WM-Blog

ABC: Anti-Wunder, Publikumslieblinge, unfaire Fans?

myTT-Redakteur Fabian Kleintges-Topoll fasst die WM in bunten Geschichten zusammen. (©privat)

26.05.2025 - Die Einzel-Weltmeisterschaft in Doha ist vorüber und hat wieder eine Menge bunte Geschichten geschrieben – von taktischen Experimenten, strauchelnden und überraschenden Stars bis hin zu kulturellen Besonderheiten, die man in Europa so nicht kennt. myTischtennis.de-Redakteur Fabian Kleintges-Topoll war für Sie neun Tage in Katar vor Ort und ruft die besonderen Ereignisse aus dem Wüstenstaat in seinem Abschlussblog, unserem klassischen WM-ABC, noch einmal alphabetisch ins Gedächtnis.

Anti-Wunder: Sabine Winter traf vor einem halben Jahr eine mutige Entscheidung: Ein Anti-Belag auf der Rückhand. Viele hätten sie für verrückt gehalten, doch die Dachauerin spielt damit inzwischen wieder ihr bestes Tischtennis und ließ technisch versiertere Gegnerinnen auch bei der WM verzweifeln. Die Experimentierfreude wurde mit dem Einzug ins Doppel-Viertelfinale an der Seite von Yuan Wan belohnt – ein kleines Wunder im Kautschuk-Universum, wie es der DTTB auf den Punkt brachte.

Brasilianisches Kunststück: Eine WM-Medaille für Südamerika hat es bisher noch nie zuvor gegeben – umso bemerkenswerter war der Auftritt von Hugo Calderano in Doha. Der Brasilianer schnappte sich nach dem jüngsten World-Cup-Sieg sein erstes Edelmetall bei einer Weltmeisterschaft, im Halbfinale rang der Ochsenhausener den Weltranglistenfünften Liang Jingkun auf beeindruckende Art und Weise nieder, im Finale blieb die Sensation gegen Wang Chuqin aus. WTT titelte dennoch nicht ohne Grund: „Hugo Boss“.

China: Die Vormachtstellung bleibt unangetastet – aber nicht unangekratzt. In Doha gerieten Chinas Stars öfter unter Druck und teilweise ins Stolpern (siehe E wie Enttäuschungen). Dominant? Ja. Unschlagbar? Vielleicht nicht mehr ganz. Am Ende gingen dennoch vier der fünf zu vergebenen Goldmedaillen ins Reich der Mitte. Somit war es eine weniger als in Durban 2023.

Dorr: Wie sein Partner Florian Bourassaud steht auch Esteban Dorr in der Einzel-Weltrangliste nur rund um Position 100, im Doppel zählen die beiden Franzosen dafür zu den besten Duos der Welt. In Doha gewannen beide erstmals Bronze, unter anderem nach einem Sieg über die WM-Finalisten von 2019, Ovidiu Ionescu und Alvaro Robles. Mehr war nicht möglich, denn die beiden mussten ihr Halbfinale gegen Japan abschenken, weil sich Dorr beim Jubel am Knie verletzte. 

Enttäuschungen: Nicht alle Top-Asiaten konnten den hohen Erwartungen gerecht werden. So wurde die Bingener Bundesligaspielerin Lea Rakovac zum Asienschreck, Lin Gaoyuan und Wang Yidi scheiterten früh und der Weltranglistenerste Lin Shidong fuhr sogar ohne eine einzige Medaille nach Hause. Ein herber Rückschlag. Wenig zufriedenstellend war auch das Abschneiden der deutschen Herren – zur Bilanz.

Franziska: Im Mixed und Herren-Doppel war früh Feierabend, im Einzel kam Patrick Franziska für Deutschland am weitesten. Der DTTB-Akteur konnte seine Setzung trotzdem nicht erfüllen und verlor trotz guter Siegchancen sein Einzel-Achtelfinale gegen Angstgegner Lin Yun-Ju mit 3:4, ein bitteres Tränen-Aus für den Routinier.

Gauzy: Simon Gauzy zeigte einmal mehr, warum man ihn nie abschreiben darf. Mit taktischer Cleverness und seinem ansehnlichen Spiel von weit hinter dem Tisch warf der Franzose, der bis Sommer noch in Ochsenhausen aufschlägt, den Chinesen Lin Gaoyuan aus dem Wettbewerb und musste erst gegen den neuen Weltmeister Wang Chuqin die Segel streichen.

Hoffnungsträgerin: Annett Kaufmann gilt in Zukunft weiter als größte Hoffnung für Tischtennis-Deutschland. In Doha sammelte die 18-Jährige bei ihrer zweiten Einzel-WM weitere wichtige Erfahrungen. Die 2:4-Niederlage gegen die Drei der Welt und Doha-Halbfinalistin Chen Xingtong zeigte: Der Abstand zur Weltspitze ist nicht riesig - und das Potenzial der Jugend-Weltmeisterin groß.

Internationalität: Von Madagaskar über Kuba bis Kanada und Sambia – das Feld bei einer WM ist immer extrem bunt. Besonders auffällig im Vergleich zu früher: der Leistungsanstieg kleinerer Nationen, die nicht nur zum Mitspielen angereist waren. 640 Spielerinnen und Spieler aus 127 Nationen aller fünf Kontinenten gingen in Katar an den Start.

Japan: Das einstige Wunderkind Tomokazu Harimoto erlebte wieder mal ein Turnier zum Vergessen, Mima Ito nahm ihre erste Einzel-WM-Medaille mit und auch in den Doppelwettbewerben konnte Japan mit Silber im Mixed, Bronze im Damen-Doppel sowie Silber im Herren-Doppel glänzen und wurde somit hinter China die zweitbeste Nation.

Kulturschock: Für mich war es die erste Weltmeisterschaft als Tischtennis-Journalist, ein besonderes Erlebnis. Die Umstellung auf eine völlig andere Kultur im Wüstenstaat erforderte anfangs allerdings noch etwas Eingewöhnungszeit. Meine Erfahrungen können Sie im Blog (unten verlinkt) nachlesen.

Lokalmatadore und Lebruns: Gastgeberland Katar war mit sieben Athletinnen und Athleten vertreten, die in allen Wettbewerben angetreten sind, aber nicht mehr als die großen Außenseiter blieben. Sportlich chancenlos, aber präsent. Viele heimische Zuschauer fanden nicht den Weg in die Halle. Mehr war auf den Rängen los, als Felix und Alexis Lebrun ihre erste Doppel-Medaille erringen konnten. Der große Wurf der Talente blieb in Doha jedoch aus. Es wurde Bronze. 

Moregardh: Er ist und bleibt ein Shootingstar im Tischtennis-Universum. Truls Moregardh spielt bei großen Turnieren regelmäßig groß auf, so auch in der Lusail Multipurpose Hall. Der Schwede, WM-Zweiter von 2021 und amtierender Vize-Olympiasieger, verabschiedete sich erst im Halbfinale gegen den späteren Sieger Wang Chuqin. Seine zweite WM-Einzelmedaille.

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