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Fabians EM-Blog: Den Auslosungsmodus überdenken

In München gab es mehrere rein deutsche Duelle. Die Stimmung hat darunter gelitten. (©Gohlke)

22.08.2022 - Am Sonntag ist in München die Individual-Europameisterschaft im Rahmen der European Championships 2022 zu Ende gegangen. Der DTTB durfte sich dabei über vier Einzel-Medaillen freuen. Dabei war der Druck im eigenen Land durchaus zu spüren, findet myTischtennis.de-Redakteur Fabian Kleintges-Topoll. In seinem Blog geht der 26-Jährige auch auf den seit 2018 bestehenden Auslosungsmodus ein und erklärt, warum man diesen in Frage stellen sollte.

Das waren sie also, die ersten europäischen Titelkämpfe in Deutschland nach Stuttgart 2009 liegen hinter uns. Über die positive Stimmung in der bayerischen Landeshauptstadt hatte ich bereits in meinem Erlebnisblog vom vergangenen Montag berichtet (EM als Multisport-Event - eine große Chance). Auch die deutschen Spielerinnen und Spieler betonten immer wieder, wie sehr sie es genossen haben, nach langer Corona-Pause wieder vor Fans zu spielen und schwärmten von einer „wahnsinnigen Atmosphäre“ im Audi Dome. 5.000 Zuschauer verwandelten die Rudi-Sedlmayer-Halle am Wochenende in einen Hexenkessel.

Winter und Qiu ritten auf Euphoriewelle – Deutschland im Medaillenspiegel vorne

Was auf der einen Seite viel Rückenwind brachte und die Leistungen der DTTB-Asse extrem pushte, erhöhte andererseits auch den Erfolgsdruck, der durch die hervorragenden Ergebnisse bei vergangenen Europameisterschaften durchaus gegeben war. „Der Druck war schon größer als sonst“, empfand auch Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf. Genau wie der 53-jährige frühere Doppel-Weltmeister bewertete auch Sportdirektor Richard Prause das Abschneiden in seiner EM-Bilanz realistisch: „Von den letzten Turnieren waren wir natürlich erfolgsverwöhnt, aber da sind auch viele Dinge sehr gut zusammengekommen. Am Ende darf es nicht darum gehen, ob man das beste Ergebnis seit 44 Jahren oder das schlechteste seit 23 Jahren hatte, sondern man muss es im Einzelnen analysieren“, so Prause (EM-Bilanz: "Happy End mit gemischten Gefühlen"). 

Natürlich ist es nicht leicht, die hohen Erwartungen im eigenen Land zu erfüllen. Dank viermal Edelmetall in den Einzel-Wettbewerben konnten die Deutschen dem Druck jedoch erfolgreich standhalten. Allen voran Lokalmatadorin Sabine Winter mit ihrem sensationellen dritten Platz und der neue Herren-Europameister Dang Qiu ritten von Anfang bis Ende auf einer großen Euphoriewelle, die letztlich auch dazu beigetragen hat, dass Deutschland den Gesamt-Medaillenspiegel aller neun Sportarten bei den – Zitat Dimitrij Ovtcharov – „olympia-ähnlichen“ European Championships, mit 26 Gold-, 20 Silber- und 14 Bronzemedaille vor Großbritannien anführte. 

Auch Roßkopf kritisiert Auslosungsmodus: Emotionalität hat gelitten 

So weit, so gut. Eine Sache aber tat der positiven Stimmung in München einen kleinen Abbruch – der Auslosungsmodus. Denn seit der EM 2018 in Alicante wird bei der Setzung keine Rücksicht mehr auf die Nationalität genommen. So befanden sich mit Timo Boll, Benedikt Duda und Dang Qiu drei Deutsche im selben Viertel, bei den Schweden waren es sogar vier. Auch bei den Damen (Winter vs. Han und Winter/Mittelham vs. Kaufmann/Schreiner) kam es zu rein deutschen Duellen. Die Nationalspieler mussten ohne Coach auskommen, auch die Anfeuerungen in der Halle blieben aus. Die Freude über das Weiterkommen war mit Blick auf die Emotionalität weniger groß als in Partien gegen ausländische Akteure.

Während die Profis es so hinnahmen – getreu dem Motto, wir können sowieso nichts daran ändern – äußerte Jörg Roßkopf schon eher Kritik. „Natürlich waren wir enttäuscht, wie die Auslosung gelaufen ist. Ich bin kein Freund davon. Vielleicht ist es wert, dass man darüber, völlig frei zu setzen, doch noch mal nachdenkt und es gegebenenfalls ändert. Auch die Schweden waren in einer guter Form und haben sich nach und nach selbst eliminiert. Das ist schade, aber wir wussten vorher, dass der Weg zum Titel nur über einen deutschen Spieler gehen kann“, äußerte der Herren-Bundestrainer. Eine Meinung, die ich nur teilen kann. Möglicherweise könnten Aufeinadertreffen der gleichen Nation erst ab dem Halbfinale erfolgen. 

Kaufmann und Schreiner: Zwei Youngsters vor einer strahlenden Zukunft

Und dann waren da noch die starken Auftritte der beiden Jungspunde. Annett Kaufmann und Franziska Schreiner schafften bei ihrer ersten Individual-EM gleich den Einzug ins Einzel- und Doppel-Hauptfeld und hatten gestandene Spielerinnen wie Natalia Bajor aus Polen und die Spanierin Maria Xiao in der Runde der letzten 64 an den Rand einer Niederlage gebracht. Beiden steht sicher eine strahlende Zukunft im internationalen Damen-Tischtennis bevor.

Eine lange Pause haben die EM-Teilnehmer im Übrigen nicht, bevor sie das Training im DTTZ in Düsseldorf wieder aufnehmen werden. Vom 5. bis 9. September steht zunächst das WTT-Contender-Turnier in Muscat im Oman auf dem Programm, vom 13. bis 18. September das Event derselben Kategorie in Almaty (Kasachstan), bis vom 30. September bis 9. Oktober die Team-WM im chinesischen Chengdu folgt. Am kommenden Wochenende startet zunächst die TTBL in die neue Spielzeit 2022/2023. Die Damen-Bundesliga beginnt erst am 11. September. 

(FKT)

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