im Achtelfinale platzte der Traum von einer Medaille diesmal an Jeoung Youngsik, der ein tolles Spiel gegen den Deutschen zeigte. Im Teamwettbewerb war auf Boll aber wieder zu hundert Prozent Verlass. Sowohl im Doppel als auch im Einzel konnte sich die Mannschaft stets auf ihn verlassen. Die Silbermedaille konnte hoffentlich ein wenig über die Enttäuschung im Einzel hinwegtrösten.

Unterlagen - Noch nie habe ich zu einer Veranstaltung so viele Unterlagen mitgenommen wie zu den Olympischen Spielen in Tokio. Schon Monate vorher hatten die Coronabeauftragten jedes Presseteams etliche Mails mit Bestimmungen erhalten, die für die Einreise und die Abläufe vor Ort wichtig sind. Im Nachhinein kann man sagen: Viele dieser Unterlagen wurden nicht gebraucht und viele Regeln lösten sich vor Ort in Luft auf.

Volunteers - Sie hielten den Laden am Laufen. Wie viele Freiwillige alleine beim Tischtennis beteiligt waren, sah man am letzten Tag, als zum Abschluss alle Volunteers zum gemeinsamen Fototermin auf die Spielfläche strömten. Auch wenn sie peinlich genau darauf achteten, dass die Regeln eingehalten wurden, blieben sie dabei stets freundlich, höflich und äußerst hilfsbereit. So war es etwa eine Selbstverständlichkeit, dass, wenn man nach dem Weg fragte, alles stehen und liegen gelassen wurde und man zum Ziel geführt wurde. Gastfreundschaft pur!

Werbung - Gerade für die Randsportarten sind die Olympischen Spiele die wichtigste Plattform, um für sich zu werben. Und Tischtennis hat das, denke ich, mit Bravour geschafft. Ich habe zumindest persönlich viele Rückmeldungen auch von Menschen bekommen, die nie etwas mit Tischtennis am Hut hatten, wie toll dieser Sport ist. Da war das ganze Drama, durch das unsere Spieler gehen mussten, doch noch für was gut.

Xu Xin - Seine Niederlage mit Liu Shiwen im Mixed-Finale schockte die Tischtennisnation China gleich zu Beginn der Wettkämpfe. Damit war schon sicher, dass eine weitere volle Ausbeute in diesem Jahr nicht möglich sein sollte. Im Teamwettbewerb lieferte der Penholderspieler dann wieder ab, wie man es von ihm gewohnt ist. Und zumindest in dieser Konkurrenz gab es wie geplant Gold für Xu.

Yun-Ju, Lin - Er wirkt so jung und harmlos, war aber einer der härtesten Gegner im Olympia-Teilnehmerfeld. Das musste auch Fan Zhendong erkennen, der gegen den Taiwaner im Einzel-Halbfinale fast rausgeflogen wäre. Auch gegen Ovtcharov war er im Spiel um Platz drei schon ganz nah dran an einer Medaille. Ein Spieler, der uns in Zukunft sicher noch öfter überraschen wird.

Zuschauer - Gab es im Tokyo Metropolitan Gymnasium nicht. Sie fehlten, um das besondere olympische Flair zu vermitteln und die Sportler zu Höchstleistungen anzutreiben. Nichtsdestotrotz war der Verzicht aufs Publikum, gerade auch, wenn man sich die dennoch stark steigenden Coronazahlen in der Stadt ansieht, die richtige Entscheidung.

(JS)

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