Amateure

Re-Start nach Pause: Auswirkungen auf Technik und Co.

Einige Spieler dürfen inzwischen wieder in die Halle oder sind kurz davor (©Fabig)

07.06.2021 - Mit sinkenden Inzidenzen werden immer mehr Hallen wieder geöffnet – nach mehr als sieben Monaten Pause. Doch wie wirkt sich diese lange Pause auf Technik, Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer etc. aus? Wir haben uns die Einschätzung von Dirk Wagner (DTTB-Bundesstützpunktleiter), Ralf Hamrik (u. a. A-Lizenz-Trainer und VDTT-Referent), Markus Reiter (u. a. freiberuflicher A-Lizenz-Trainer) und Martin Adomeit (u. a. freiberuflicher A-Lizenz-Trainer und myTT-Trainingsexperte für Fortgeschrittene) zu diesem Thema eingeholt.

Ende Oktober war es, als die meisten von uns zum letzten Mal einen Tischtennisschläger in der Hand hielten. Nach über sieben Monaten Pause werden nun nach und nach wieder mehr Hallen für den Trainingsbetrieb zugelassen. Doch wie wirkt sich eine so lange Pause auf einen Amateurspieler aus? Wem dürfte der Wiedereinstieg leichter fallen, wem schwerer? Und in welchen Bereichen wird man sich am Anfang besonders schwertun? 

Am Anfang viel Geduld nötig
Dirk Wagner, früher Cheftrainer u. a. von Borussia Düsseldorf und dem TTC Zugbrücke Grenzau und inzwischen DTTB-Bundesstützpunktleiter, geht zunächst davon aus, dass Spieler am Anfang viel Geduld werden haben müssen. "Die Pause war sehr lang. Dinge, die man unglaublich viel trainieren muss, sind z. B. die Bewegungsabläufe, das Verbinden von Sehen, Erkennen und Handeln." Wie groß die Eingewöhnungszeit sei, hänge davon ab, wie intensiv man vorher trainiert habe. Diejenigen, die vorher eher zu Matches im Training geneigt hätten, dürften etwas schneller wieder 'drin' sein.

Sehr ähnlich sieht das Markus Reiter, freiberuflicher A-Lizenz-Trainer: "Für 'Arbeiter', deren Stärke der Fleiß ist, wird es schwerer werden." Bei Spielern, die im Normalfall 'nur' ein- bis zweimal in der Woche trainieren würden, sei die Leistung im Normalfall dagegen schon eher ein von der Tagesform abhängiger Zufall. Reiter schätzt, dass viele Spieler zwei bis drei Wochen brauchen werden, um wieder auf 80 % der alten Form zu kommen, vier bis sechs Wochen hingegen, um bei 90 % + x zu sein. 

Aufschlag-Rückschlagbereich und Fitness wohl größte 'Baustellen'
Sowohl Wagner als auch Reiter gehen davon aus, dass die größten Probleme am Anfang im Aufschlag-Rückschlagbereich liegen werden. Wagner ergänzt: "Des Gegners Handlungen zu erahnen, wird zu Beginn schwerfallen. Wer es gewohnt ist, Übungen zu spielen, wird merken, dass für intensives Training vielleicht noch die Luft fehlt." Auch Reiter schätzt, dass die "Kondition am Anfang am Boden sein wird, wenn nicht individuell regelmäßig alleine trainiert wurde. Aktive Leute werden in jeder Hinsicht fitter sein."

Das gelte je nach 'Grundausstattung auch für den koordinativen Bereich. Achten solle man Reiter zufolge beim Wiedereinstieg auf Disziplin, Technik und Spaß, etwas Fitness könne natürlich auch nicht schaden. "Basisspielzüge müssen mit ordentlicher Quote klappen. Es ist auch eine wichtige Frage, ob etwas planmäßig oder spontan zufällig trainiert wird und wann die ersten 'wichtigen' Wettkämpfe vorgesehen sind."

