WM 2020

Einigkeit über WM-Absage: „Entscheidung ist genau richtig“

Ein Virus hält die Welt in Atem, auch in Tischtenniskreisen (©Gerd Altmann/Pixabay)

27.02.2020 - Das Coronavirus, das inzwischen auch Deutschland immer mehr in Atem hält, ist schuld daran, dass die besten Tischtennisspieler der Welt Ende März nun unfreiwillig ein paar Tage frei haben. Denn die Team-WM in Busan, die für diesen Zeitraum geplant war, wurde von der ITTF verschoben. Auch wenn das Großevent nun erst einmal nicht stattfindet, herrscht Erleichterung in der Szene vor. Wir sprachen unter anderem mit Dimitrij Ovtcharov und ITTF-Präsident Thomas Weikert.

Die Gesundheit geht vor. Das sehen in diesen vom neuartigen Coronavirus beeinflussten Wochen nicht nur viele Menschen weltweit so, auch die ITTF ist dieser Ansicht, so dass sie sich am Dienstag dazu entschloss, das wichtigste Turnier des Verbandes, die Weltmeisterschaft, zu verschieben (zum Artikel). Leicht gefallen ist dieser Schritt nicht, wie ITTF-Chef Thomas Weikert erklärt: „Das ist eine Entscheidung, die sehr schwer gefallen ist, weil sich natürlich die Vorbereitungen in der Endphase befinden und wir uns auf die WM sehr gefreut haben. Es ist sehr sehr schade, für die Athleten, die sich vorbereiten oder vorbereitet haben, die Veranstalter, die sich enthusiastisch auf die erste WM in ihrem Land gefreut hatten, und für die gesamte Tischtenniswelt. Aber im Hinblick auf die Gesundheit der Athleten und aller vor Ort Beteiligten hatten wir keine andere Wahl, als die WM zu verschieben.“ Das sieht auch sein Nachfolger im Amt des Präsidenten des Deutschen Tischtennis-Bundes, Michael Geiger, so. Er kann sich gut in die Lage der Verantwortlichen hineinversetzen. „Der koreanische Verband, die in Korea eingebundenen Stellen und die ITTF sind aktuell nicht zu beneiden“, sagt der DTTB-Chef. „Ich möchte gar nicht daran denken, was das für uns alles bedeutet hätte, wenn diese Situation unmittelbar vor unserer WM 2017 in Düsseldorf eingetreten wäre.“

„Mulmiges Gefühl“

Inzwischen hat das Virus Asien längst verlassen und ist auch in Europa - und in Deutschland - angekommen. Dimitrij Ovtcharov beobachtet die Situation mit Sorge. „Wenn man sieht, wie schnell sich das Virus innerhalb von ein paar Tagen in Italien ausgebreitet hat, und dann bedenkt, dass die ersten Coronafälle in Busan selbst und der direkten Umgebung der Stadt aufgetaucht sind, hat die ITTF auf jeden Fall die richtige Entscheidung getroffen“, findet der Weltranglistenzehnte. „Es ist natürlich auch schade. Wir sind alle gut drauf, haben ein starkes Team. Aber die Gesundheit und Sicherheit gehen auf jeden Fall vor und deshalb unterstütze ich die Entscheidung der ITTF vollkommen.“ Während Ovtcharov seinen Flug nach Korea als aktuell bester Deutscher in der Weltrangliste schon sicher buchen konnte, wusste Ricardo Walther noch nicht, ob er das Team in Busan hätte unterstützen sollen, weil die Nominierung erst für nach den Qatar Open vorgesehen war. Trotzdem macht sich auch der 28-jährige Nationalspieler seine Gedanken, vor allem, nachdem er bei den Hungarian Open auf einige asiatische Kollegen getroffen war.

