Buntes

Ex-BL-Vereine: Von Müller Würzburg zum TTC Kist

Beim Schaukampf zum 75-jährigen Jubiläum 2019: Spitzenspieler Evgueni Chtchetinine mit Timo Boll. (©Verein)

27.10.2023 - Ein knappes Jahrzehnt spielte der Müller Würzburger Hofbräu e.V. in der Tischtennis-Bundesliga und feierte 2005 seine einzige deutsche Meisterschaft. 2008 fusionierte der Klub mit dem TTC Frickenhausen, doch der Zusammenschluss wurde nach nur einer Spielzeit wieder rückgängig gemacht. Seither liegt das Spielrecht beim TTC Kist, der mit jungen Talenten und einem Altstar inzwischen ein ambitionierter Regionalligist ist. Wir erzählen die Geschichte in unserer Serie ,Ehemaliga BL-Vereine heute‘.

Hört man den Namen FC Würzburger Kickers, dann denken viele als Erstes an Fußball und weniger an Tischtennis. Doch die Großstadt im bayerischen Bezirk Unterfranken blickt sehr wohl auch auf eine große TT-Vergangenheit zurück. Als sich die Tischtennisabteilung kurz zuvor auflöste, gründete sich am 5. März 1996 der Nachfolgeverein Müller Würzburger Hofbräu e.V. - kurz Müller Würzburg. Es war der Beginn einer Ära unter der Regie von Frank Müller: Namensgeber, Hauptsponsor, Manager und aktiver Spieler in einer Person. Neun Jahre Bundesliga und zwei Saisons in der zweiten Liga. Alles begann in der Spielzeit 1998/1999. Bis 2003 waren die Unterfranken eine Fahrstuhlmannschaft, stiegen 2000 und 2002 ab, jedoch sofort wieder auf. 

Seinen größten Triumph feierte der Klub mit dem Gewinn der bis heute einzigen deutschen Meisterschaft in der Saison 2004/2005. Das Team um die Spitzenspieler Petr Korbel und Leung Chu Yan schaltete in den Play-offs erst die TTF Liebherr Ochsenhausen und im Endspiel den TTC Metabo Frickenhausen aus. 2007 verlor Würzburg das DTTB-Pokalfinale gegen den TTC Zugbrücke Grenzau und wurde 2005 und 2007 nach Niederlagen gegen den SV Plüderhausen und Borussia Düsseldorf Vize-Sieger im ETTU-Cup (heute Europe Cup). In den Folgejahren entwickelte sich Müller Würzburg zu einem gestandenen Bundesligisten. Der Höhepunkt: der Einzug ins Champions-League-Viertelfinale 2008 gegen den SVS Niederösterreich. 

Fusion mit Frickenhausen, Rückzug und Neustart in der Regionalliga

Im April 2008 kam es dann zu einem überraschenden Coup. Der Müller Würzburger Hofbräu e.V. fusionierte mit dem TTC Frickenhausen. Das Magazin ‚tischtennis‘ titelte damals mit dem „Süddeutschen Düsseldorf“. Die Spielgemeinschaft war auf drei Jahre angelegt und durch finanzielle Schwierigkeiten auf beiden Seiten notgedrungen entstanden. Die Schwaben waren nach der TTG Munscheid und Würzburg der dritte Bundesligist, dem Unternehmer Frank Müller, einer der schillerndsten und polarisierendsten Funktionärsfiguren der TTBL-Geschichte, Geld und Namen gab. „Das ist so, als würde Uli Hoeneß zu Werder Bremen gehen“, sagte Müller einst. Doch der Erfolg unter ihm und Präsident Karl-Heinz Schätzlein blieb aus.