"Unbedingt einige tischtennisspezifische Trockenübungen"
Laut Wagner wird es wichtig sein, "am Anfang nicht zu übertreiben und den Körper zu 'pflegen', sonst wird es vielleicht ein kurzes Vergnügen. Man sollte sich Zeit zum Aufwärmen und Abwärmen sowie für Kräftigungsübungen nehmen, beim Aufwärmen mobilisierende Übungen durchführen. Denn gerade der Rücken, die Knie und Schultern sind nach so einer langen Pause nicht vorbereitet." Am Tisch selbst ständen Übungen im Bereich der Ballkontrolle im Vordergrund, um das Timing, den 'Touch' wiederzuerlangen. Hier rät Wagner zu regelmäßigen Übungen mit zunächst einer, später dann zwei Platzierungen. 

Ralf Hamrik, Referent des Verbands Deutscher Tischtennistrainer (VDTT), empfiehlt beim Training mit Kindern und Jugendlichen nach einem spielerischen Aufwärmen "unbedingt einige tischtennisspezifische Trockenübungen ausführen zu lassen, z. B. Ausfallschritte, vorwärts und seitlich, dazu Mobilitätsübungen vor allem der Wirbelsäule." Auch er rät dringend, erst einmal langsam anzufangen. Dann gehe es los mit langen Ballwechseln, recht früh integeriere er das Techniktraining samt Aufschlag-/Rückschlagtraining. Bei den jüngeren Spielern lasse er auch schon in den ersten Tagen des Trainings kleinere Wettkämpfe, 'Aufbauwettkämpfe', spielen.

Adomeit über erste Erfahrungen nach Wiedereinstieg
Schon erste Erfahrungen mit seinen Schützlingen nach dem Wiedereinstieg gemacht hat unterdessen Martin Adomeit. Wie die Rückkehr des einzelnen Spielers aussah, habe damit zu tun gehabt, was in der Pause sportlich gemacht wurde. Ein großes Problem war "die Arm- und Beinkoordination aufgrund des Fokussierens auf den Schlag, ebenso das Halten von Körperspannung und Konzentration." Mit Blick auf die Technik seien seinen Spielern in der Regel die Rückhand-Schläge leichter gefallen, "denn die Stabilisation des Ellbogens ist hier anatomisch vorgegeben. Bei der Vorhand kamen sehr viele Bewegungen aus der Schulter. Es waren mehr Kraft- als Schwungbewegungen."

Schlecht ausgefallen seien alle reaktiven Dinge beim Block oder beim Aktivspiel, wenn sich Platzierungen oder auch Längen oder Rotationen änderten. Spieler, die vorher schon einen recht natürlichen Umgang mit Ball und Schläger gehabt hätten, wären schneller wieder auf ihrem Niveau angelangt. Diejenigen, die versucht hätten, bewusst alles richtig zu machen, hätten mehr Probleme gehabt, ebenso wie Kinder bzw. Jugendliche, die in der tischtennisfreien Zeit einen Wachstumsschub gehabt hätten. Auch ein Schützling Adomeits, der körperlich massiv über das Krafttraining in Oberarm und Schulter zugelegt habe, habe sich hinsichtlich der Technik schwergetan. Insgesamt hätten "scheinbar die Jüngsten am meisten verlernt", so Adomeits Einschätzung. 

"Besonders auf die VH-Technik achten"
Anderen Trainern rät der 57-Jährige für den Wiedereinstieg, gerade bei Spielern, die vorher schon einmal leichte Probleme mit der Schulter hatten, auf die richtige Schlaghaltung zu achten. Denn oft tendiere man nach einer Pause zu unkoordinierten Bewegungen aus der Schulter heraus. "Also gerade auf die Vorhand-Technik sollte geachtet werden, nachher vielleicht etwas gedehnt und lockere Bewegungen gemacht werden, nicht zu 100 % mit Kraft und Geschwindigkeit gespielt werden." Er habe die ersten Einheiten mit recht langen Ballwechseln (vier bis sechs Kontakte pro Spieler) gestaltet, mit Beinarbeit verbunden eine Kombination zwischen VH- und RH-Schlägen spielen lassen, aber auch kleine Wettkämpfe mit Spielen auf Ziele oder Ähnliches durchgeführt. Ebenfalls hätten kleine Stabilisationsübungen für den Rumpf dazugehört. "Aber besonders viel Spaß und Raum für Kommunikation sollte vorhanden."

Lesen Sie auch Fabians Blog: Erstes Training nach sieben Monaten

(DK)

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