Ligaprimus Fulda mit Abwehrass Ruwen Filus (r.) erwischte diesmal das harte Halbfinal-Los Borussia Düsseldorf (©Roscher)
25.04.2016 - Seit dem Wochenende steht fest, dass Borussia Düsseldorf und der 1. FC Saarbrücken TT im TTBL-Finale stehen - und nicht der TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell, der die reguläre Ligaphase als Tabellenerster abgeschlossen hat. Am Ende könnte es also wieder Düsseldorf werden, obwohl Boll und Co. quasi schon ausgeschieden waren. Möglich macht dies der Play-off-Modus, der unserem freien Redakteur Jan Lüke ein Dorn im Auge ist. Warum, erzählt er in seinem Blog.
Auf die Enttäuschung folgte die Systemkritik. Nachdem der TTC Schwalbe Bergneustadt am letzten Spieltag mit einer schmerzhaften 2:3-Niederlage gegen den Post SV Mühlhausen seine Play-off-Teilnahme leichtfertig verzockt und Serienmeister Borussia Düsseldorf in allerletzter Sekunde den Sprung in die Saison-Endrunde ermöglicht hatte, nahm sich Bergneustadts Macher Andreas Grothe den Modus der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) zur Brust: „Es kann nicht sein, dass der Verein mit dem größten Geldbeutel sich den besten Spieler kauft, den ein paar Mal einsetzt und dann Deutscher Meister wird. Wir haben die ganze Runde mit vier – im Vergleich mehr oder weniger – mittelmäßigen Spielern gespielt und waren am Ende punktgleich mit den Düsseldorfern, die in der Weltrangliste alle besser stehen als unsere Jungs. Aber am Ende schafft es Düsseldorf doch wieder in die Play-offs und kann mit einem Ausnahmespieler wie Timo Boll, den man im Prinzip nur im Halbfinale und Endspiel braucht, Deutscher Meister werden. Da muss man sich fragen, ob das alles so richtig ist.“
Nicht die denkbar beste Lösung
Natürlich wird sich in Grothes Worten auch noch ein letzter Schuss Frust wiedergefunden haben. Inhaltsleer sind sie dennoch nicht. Seine Antwort auf die von ihm aufgeworfene Frage ist nur unschwer zu erraten: So ist das alles überhaupt nicht richtig. Aber warum nicht? Die denkbar beste Lösung, da gehe ich d’accord mit Grothe, kann das jetzige System zumindest wirklich nicht sein. Grothe hat – Frust über das eigene Scheitern hin oder her – das Problem der diesjährigen TTBL-Saison, aber auch des gesamten TTBL-Modus im Kern voll getroffen. Ein Blick auf die aktuelle Lage der Dinge: Borussia Düsseldorf hat den mit Abstand stärksten Kader der Spielklasse. Darüber bestehen, auch in Fulda oder Ochsenhausen, keinerlei Zweifel. Seitdem Timo Boll aus Gönnern in die nordrhein-westfälische Landesmetropole überlief, gewannen die Düsseldorfer sieben von acht Meisterschaften. Das stellt eine Dominanz dar, wie sie selbst ein FC Bayern München im Fußball nicht annähernd auf den Rasen bekommt. Für diese Vormachtstellung muss sich Düsseldorf weder entschuldigen noch rechtfertigen. Denn sie ist zum einen nicht Düsseldorfs Problem – und es darf erst recht nicht Düsseldorf Bestreben sein, dass sich daran etwas ändert.
Die Düsseldorfer Dominanz aber findet massive Unterstützung durch den Modus der TTBL. Damit meine ich nicht das Dreiermannschafts-System, wobei auch das ein Team mit einem nahezu unschlagbaren Spieler stark bevorteilt, der für zwei Drittel der notwendigen Punkte im Alleingang sorgen kann. Damit meine ich - wie auch Grothe - vielmehr den Play-Off-Modus. Denn der wiederum bevorteilt das Team mit dem stärksten Kader – ganz gleich, ob er ihn regelmäßig einsetzt oder nicht. Er muss eben nur da sein, wenn man ihn wirklich braucht. In einigen wenigen Play-off-Spielen.