Nach nur einem Jahr war die kurze Liaison wieder beendet. Müller zog sich endgültig zurück und fügte private sowie berufliche Gründe an. Die Tischtennis-Karriere des heute 59-jährigen Bauprojektentwicklers war damit allerdings noch nicht ganz vorbei. Müller engagierte sich noch bei der SG BW Reichenbach und später beim TTC Champions Düsseldorf, der mit Thomas Keinath bis 2021 noch in der 3. Liga um Punkte kämpfte. Die Würzburger schlossen sich im Breitensportbereich zur Saison 2008/2009 dem benachbarten TTC Kist an und starteten unter dem Vorsitz von Peter Wilhelm fortan in der Regionalliga (damals die dritthöchste Spielklasse). Der langjährige Trainer Matthias Landfried wechselte zum Bundesligisten 1. FC Saarbrücken.

Alte und neue Nummer eins, Talente auf dem Vormarsch

Jochen Wilhelm erinnert sich noch sehr gut an die glorreichen Zeiten in Würzburg und den Übergang vom Profi- zum Amateurbereich. Der heute 42-Jährige ist seit 30 Jahren Mitglied beim TTC Kist. Bei den Bundesligaspielen im zwölf Kilometer entfernten Würzburg war er oft live mit dabei. „Das war damals selbstverständlich. Heute ist das keineswegs mehr so. Die Herausforderungen sind einfach immer größer geworden, wenn man sieht, wie viele Vereine mittlerweile von der Bildfläche verschwunden sind“, sagt der Verbandsligaspieler der zweiten Kister Mannschaft. Mit Blick auf das Budget und die Halle sei Tischtennis in der ersten oder zweiten Liga nach dem Rückzug nicht mehr möglich gewesen.

Kist rutschte bis in die Landesliga ab, hat sich inzwischen aber konsolidiert und spielt seit 2022 in der Regionalliga Süd, wo die Unterfranken nach einem zufriedenstellenden Saisonstart den zweiten Platz belegen. Angeführt wird die Mannschaft von einem alten Bekannten. Evgueni Chtchetinine ist seit dem Aufstieg vor eineinhalb Jahren zurück. Der inzwischen 53-jährige Belarusse zählt zu den Würzburger Meisterhelden von 2005, ist seit Jahrzehnten in der Nähe Würzburgs beheimatet und hat in der laufenden Serie eine souveräne 7:1-Bilanz vorzuweisen. „Das ist schon beeindruckend, auf welch hochklassigem Level er immer noch spielt“, schwärmt Jochen Wilhelm. 

Showkampf mit Timo Boll, 2024 folgt das nächste Jubiläum

Hinter dem Routinier reihen sich mit Jugend-Nationalspieler Luis Kraus (17) und Eigengewächs sowie BTTV-Kadermitglied Lorenz Schäfer (18) und Niclas Reindl (19) drei Talente im jungen Team ein. Ob es irgendwann auch wieder höher hinaus gehen kann, lässt Wilhelm offen. „Die Regionalliga ist wunderbar für uns.“ Den Rest müsse man abwarten. Mit sieben Mannschaften ist der TTC Kist gut aufgestellt. Die Corona-Zeit wurde als Neustart für die Jugendarbeit genutzt. Die vorbildliche Förderung war schon 2001 mit dem Grünen Band und einer Prämie in Höhe von 10.000 D-Mark ausgezeichnet worden. 

Weitere ambitionierte Spielerinnen und Spieler sind auf dem Vormarsch. „Wir sind ein kleines Dorf und unsere Ein-Feld-Halle ist immer brechend voll“, lobt Wilhelm. 2024 feiert der TTC Kist sein 75-jähriges Jubiläum. Trotz Olympia werde man versuchen, erneut einen Profi einzuladen. Denn beim 70-Jährigen vor vier Jahren kam sogar Timo Boll für ein Showmatch gegen Chtchetinine vorbei, 300 enthusiastische Fans schauten zu. Wilhelm: „Es war ein Mega-Event." Wie in alten Zeiten eben.

Zum Vereinsprofil (click-TT) und zur Homepage des TTC Kist.

Die Heimspiele werden live auf dem eigenen YouTube-Kanal gestreamt:

(FKT)

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