Buntes

Ovtcharov: "System macht es für Topspieler schwierig"

Dimitrij Ovtcharov würde prinzipiell gerne wieder in Deutschland spielen (©ITTF)

24.10.2023 - Bei Dimitrij Ovtcharov ist aktuell eine Menge los: Nach dem Titelgewinn beim WTT Contender in Maskat im Doppel schrammte er am Wochenende in Antalya nur knapp an Einzel-Gold vorbei. Im großen myTischtennis.de-Interview ordnet die Nummer acht der Welt seine Chancen auf eine erneute Olympia-Teilnahme ein, erklärt, warum nicht mehr so viele Top-20-Spieler in der TTBL auftauchen wie früher und wie er zum Mitbesitzer eines US-Tischtennisclubs wurde.

myTischtennis.deDu standest am Wochenende beim WTT Contender in Antalya im Endspiel gegen Felix Lebrun, hast den Titelgewinn jedoch hauchdünn verpasst. Mit welchem Gefühl bist du aus der Türkei zurückgekommen? 

Dimitrij Ovtcharov: Auf der einen Seite freue ich mich, ins Finale gekommen zu sein, auf der anderen Seite bin ich natürlich sehr enttäuscht, eine große Chance auf den Turniersieg liegengelassen zu haben. Aber das Spiel war auf einem hohen Niveau und ein Schritt in die richtige Richtung. Einen großen Glückwunsch an Felix, der, denke ich, momentan einer der besten – wenn nicht der beste – Spieler hinter den Chinesen ist. 

myTischtennis.deEine Woche zuvor hast du es bis nach ganz oben geschafft und mit Patrick Franziska – nach Bronze bei der WM in Durban – den Titel beim WTT Contender in Maskat gewonnen. Darf man dich jetzt bald zu den Doppelexperten zählen?

Dimitrij Ovtcharov: 2007 sagte der damalige Bundestrainer Richard Prause zu mir, dass ich auch gute Leistungen im Doppel zeigen muss, um bessere Chancen zu haben, bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking dabei zu sein. Da hatte ich mit Christian Süß die Taiwan Open gewonnen. Ein Turnier, bei dem die Weltspitze komplett anwesend war. Dass ich gut Doppel spielen kann, wusste ich - es ist nur ein paar „Tage“ her, dass ich Doppel gespielt habe, da ich mich immer überwiegend aufs Einzel konzentriert habe und bei Olympia auch immer eher fürs Einzel als fürs Doppel eingeplant war. Im Doppel gehören natürlich immer zwei dazu und Patrick ist seit Langem ein Experte in dieser Disziplin. Bei der WM haben wir, denke ich, durch eine etwas unorthodoxe Spielweise, und weil uns die Gegner als Duo noch nicht gut kannten, überrascht. Seitdem haben wir aber nun viel miteinander trainiert und auch Laufwege erarbeitet, die wir bei der WM noch nicht hatten. Wir bewegen uns besser und haben in Maskat am Ende gut harmoniert und das Turnier verdient gewonnen. 

myTischtennis.deWas macht euch zu einem guten Doppel?

Dimitrij Ovtcharov: Unser Spiel passt gut zusammen. Patrick setzt die Gegner im Aufschlag-/Rückschlagspiel sehr unter Druck, so dass ich eine überschaubare Qualität - auch von guten Gegnern - zurückbekomme und ich auf diesen Ball dann mit meiner beidseitigen Schlaghärte attackieren kann. 

myTischtennis.de: Also wird man euch jetzt öfter zusammen sehen?

Dimitrij Ovtcharov: Wir werden auf jeden Fall noch mal zusammen spielen und haben uns ja auch für die WTT Cup Finals als eines der besten acht Doppel qualifiziert. Rossi legt aber großen Wert auf Variabilität. Er will verschiedene Paare testen, so dass man bei den Olympischen Spielen mehr Möglichkeiten hat und je nach Gegner das Doppel aufstellen kann.

myTischtennis.deApropos Olympische Spiele: Da wird ja schon viel gemutmaßt, wer am Ende zum Team gehören wird. Du bist der beste Deutsche in der Weltrangliste und mit insgesamt sechs Olympia-Medaillen der Rekordhalter. Machst du dir trotzdem Sorgen um deinen Platz im Team?

