Was Sie beim Passivspiel beachten müssen, erfahren Sie im heutigen Trainingstipp (©Roscher)
12.01.2016 - Nach der Winterpause tritt oft das Problem auf: Die regelmäßigen Ballwechsel laufen, der Teil, in dem der Spieler aktiv spielt, auch – aber wehe, er muss reagieren. Gemeint sind die Aktionen am Tisch, bei denen der Spieler auf den gegnerischen Angriff reagieren muss, besonders dann, wenn der Gegner in der Platzierung seiner Topspins variabel agiert. Das Passivspiel ist nun gefragt. Diesen Themenschwerpunkt greift Experte Martin Adomeit im heutigen Trainingstipp auf!
Wichtigste Voraussetzung für ein gutes Passivspiel ist die Tatsache, sich Schläge nicht zu früh vorzunehmen, sondern so viel Zutrauen zu den eigenen Fähigkeiten zu haben, die Situation erst wahrzunehmen und dann die Aktionen einzuleiten. Heißt: In der 'Ballerwartungshaltung' mit einer neutralen Schlägerposition und dem Gewicht auf beiden Beinen zu bleiben, bis klar ist, welche Aktion durchgeführt werden sollte. Geschieht das nicht, kann der Gegner das bewusst oder unbewusst ausnutzen. Ein beispielsweise zu früh eingeleiteter Vorhandschlag macht einen RH-Ball oder auch die Bewegung in die VH-Ecke unmöglich.
Der Vorteil beim Passivspiel ist ja, dass der anfliegende Ball genug Tempo und unter Umständen auch noch Vorwärtsrotation hat, dass die eigene Ausholbewegung relativ kurz sein kann und bei frühem Balltreffpunkt vor dem Körper die gegnerische Energie ausgenutzt werden kann. Damit ist auch gleich der wichtigste technische Punkt beim Passivspiel genannt: der Balltreffpunkt vor dem Körper in der Vorwärtsbewegung. In der Erwartungshaltung sollte man nicht zu nah am Tisch stehen. Denn dann fehlt die Zeit zur Reaktion und der Ball wird eher in Rückwärtsbewegung getroffen. Das führt in der Folge zum sehr häufig kritisierten Zurückgehen und erschwert auch den Blockball, gerade auf spinreiche Bälle. Jeder Spieler weiß, dass er hier den Schläger schließen muss. Dies ist aber in der Praxis schwer bis unmöglich, wenn der Ball in der Rückwärtsbewegung des Schlägers oder gar des Körpers getroffen wird. Eine Ballerwartungshaltung etwas tischferner erleichtert also die Wahrnehmung und das aktive Hereingehen in den Ball. Gerade der krampfhafte Versuch, beim Block nah am Tisch zu bleiben, erschwert in der Realität den Schlag und führt zur Rückwärtsbewegung vom Tisch. Diese Situation ist vor allem beim ersten Topspin des Gegners nach eigenem langen oder halblangen Rückschlag auf einen kurzen Rückschlag sehr wichtig. Hier muss sich der Spieler weit genug vom Tisch abstoßen aber gleichzeitig den Schläger vorne lassen, um das Tempo des Balles zum Block oder zum Gegentopspin zu nutzen und das Körpergewicht auf dem Vorderfuß zu lassen, um bewegungsbereit zu sein.
Im Passivspiel sollte der Ball in der Regel dann so aktiv wie möglich gespielt werden, um aus der Rolle des Reagierenden in die Rolle des Agierenden zu kommen!
1. Übung: Blockspiel vom ganzen Tisch gegen gegnerischen VHT
Spieler B: T überall (70 - 80% des max. Tempos) Spieler A: 4-6 x B in halbe VH
irgendwann aktiver B/Gegenzieher in RH
frei
In dieser Übung geht es darum, dass der Blockspieler seine Schlagbewegungen wirklich nach der Wahrnehmung einleitet. Der Topspinspieler sollte wirklich sehr variabel platzieren und hierin auch seinen Erfolg suchen, daher das Tempo etwas reduzieren. Wenn es dem Topspinspieler gelingt den Blockspieler zu beobachten und dessen Fehler in der Ballerwartungshaltung auszunutzen, hilft dies beiden Spielern. Je besser der Blockspieler diese Aufgabe löst – und hier ist in der Regel nach 3 - 5 Minuten eine deutliche Steigerung zu sehen – desto schneller kann der Topspinspieler seine eigenen Schläge spielen. Er soll sich von seinem Tempo her den Fähigkeiten des Blockspielers anpassen (miteinander trainieren), aber in jedem anderen Bereich, insbesondere bei der Platzierung, den Gegner so fordern, dass er Schwierigkeiten hat, die Aufgabe zu lösen.
