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Dietmars Blog: Die ITTF-Zukunftspläne – Versuch macht klug

Sportsmaster-Chef Frank Ji und ITTF-Präsident Thomas Weikert (©ITTF)

17.07.2018 - Mit der Vorstellung eines ambitionierten Zukunftsprogramms hat der Weltverband ITTF Anfang Juli rund um den Globus aufhorchen lassen. Die Stoßrichtung hin zu einem hochprofessionellen Produkt mit konsequenter Vermarktung und einer attraktiven Inszenierung des Tischtennis-Sports und seiner Protagonisten lässt sich mit Fug und Recht als Revolution bezeichnen und zeugt von einem modernen Zeitgeist. Unser Blogger Dietmar Kramer bewertet die anstehenden Veränderungen.

Höhere Gestaltungskraft durch Unabhängigkeit
US-Präsidenten und andere Regierungschefs in Ländern mit begrenzten Amtszeiten zeichnen sich in ihren letzten Wahlperioden traditionell durch einen deutlich stärkeren Tatendrang aus als vor einer möglichen Wiederwahl. Zwingt ein bevorstehender Urnengang sehr wohl noch zu taktischen Manövern, mithin Kompromissen, lässt sich ohne den Druck einer drohenden Abwahl deutlich leichter und vor allem kraftvoller, entschlossener regieren oder gerade dann auch gestalten. Nicht selten bringen scheidende Staatsoberhäupter und Regierungschefs auf der Zielgeraden ihrer Amtszeiten Projekte auf den Weg, die ihnen wichtig erscheinen und am Herzen liegen, und sorgen somit für ein ganz persönliches Vermächtnis  – ohne jede (oft falsche) Rücksichtnahme auf Stimmungen bei den Wählern.

Ganz ähnlich ist die Situation beim Weltverband ITTF für Präsident Thomas Weikert. Der ehemalige Chef des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) forciert seit seiner Wiederwahl vor Jahresfrist bei der Einzel-WM in Düsseldorf seinen bereits zuvor eingeschlagenen Modernisierungskurs spürbar. Weikert baut den über Jahrzehnte ausgesprochen träge agierenden Verband nach seinem angekündigten Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur nach Ende seiner Amtszeit im Jahr 2021 um – Schritt für Schritt zu einem Kompetenzzentrum und effektiven Dienstleistungsbetrieb. Der Kandidatur-Verzicht macht den Juristen unabhängig vom Zuspruch der über 200 ITTF-Mitgliedsverbände. Weikert will die ITTF fit machen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – und damit gleichfalls ein, sein Vermächtnis hinterlassen.

„Tischtennis aus einem Guss“
Auch in diesem Licht, aber letztlich nicht nur, ist das zu Monatsbeginn vorgestellte Zukunftsprogramm der ITTF für neue Zeitabschnitte, auch den ab 2021 – also nach der „Ära Weikert“ – zu sehen und zu bewerten. Das ambitionierte Projekt verspricht die Zusammenführung der (viel zu) vielen Einzelstränge auf internationaler Ebene sozusagen zu „Tischtennis aus einem Guss“. Ob Weltmeisterschaften, World Tour, Challenge Series, Veteranen-Tour, TTX, Para-Sport, Junioren-Programme und auch die bislang als Privatorganisation geführte T2APAC-Turnierserie – alles soll künftig gebündelt werden unter dem einen Dach der ITTF. Der beabsichtigte einheitliche Markenauftritt ist Grundvoraussetzung für eine wesentlich erfolgreichere Vermarktung des Tischtennis als bisher, für die der neue ITTF-Partner Sportsmaster sorgen soll und will. 

Bei genauerer Betrachtung ist das neue Programm, das schon ganz im Stil der künftig angestrebten Darstellungsform präsentiert worden ist, das Ergebnis einer sorgfältigen und tiefgreifenden Analysen des Status quo mitsamt seiner nicht wenigen Schwächen. Es ist aber vor allem auch das Ergebnis einer Öffnung des Tischtennis für die modernen Anforderungen an eine Sportart als Teil der Entertainmentbranche. Insgesamt ist das Ergebnis ein selbstbewusstes Signal, ein Signal an Aktive, Zuschauer, Medien und Sponsoren, dass Tischtennis Anspruch auf Anerkennung als eine attraktive Weltsportart erhebt.

Neue Chancen
Die sehr wohl durchdacht erscheinende Konzeption, die gezielt zum Ablauf auch letzter vertraglicher Altlasten (und dadurch mitunter auch Zwängen) der ITTF greifen soll, birgt denn auch vor allem Chancen für Tischtennis. Chancen für eine veränderte Wahrnehmung als ein moderner Sport, Chancen für eine fortwährende Weiterentwicklung sowie nicht zuletzt Chancen für eine signifikante Erhöhung von Marketingeinnahmen und damit zur Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den nicht wenigen Konkurrenzsportarten.

Das Programm ist deswegen vielversprechend und zieht daraus auch einen gewissen Charme, dass die Handschrift von Fachleuten ihres Metiers deutlich erkennbar ist. Auf der einen Seite Weikerts sportliche Expertise, auf die sich der ITTF-Chef als ehemaliger Bundesliga-Spieler bei seiner Einschätzung verlässlich stützen kann. Auf der anderen Seite der Unternehmergeist von T2-Gründer, Sportsmaster-Chef Frank Ji, der durch seinen Erfolg als Geschäftsmann nicht gerade im Ruf eines Glücksritters oder Hasardeurs steht.

Veränderungen absehbar
Für Tischtennis als Sport dürfte das Zukunftsprogramm gleichbedeutend sein mit dem Einzug von mal kleineren und mal größeren Veränderungen. Dass Elemente aus den neuen „Diamond“-Turnieren nach Vorlage der bisherigen T2APAC-Serie ab 2021 auch für die reguläre World Tour und damit mittelfristig zumindest auf der gesamten Profi-Ebene übernommen werden, scheint programmiert, zumal zahlreiche Stars die schon bekannten Experimente zur Spielzeitverkürzung und Erhöhung der Spannungsmomente befürworten.

In der Gesamtsituation verdient das Programm eine Chance zur Bewährung. Ohne Frage ergreifen Weikert und Ji die Initiative just zu einer Zeit, in der sich die Sportarten wieder einmal neu aufstellen für den stetig tobenden Konkurrenzkampf auf dem Sportmarkt. Die angestrebten Schritte sind einerseits denn auch ein Zeichen, dass Tischtennis um sein Standing kämpfen und es sogar weiter verbessern will. Würde andererseits gar nichts passieren, dürften die Zukunftsprognosen für den Tischtennissport bald schon düsterer ausfallen. 

Sollte das ITTF-Projekt nicht erfolgreich sein, hätte man es zumindest probiert. Schließlich gilt auch für Tischtennis eine alte Weisheit: Versuch macht klug.

(Dietmar Kramer)

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