Dimitrij Ovtcharov: Es wird im Vorfeld jeder Olympischen Spiele viel gemutmaßt. Ich mache mir da weniger Gedanken, sondern konzentriere mich wie in der Vergangenheit voll darauf, mich in eine Position zu bringen, um im Einzel und Team um Medaillen zu kämpfen. Wenn man sich intern nicht durchsetzt, hätte man es am Ende auch nicht geschafft, diese Ziele zu erreichen. In den letzten Monaten waren meine Leistungen nicht konstant genug. Bei drei WTT-Turnieren war ich dieses Jahr im Finale, ich bin aber auch in drei bis vier früh ausgeschieden. Insgesamt muss meine Leistung konstanter werden und dies kommt nur über sehr hohe Trainingsumfänge, wo wir im September einen ersten wichtigen Grundstein gelegt haben. Ich habe das Gefühl, dass beim aktuellen WTT-System viele Spieler Probleme mit der Konstanz haben. Immer wieder scheiden starke Spieler früh aus, im Vergleich zu früher gibt es viel mehr Überraschungen in Runde eins. Das liegt zum Beispiel auch am Best-of-5-System, an den unterschiedlichen Bedingungen, Bällen und Tischen. Das macht es für alle schwierig und ist aber natürlich auch für alle Spieler gleichermaßen eine Herausforderung. Früher war gefühlt von vornherein klar, wer im Viertelfinale steht, nun ist - abgesehen von den besten Chinesen - kaum einer konstant.

myTischtennis.deAbgesehen von WTT werden wir dich ab Mitte November auch wieder in der Champions League in den Reihen von Neu-Ulm sehen. Mit was für einem Gefühl geht ihr in die Saison nach den Querelen in der ersten Jahreshälfte?

Dimitrij Ovtcharov: Das Ganze war für alle Parteien wirklich anstrengend und insgesamt keine Werbung für den Tischtennissport. Das hätte man besser lösen müssen, das gilt natürlich auch für mich. Letztlich ist es schade für den Sport, dass Spieler wie Lin Yun-Ju und Truls Moregard nicht mehr in deutschen Liga zu sehen sind. Wir freuen uns sehr auf die neue Champions-League-Saison. Es war was ganz Besonderes, mit Neu-Ulm den Pokal zu holen - und nun wollen wir die Champions League gewinnen, die nun mal der wichtigste Wettbewerb auf Mannschaftsebene ist. 

myTischtennis.deWas ist deine Meinung zur mehrfachen Spielberechtigung bei Profispielern?

Dimitrij Ovtcharov: Wenn man die besten Spieler der Welt für einige Einsätze gewinnen möchte, dann ist sie unumgänglich. Es hängt ein wenig davon ab, welche Ziele eine Liga verfolgt. Vor 20 Jahren war die Bundesliga noch extrem stark besetzt, gefühlt haben 70 bis 80 Prozent der Top-20-Spieler in Deutschland gespielt und gelebt. Die deutsche Liga war das Non-Plus-Ultra und es gab kaum andere professionelle Ligen. Daneben hat man noch sechs, sieben ITTF-Tour-Events, die WM und EM gespielt - und das war es dann auch. Das heißt, man hatte viel Zeit zu Hause, mit der Mannschaft, fürs Training. Heute liegt die Priorität viel stärker auf der WTT-Tour und es gibt weltweit viele Ligen, auf die sich die guten Spieler verteilen. Früher haben die besten Chinesen, Japaner und Koreaner in Deutschland gespielt und trainiert. Das ist heute nicht mehr der Fall. Durch WTT ist man nun permanent unterwegs - und die sehr guten Spieler, die in den Vereinen geblieben sind, haben alle eine stark reduzierte Zahl an Spielen vereinbart. 

myTischtennis.deWas wäre in deinen Augen der beste Weg?

