19.07.2021 - Mit einem Jahr Verspätung geht es heute los: Redakteurin Janina Schäbitz macht sich auf den Weg zu den Olympischen Spielen in Tokio, um die myTischtennis.de-User und Leser des Magazins tischtennis mit News aus erster Hand vom größten Sportereignis der Welt zu versorgen. Wer nun glaubt, jetzt beginne das große Abenteuer erst, liegt aber falsch: Über Monate zieht sich der nervenzehrende bürokratische Marathon bereits, mit dem diese besonderen ‚Corona-Spiele‘ verbunden sind.
Es fühlt sich unwirklich an. Nach fast zwei Jahren wieder in ein Flugzeug steigen? Eng an eng mit fremden Menschen sitzen? Deutschland verlassen? Wieder ein großes Turnier besuchen? Corona hat uns von den normalsten Sachen der Welt entwöhnt - und so schaue ich irgendwie irritiert auf die vielen ‚neuen ersten Male‘, die ich in den nächsten drei Wochen erleben werde. Das bedeutendste erste Mal, auf das ich mich freue, ist dabei aber natürlich auch das naheliegendste: Ich träume seit meiner Kindheit davon, einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Und da ziemlich schnell klar war, dass dies als Sportlerin niemals funktionieren wird, freue ich mich, mich auf dem zweitbesten Weg für dieses Mega-Ereignis ‚qualifiziert‘ zu haben - dem journalistischen.
In der Magengegend spüre ich in diesem Moment, in dem ich im Zug von Köln zum Frankfurter Flughafen fahre, allerdings nicht nur ein freudiges Kribbeln. Ein unwohles Gefühl ist leider auch dabei. Während am anderen Ende des Erdballs in wenigen Tagen das größte Sportfest der Welt beginnt, haben in meiner allernächsten Nähe die Überschwemmungen vorige Woche vielen Menschen großes Leid zugefügt. Bei den furchtbaren Bildern und Nachrichten aus Orten, die einem so gut bekannt sind, fällt es schwer, das Rheinland sorglos zu verlassen. Auf der anderen Seite stimmen einen natürlich auch die sich häufenden Meldungen von Coronafällen im olympischen Umfeld nachdenklich, die mit Ryu Seung-Min ja nun sogar einen Bekannten aus der Tischtennisszene getroffen haben.
Das Turnier, das Verrückte macht
Und schließlich wäre da noch die Ungewissheit, die an mir nagt. Denn obwohl sich die japanischen Verantwortlichen seit Monaten bemühen, dieses organisatorische Ungetüm zu zähmen, zu dem sich die ‚Spiele‘ wegen der Corona-Pandemie entwickelt haben, sind am Ende viele Dinge leider immer noch unklar. Die wichtigste der unbeantworteten Fragen, die sich für mich erst vor Ort klären werden, ist sicherlich: Komme ich ins Land? Tatsächlich hat mich diese Frage in den vergangenen Wochen am meisten beschäftigt. Ich möchte Sie nicht mit bürokratischen Details langweilen, daher bringe ich ein unterhaltsameres Beispiel aus Gallien, das das Hin und Her womöglich am besten beschreibt: Kennen Sie Asterix’ und Obelix’ Bemühungen, den Passierschein A38 zu bekommen? Wenn nicht, ist hier noch mal der Link zu der kurzen Episode. Jedenfalls ähnelten die Vorbereitungen, sich der japanischen Grenze mit den richtigen Formularen und aktivierten Apps zu nähern, dieser Zeichentrickepisode im „Haus, das Verrückte macht“.
Ich versuche, es möglichst kurz zu umreißen: Damit die Einreise und organisatorische Abwicklung im Vorhinein klappt, muss man sich auf drei verschiedenen Portalen anmelden, auf denen man über seine An- und Abreise informiert, sein Hotel bucht und seinen Aktivitätsplan einreicht, in dem man wiederum genau festlegt, wo man sich in den ersten 14 Tagen aufhalten wird (Geschäfte, Restaurants, touristische Ziele oder der öffentliche Personennahverkehr sind dabei tabu). Warum zu diesem Zweck drei Plattformen nötig sind statt einer, ist mir zwar schleierhaft, aber nun gut. Zusätzlich müssen zwei Apps installiert werden, die Kontakte mit anderen Personen aufzeichnen, Informationen für die Einreise sammeln und bei der Dokumentation des eigenen Gesundheitszustands helfen. Der Aktivitätsplan musste vier Wochen vor Abreise eingereicht werden und sollte dann eigentlich auch zwei Wochen später von der japanischen Regierung geprüft worden sein. Da dies aber bei mir - und vielen anderen Tokiofahrern - bis einen Tag vor Abreise noch nicht passiert war, wurden alternative Formulare verschickt, die ich letzte Nacht noch schnell ausgefüllt habe. Das Ironische: Als ich bereits im Wartebereich zum Boarding saß, kam dann tatsächlich doch noch die Bewilligung meines Aktivitätsplans per Mail. Halleluja! Außerdem müssen bei der Einreise zwei PCR-Tests vorgelegt werden, die von einem der Labore durchgeführt werden müssen, welche im Vorhinein von den Organisatoren für die verschiedenen Länder festgelegt wurden. Die Ergebnisse sollen nach Möglichkeit dann noch mal auf ein besonderes Formular des japanischen Gesundheitsministeriums übertragen werden.
Noch viele Hürden bis zum Ziel
Um diesen organisatorischen Marathon den Olympiafahrern zu erklären, wurden seit Mitte Mai etwa 30 Mails mit knapp 50 Anhängen von den japanischen Verantwortlichen verschickt - nicht selten mit einer neuen Version der Regeln, die vorher bereits aufgestellt wurden. Es war also durchaus ein Kraftakt, den auch die Nicht-Sportler im Vorhinein bewältigen mussten. ;-) Doch mit diesen genommenen Hürden enden die Ungewissheiten leider noch nicht. Denn noch weiß ich nicht, ob ich die ersten drei Tage meines Aufenthalts in Quarantäne verbringen muss oder mich gemäß meines Aktivitätsplans zumindest eingeschränkt bewegen darf. Ich weiß nicht, an wie vielen Tagen ich überhaupt in die Halle komme, weil ich mich täglich für einen der reduzierten Plätze auf der Pressetribüne bewerben muss. Und ich weiß nicht, ob ich, falls ich in die Halle komme, auch in die Mixed-Zone zu den Athleten darf, denn auch hierfür ist täglich eine Bewerbung nötig. Sie merken: Für die Journalisten halten in Tokio nicht nur die Wettkämpfe eine Menge Spannung bereit.
Doch auch wenn dieser organisatorische Marathon mir in den vergangenen Wochen so manchen Nerv und auch etwas Vorfreude geraubt hat, sind sie jetzt, da ich unterwegs bin, alle wieder da: die Nerven und die Vorfreude. Denn zu diesem Zeitpunkt geht es eh nur noch vorwärts und ich lasse nun einfach auf mich zukommen, was auch immer da warten mag. Ein Erlebnis der besonderen Art wird diese Reise auf jeden Fall, ich hoffe nur, dass die vielen Beschränkungen und das Coronavirus den Zauber, den Olympische Spiele von Natur aus haben, nicht gänzlich zerstören können. Doch auch wenn vieles andere diesmal fehlen sollte - sportliche Spitzenleistungen wird es auch in Tokio geben. Und da live dabei zu sein und vor Ort darüber berichten zu dürfen, war jede übersprungene Hürde wert.
(JS)
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