„Man hat ihnen eine gewisse Unruhe durchaus angemerkt. Schließlich war der für diese Woche geplante Asian Cup bereits abgesagt worden und auch die Olympiaqualifikation in Bangkok ist in Gefahr“, berichtet Walther. „Diese Unruhe hat sich dann auch ein wenig auf uns übertragen und wir haben nun schon ein mulmiges Gefühl. Aber wir müssen abwarten, wie sich das Ganze entwickelt. In den nächsten Monaten sind ja auch noch einige Turniere in Asien geplant, zum Beispiel die Japan, Hongkong und China Open - da muss man schauen, ob sie wirklich stattfinden, und wenn, ob wir hinfahren.“ Walther sieht auch die Möglichkeit gegeben - je nach dem, wie sich die Ausbreitung des Virus in Deutschland und NRW entwickelt -, dass sich die Mannschaft zum Training sogar abschotten könnte. Ein Szenario, das nicht so weit hergeholt erscheint, wenn man die Schilderung von Liu Jia in den Oberösterreichischen Nachrichten liest. Die österreichische Nationalspielerin hatte Kontakt zu koreanischen Spielern und berichtet: „Sie sind alle kaserniert und dürfen das Trainingszentrum nicht mehr verlassen.“ In Lius Augen könnte das Virus sogar noch weitreichendere Auswirkungen auf die Sportwelt haben als nur die Verlegung einer Tischtennis-WM: „Um ehrlich zu sein, sehe ich sogar Olympia in Gefahr.“

Ausweichtermin kurz vor Tokio nicht optimal

Die Olympischen Spiele haben natürlich alle Beteiligten in dieser Angelegenheit im Blick, zumal der vorläufige Ausweichtermin für die WM, der von der ITTF reserviert wurde, nur vier Wochen vor der Eröffnungsfeier in Tokio liegt. Die Sportdirektoren des deutschen und österreichischen Verbands, Richard Prause und Karl Jindrak, finden den Termin im Hinblick auf die Vorbereitung auf das Großevent des Jahres aus sportlicher Sicht deshalb nicht günstig und würden sich eine Verlegung in die zweite Jahreshälfte wünschen. Thomas Weikert erklärt, es sei sehr schwer, unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, der finanziellen Machbarkeit und der Interessen der Athleten einen geeigneten Termin zu finden. Eine Verlegung an einen anderen Ort innerhalb oder außerhalb Koreas komme aus verschiedensten Gründen, unter anderem auch wirtschaftlichen, nicht in Betracht. „Nach Abwägung aller Argumente und der ‚Machbarkeit‘ ist der Juni-Termin derjenige, der für die Veranstalter gerade noch in Ordnung ist“, erläutert Weikert. „Ich kann die Athleten gut verstehen, denn die Vorbereitung ist nun eine andere. Und klar, vier Wochen nach einer WM, die eben auch sehr wichtig ist, bei den Olympischen Spielen anzutreten, ist natürlich nicht optimal. Auf der anderen Seite haben wir eine Ausnahmesituation, die besondere Maßnahmen erfordert. Es gibt keine gute Lösung, schon gar keine perfekte, es gibt nur eine solche, die einen Kompromiss darstellt.“

„Es stellt sich wie immer die Frage danach, ob es bessere Alternativen gäbe“, gibt auch Michael Geiger zu bedenken. „Und zwar solche, die in der Gesamtbetrachtung und nicht nur aus der Sicht einzelner Betroffener besser wären. Ein wesentlicher Aspekt wird hierbei auch die Verfügbarkeit der Veranstaltungsräume sein.“ Und die sowieso schon vollen Terminpläne, wie Ricardo Walther ergänzt. Für ihn ist klar: „Natürlich ist der Termin nicht günstig, aber wenn die WM Ende Juni stattfindet, sind die Voraussetzungen dennoch für alle gleich.“ Thomas Weikert begrüßt Kritik prinzipiell, „im Moment ist aber Solidarität in der Tischtennisfamilie gefragt und nach meinem Eindruck, der sich unter anderem auf die Zustimmung stützt, die ich persönlich erhalten habe, sind alle Beteiligten sehr solidarisch.“ Auch Dimitrij Ovtcharov findet, dass besondere Situationen besondere Maßnahmen erfordern und erinnert an den entscheidenden Punkt: „Wir müssen in erster Linie darauf hoffen, dass das Virus schnell unter Kontrolle kommt. Am wichtigsten ist, dass keine Leute mehr erkranken und sterben. Das hat viel mehr Priorität als alles andere.“

Ein ausführliches Interview mit Thomas Weikert zu diesem Thema lesen Sie in der Märzausgabe des Magazins tischtennis!

(JS)

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