Buntes

Patrick Ittrich: Ein DFB-Schiedsrichter mit TT-Vergangenheit

Warum Patrick Ittrich seinen Job als Schiedsrichter liebt, erfahren Sie in seinem Buch. (©Michael Philipp Bader/Edel Books)

21.08.2020 - Was hat ein Fußball-Schiedsrichter mit Tischtennis zu tun? Diese Frage darf man sich zu Recht stellen. Doch Patrick Ittrich war schon im Jugendalter ein talentierter Tischtennisspieler. Was den 41-Jährigen am kleinen weißen Ball so begeistert und warum ihm seine TT-Zeit in seinem knallharten Job als Bundesliga-Schiedsrichter hilft, das hat der gebürtige Hamburger der myTT-Redaktion verraten. Zudem erscheint am Freitag sein erstes eigenes Buch ,Die richtige Entscheidung'.

Das Thema Schiedsrichter wurde auf www.mytischtennis.de schon oft behandelt, für die Februar-Ausgabe des Magazins ,tischtennis‘ begleitete Redakteur Jan Lüke einen Unparteiischen bei den German Open in Magdeburg einen ganzen Tag lang. Jetzt also berichten wir erstmals über einen Fußball-Schiedsrichter. Durch Zufall erfuhren wir, dass Patrick Ittrich den Tischtennissport zu seinen Hobbies zählt. Das hat die Neugier in uns erweckt...

Als Jugendlicher ein ambitionierter Spieler 

Um als ,Leistungssportler Schiedsrichter‘ zu bestehen - in keinem Sport macht ein Schiri so viele Kilometer wie im Fußball - spielt die Fitness eine wichtige Rolle im Leben von Patrick Ittrich. Viel Ausdauer ist gefragt, Tischtennis dient dem vierfachen Familienvater heute in erster Linie als Ausgleich zum Lauf- und Krafttraining sowie zu seinem Hauptberuf als Polizeibeamter. Zugleich trägt es auch zur Schulung des Auges bei. „Die Schnelligkeit des Balles hilft bei der Wahrnehmung des Spiels schon enorm weiter“, sagt der Bundesliga-Schiedsrichter, der ständig im Blickpunkt steht und in Bruchteilen von Sekunden die richtige Entscheidung treffen muss.

Schon zu seiner Schulzeit begann Patrick Ittrich, sich für Tischtennis zu interessieren. „Mein Lehrer hat im Rahmen des Unterrichts viel mit mir trainiert. Der Topspin wurde immer besser", erinnert sich der 41-Jährige. Als Jugendlicher sei er durchaus ambitioniert gewesen, im Erwachsenenalter schloss er sich einem Verein an. Beim Walddörfer SV sollte er sogar in der Herrenmannschaft gemeldet werden, das ging allerdings aus Zeitgründen nicht. Die aktive TT-Laufbahn liegt jedoch schon lange zurück. „Damals ging es noch bis 21. Das sagt alles“, scherzt Ittrich 19 Jahre nach der Änderung auf elf Gewinnpunkte pro Satz. 

„Faszinierender Sport" – Comeback nach aktiver Karriere?

Bis vor zwei Jahren trainierte der 41-Jährige noch gelegentlich. Gemeinsam mit seinen Kollegen Frank Willenborg und Sascha Stegemann, ebenfalls hervorragende TT-Talente, gehörte Ittrich beim Schiedsrichter-Turnier auf Mallorca schon mal zu den Besten. Als Familienvater, Polizist und Schiri wurde die Zeit, dem Hobby im Verein weiter nachzugehen, irgendwann zu knapp. „Dann musste ich es leider einschlafen lassen. Aber ich habe ein paar Vereinskollegen versprochen, dass ich irgendwann wieder spiele“, so Ittrich. Möglicherweise dann, wenn er die Altersgrenze von 47 Jahren überschritten hat und nicht mehr im Profifußball pfeifen darf. Vor seinem ausstehenden Comeback am Tisch hat der Unparteiische aber noch einen anderen Plan: „Dann gehe ich erstmal in die Eistonne!“ Verständlich, denn als Profischiedsrichter ist er Woche für Woche den höchsten physischen und mentalen Anforderungen ausgesetzt. 