Ausgang muss so offen wie möglich sein
Die Düsseldorfer Borussia bewegt sich in diesem Modus nahezu bestmöglich: Sie hat in Boll den ligabesten Akteur. Den bietet sie allerdings seit Jahren nicht in allen Spielen auf. Warum auch?! Auf der einen Seite spart das Geld, auf der anderen Seite richtet das aber keinen Schaden an. Ob Düsseldorf keine, zwei oder vier Niederlagen in der regulären Saison kassiert - die selbstredend fast immer ohne Boll - interessiert letztlich niemanden. Selbst in einem Spieljahr, in dem nichts zusammengeht, kann die Düsseldorfer Mannschaft allerdings auch mit Boll als sporadischer Teilzeitkraft kaum die Play-offs verpassen. Denn auch das sei an dieser Stelle nicht unerwähnt: Schiefer als in dieser Saison kann es für Düsseldorf kaum laufen. Und selbst diesmal hat es, wenngleich mit viel Zutun der Konkurrenz, ja irgendwie noch gereicht. Die Frage ist nun nicht, ob Düsseldorf das zu gönnen sei oder nicht. Die Borussia agiert im Sinne des sportlichen Wettkampfs und seines Regelwerks überaus geschickt. Anmerkung: Natürlich auch deshalb, weil sie die finanziellen Möglichkeiten dazu besitzt. Aber um Düsseldorf geht es ja schließlich nicht. Düsseldorf ist nur das aktuelle Beispiel – und könnte bald auch Saarbrücken, Ochsenhausen oder sonstwie heißen. Die Frage aber ist doch vielmehr, ob es im Interesse der Liga und des Sports ist, den Wettbewerb in dieser Form zu kultivieren. Ich würde meine Stimme für ein ‚Nein‘ geben.
Eine Prämisse der Liga sollte es sein, einen sportlichen Wettkampf zu schaffen, dessen Ausgang so offen wie möglich gestaltet ist. Dafür erscheint der Play-off-Modus auf den ersten Blick sinnvoll. Oder um es anders zu sagen: Dafür gibt es Play-offs. Sie machen den Ausgang einer ganzen Saison von einigen wenigen Spielchen abhängig. Der „Do or die“-Charakter, wie es im US-Sport so dick aufgetragen heißt, erhöht zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass der Außenseiter den Favoriten stürzt. Denn auch in einer regulären Saison wäre das nominell beste Team in seiner vollen Besetzung schließlich der Titelfavorit. So weit, so gut gelöst.
Ein Boll-Bezwinger für drei Spiele benötigt
Warum also die Bedenken? Um im Beispiel zu bleiben: Auch ohne Boll wäre Düsseldorf in allen oder fast allen TTBL-Partien klarer Favorit. Es wäre aber sehr viel anfälliger für Niederlagen. Dieses Risiko müsste ein Verein, der nicht das Geld investieren möchte oder kann, seinen oder seine besten Spieler immer aufzubieten, oder der Spieler unter Vertrag weiß, die aufgrund anderer Schwerpunktsetzung nicht immer aufgeboten werden möchten, bewusst in Kauf nehmen. Im aktuellen Modus aber hat dieses Risiko kaum Konsequenzen. Düsseldorf etwa schloss die reguläre Saison seit der Einführung des Play-off-Modus vor sechs Jahren nur zweimal als Erster ab – dennoch wird es am Saisonende wohl zum fünften Mal Meister in diesem Zeitraum.
Mit hinein spielt hier eine Besonderheit des Tischtennissports, der ja bekanntlich mehr eine Einzelsportart im Gewand einer Mannschaftssportart ist als eine echte Mannschaftssportart, die mit Fußball, Handball oder Basketball zu vergleichen ist. Denn im Tischtennis agieren Ausnahmekönner wie Boll fernab von mannschaftstaktischen Abläufen. Sie sind Einzelsportler. Das macht es einfach, sie nur sporadisch einzusetzen. Der Weg, den Düsseldorfern beizukommen, ist dementsprechend so einfach wie schwierig: Es braucht nur für drei Play-off-Spiele einen besseren Spieler als Timo Boll. Oder einen anderen Ligamodus, der sich wieder dem klassischen Ligamodus ohne Play-offs nähert.
(Jan Lüke)
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