Dimitrij Ovtcharov: Man muss mit der Zeit gehen. Tischtennis ist nicht mehr alleine der klassische Mannschaftssport. Andere Ligen wie zum Beispiel die chinesische Super League machen es vor: Wenn man die Mannschaften sechs bis acht Mal im Jahr an einem Ort versammelt und dann über einen begrenzten Zeitraum ein tolles Event daraus macht, ist es am einfachsten, gute Spieler zu kriegen und die Hallen voll zu machen, da man als Fan auch weiß, dass die gemeldeten Spieler spielen werden. Man sieht in den letzten Jahren in einer gewissen Regelmäßigkeit, dass selbst in den allerbesten deutschen Vereinen Trainer und Spieler aus Amateurligen eingesetzt werden, weil die Vereine nicht immer auf ihre besten Spieler zurückgreifen können. Man stelle sich vor, Thomas Tuchel läuft bei einem Fußballspiel für Bayern München immer wieder ein, weil seine Spieler andere Verpflichtungen haben. Das ist echt keine Werbung und enttäuscht die Fans, die in die Halle kommen, um ihre Stars zu sehen. 

myTischtennis.deAuf welche Topspieler darf man sich denn in den Reihen des TTC Neu-Ulm in dieser Saison freuen?

Dimitrij Ovtcharov: Truls Moregardh und ich sind für jedes Spiel gesetzt. Die anderen auf der Liste, also Aruna, Harimoto oder Lin, werden nach Verfügbarkeit eingesetzt.

myTischtennis.deKannst du dir in naher Zukunft vorstellen, noch mal für einen Verein in der TTBL zu spielen?

Dimitrij Ovtcharov: Das käme für mich dann in Frage, wenn sich in der Liga etwas ändert bezüglich der extrem vielen Termine. Ich würde mich aber natürlich freuen, wieder in Deutschland zu spielen. Hier habe ich meine größten Erfolge gefeiert und es ist toll, zu Hause zu spielen. Aber das aktuelle System macht es für die Topspieler wirklich schwierig.

myTischtennis.deOder in den USA? Da hast du ja vor Kurzem in die neue Major League investiert, beziehungsweise in den Verein Princeton Revolution. Was hat dich daran gereizt?

Dimitrij Ovtcharov: Die USA gehen das Ganze mit viel Herzblut an, denken groß. Es gibt dort viele Tischtennisspieler und Clubs, in denen man trainieren kann. Aber aktuell schaffen sie es noch nicht, die Interessierten zusammenzubringen. Durch die Liga könnte das Gesamtinteresse am Sport steigen und andere Dinge angestoßen werden.

myTischtennis.deWie kam es zu dem Deal?

Dimitrij Ovtcharov: Ich habe gelesen, dass die USA eine Liga aufbauen wollen, habe mir die Nummer des Initiators Flint Lane besorgt und dort angerufen. Für mich ist es noch zu früh, dort zu spielen, so weit sind sie noch nicht. Aber er sagte, dass es ihn freuen würde, wenn ich mich beteilige und einbringe. Und er hat mich überzeugt.

myTischtennis.de: Also wird man dich dort jetzt öfter mal als Club-Mitbesitzer in der Loge sehen?

Dimitrij Ovtcharov: Noch halte ich mich zurück. Ich habe auch nur 20 % des Clubs, der Hauptbesitzer leitet da bislang alle Geschicke. Ich glaube nicht, dass ich es vor den Olympischen Spielen schaffen werde, hinzufahren, weil auf Paris gerade mein voller Fokus liegt. Aber danach kann ich es mir sehr gut vorstellen, mich einzubringen. Es geht zum einen um den Verein, vor allem aber auch um die Liga als Ganzes, der ich gerne dabei helfen würde, sich zu etablieren.

(JS)

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