Stress pur, doch was am Ende überwiegt, ist die Leidenschaft für den Sport. Was genau aber macht Tischtennis für Patrick Ittrich so reizvoll? „Wenn man nicht selbst gespielt hat, weiß man nicht, wie anstrengend Tischtennis sein kann. Die Qualitätsunterschiede können ungemein groß sein. Das macht den Sport so faszinierend.“ Auch wenn man als TT-Schiedsrichter körperlich nicht beansprucht wird, der Ton nicht ganz so hart ist und von Seiten der Zuschauer weniger Widerworte fallen, sieht Patrick Ittrich gerade mit Blick auf das Sehvermögen durchaus einige Parallelen. 

Videobeweis auch im Tischtennis sinnvoll

Man könnte zwar meinen, es sei eine Berufskrankheit, als aktiver Spieler interessierte sich Patrick Ittrich dennoch eher weniger für den Job als Schiri, ums Zählen kam er aber nicht herum. „Natürlich beschäftigt man sich mit den Regeln, aber der Spaß am Spiel stand da doch mehr im Vordergrund.“ Zur WM oder bei Olympia schaltet der Hamburger dann auch schon mal den Fernseher ein, um Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov zuzuschauen. In Tokio soll 2021 dann auch wieder der Videobeweis zum Einsatz kommen. Während sich die ITTF noch in der Testphase befindet, ist der ,Video Assistant Referee‘ (VAR) im Fußball bereits gang und gäbe. 

Schaut man auf Abseits- oder Elfmetersituationen ist es trotz der Fernsehbilder oft sehr schwer, die korrekte Entscheidung zu treffen. Unter Fans findet der VAR bis heute wenig Zustimmung. „Im Tischtennis gibt es keinen Ermessensspielraum. Bei Tatsachenentscheidungen macht eine Challenge schon Sinn“, sagt Ittrich. Knifflige Szenen könnten im Falle eines Netz- oder Kantenballes oder bei der Wurfhöhe vor dem Aufschlag sofort und problemlos überprüft werden. In weiteren Punkten ist es ungemein schwer, überhaupt einen Vergleich zwischen Tischtennis und Fußball im Profibereich zu ziehen. 

Gehaltsschere geht weit auseinander

Ohne eigene Erfahrungen in beiden Sportarten ist es aber nur selten möglich, im professionellen Schiedsrichterbereich Fuß zu fassen. „Bis auf wenige Ausnahmen haben die meisten schon selbst gespielt“, berichtet Ittrich, dessen Heimatverein der Mümmelmannsberger SV Hamburg ist. Interessant sind da die großen Unterschiede bei der Bezahlung. Mit fünf Jahren Bundesliga-Erfahrung erhalten die Spielleiter ein Grundhonorar von 70.000 Euro pro Jahr, plus 5.000 Euro pro Einsatz auf dem Feld. Zum Vergleich: Ein Kreisliga-Schiedsrichter erhält 22 Euro pro Spiel, ein Tischtennis-Schiri hingegen bekommt für einen ganzen Tag bei einer EM sogar noch zwei Euro weniger.

Im Tischtennis ist die Zahl der Regelhüter nicht nur deshalb rückläufig. Im Profi- und Amateurfußball dagegen ist man für die Zukunft mit vielen jungen Referees gut aufgestellt. Jedoch gehen die Zahlen seit Jahren ebenfalls zurück. Unabhängig davon wird man auf den Fußballplätzen in Zukunft weiterhin ohne Zuschauer auskommen müssen. „Die Fans vermisst man schon sehr. Sie treiben alle Beteiligten an“, so Ittrich, der trotz des „Spießroutenlaufs“ an manchen Spieltagen der Stimmung in den vollen Stadien ein wenig hinterhertrauert. Dass die Fans einen schnell zum Buhmann machen können, ist jedem Schiedsrichter bewusst. Die Passion, für Gerechtigkeit im Spiel zu sorgen, ist dafür umso größer.  

Info:
Patrick Ittrich ist seit 2003 DFB-Schiedsrichter und kam insgesamt 40 Mal in der Bundesliga zum Einsatz (71 Mal in der zweiten Liga, zwölfmal im DFB-Pokal). Als vierter Offizieller bzw. Torrichter am Spielfeldrand bestritt er zudem bereits ein FIFA-Freundschaftsspiel sowie Begegnungen in der UEFA Champions und Europa League (u.a. beim FC Liverpool). 

Alle Infos rund um das Buch ,Die richtige Entscheidung' finden Sie hier

Zum Trailer

Alle Infos zu unserer Serie ,Tischtennisspielende Multitalente'

(FKT)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2024 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.