Zu Übungsgrafik 1
2. Übung: Passivspiel aus RH/Mitte auf gegnerischen VHT
Spieler B: KA in VH (LA in Mitte - frei) Spieler A: LR in 1/2 VH (LR in RH - frei)
VHT in RH/Mitte 1 - 3 x B in 1/2 VH
VHT in RH/Mitte aktiver Ball in RH
frei
Im Prinzip wird das Schema der ersten Übung übernommen, ist aber deutlich schwieriger für den Passivspieler. Er muss sich vom Rückschlag erst in die Ausgangsposition zum Block bewegen, zudem kommen als Eröffnungsball andere Spinbälle als gegen Blockball. Der Topspinspieler sollte nach Möglichkeit wieder auf die Ballerwartungshaltung des Blockspielers (Körperposition, Schlägerposition) achten und eventuelle Schwachstellen ausnutzen. Ebenso sollte er seine Topspins so platzieren, dass sein Gegenüber nicht ständig mit der gleichen Seite blocken kann, sondern wirklich Entscheidungen treffen muss.
Zu Übungsgrafik 2
3. Übung: Passivspiel aus RH-Hälfte auf gegnerische Bälle aus RH-Seite und Wechsel zur VH
Spieler B : KA überall (HLA - T - frei) Spieler A: LR in 1/2 RH (LR in VH - frei)
1 - 3 x T in RH/Mitte B/T in 1/2 RH
(B in VH - frei)
T in weite VH VHT/B am Tisch
frei
Bei dieser Übung geht es um den gleichen Inhalt wie bei Übung 2, allerdings kommt der T jetzt aus der anderen Tischhälfte. Auf den diagonalen Ball hat der Blockspieler etwas mehr Zeit, richtig zu reagieren, dafür muss er dann aber auch noch den Wechsel in die VH-Ecke aushalten, ohne in die Halbdistanz auszuweichen. Der Topspinspieler kann sich frei entscheiden, ob er VHT oder RHT spielt. Für den Fall, dass er die VH-Ecke aber zu weit öffnet, hat der Blockspieler die Möglichkeit, den Ball in tiefe VH zu setzen.
Zu Übungsgrafik 3
4. Übung: Passivspiel von überall, aber in der Rolle des Aufschlägers
Spieler A: KA überall (LA in VH - frei) Spieler B : KR (LR in VH - frei)
Sch überall T überall
B/T auf anderen Punkt als den Sch
frei
Bei dieser Übung nähern sich die Spieler Gesamtspielsituation. Der Topspin wird von überall überallhin gespielt. Aufgrund der Situation des kurzen Balles vorher wird die zu trainierende Antizipation des Passivspielers aber deutlich erleichtert. Er ist also gar nicht ganz so passiv, sondern bestimmt sehr viel selbst. Durch die Kombination des kurzen Balles und dann des langen soll er lernen, aus welchen Positionen welche Topspins wohin wahrscheinlicher werden. Durch die Platzierung des B oder T auf einen anderen Punkt wird ihm ebenfalls wieder ein aktiverer Part zugeschoben, um den Aspekt zu trainieren, dass das Passivspiel dazu da ist, Situationen zu überstehen, aber nicht in dieser Rolle zu verharren, sondern wieder aktive, spielbestimmende Rollen übernehmen zu können.
Der Autor
Martin Adomeit war Nationaltrainer in drei Nationen (Deutschland, Luxemburg und Belgien) und gewann mit allen Nationen Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. 1998 wurde er in Deutschland Trainer des Jahres. Jetzt arbeitet der 52-jährige Lippstädter als freiberuflicher Trainer. Er führt unter anderem Lehrgänge für Vereine, Bezirke oder Verbände durch, gibt Einzeltraining und betreibt einen TT-Shop. International betreute er beispielsweise Quadri Aruna beim World Cup in Düsseldorf. Zuletzt führte er Nigerias Männerteam zum Mannschaftstitel bei den All African Games und ist damit der erste Trainer, der auf verschiedenen Kontinenten Titel in kontinentalen Mannschaftswettbewerben gewonnen hat.
Zu erreichen ist Martin per Telefon unter 02941-273385 oder per mail unter lippstadt@tt-store.de. Die Adresse der Webseite ist www.lippstadt.tt-store.de.
Zum pdf-Download des Trainingstipps
(Martin Adomeit)
Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.
Copyright © 2025 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.