15.07.2025 - Im modernen Tischtennis entscheiden oft die Punkte, bei denen der Gegner den ersten Topspin spielt – und genau hier liegt großes Potenzial. Doch dieser Bereich wird im Training häufig vernachlässigt. Unser neuer Taktiktipp des ehemaligen Damen-Bundestrainers Martin Adomeit zeigt, wie Spieler in der passiven Rolle aktiv Einfluss nehmen können: durch clevere Platzierung und gezielte Tempowechsel. Wer sein Repertoire variiert, bringt selbst starke Angreifer aus dem Rhythmus.
Punkte, bei denen der Gegner den ersten Topspin spielt, sind oft spielentscheidend – und dennoch wird genau dieser Bereich im Training häufig vernachlässigt. Das zeigt sich bereits in alltäglichen Situationen: Bei Übungen wird oft gefragt, „Wer beginnt?“, gemeint ist: „Wer zieht zuerst Topspin?“ Diese Frage macht deutlich, dass der passive Part im Spiel kaum Beachtung findet und selten gezielt und im Sinne der Leistungsverbesserung trainiert wird. Genau das soll sich mit dem heutigen Trainingstipp ändern.
Welche Möglichkeiten hat ein Spieler in der passiven Rolle, um den Gegner auf unterschiedlichen Ebenen zu „erwischen“? Zwei zentrale Mittel sind entscheidend: kluge Platzierung und gezielter Tempowechsel. Letzterer bringt eine neue Dimension ins Spiel, denn er zwingt den Angreifer, sich in der Tiefe zu bewegen – nach vorn oder zurück – oder sein Timing anzupassen. Weltklassespieler wie Truls Moregardh setzen das gezielt ein. Der Tempowechsel entsteht dabei beim Passivspieler durch verschiedene Arten, den Ball zu treffen, oft verbunden mit leichten Veränderungen in der Rotation.
Auf technische Unterschiede gehe ich in diesem Tipp nicht ein – im Mittelpunkt steht allein die Wirkung: Den Gegner durch Tempowechsel zu Fehlern zwingen. Oft ist ein weicher Block nicht der direkte Punktgewinn, aber er leitet den Wechsel in die aktive Rolle ein. Dies gilt unabhängig vom Material – wenngleich Spieler mit langen Noppen oder Anti-Topspin-Belägen diesen Aspekt besonders effektiv nutzen und ihr Spiel damit bewusst gestalten können, etwa auch durch das Drehen des Schlägers.
1. Übung: RHB schnell oder langsam in einer Beinarbeitsübung
Spieler A: 2-4 x RHB in ½ VH Spieler B: VHT in RH
RHB extrem schnell oder lang/RHB kurz in RH
frei
In dieser Übung wählt der Spieler gezielt den Ball aus, den er in der Rückhand blockt. Ziel ist es, diesen Block entweder sehr kurz oder extrem lang abspringen zu lassen. Ein langer Block entsteht durch hohes Tempo oder durch eine Kombination aus Spin und Geschwindigkeit, sodass der Ball förmlich auf den Gegner zuspringt. Der weiche, kurze Block hingegen wird mit wenig Druck gespielt – häufig mit leichtem Seiten- oder Unterschnitt.
Ob der Ball kurz oder lang platziert wird, hängt dabei eng mit den zuvor gespielten Blockbällen auf der Vorhandseite zusammen. Hat man den Gegner durch längere, druckvolle Bälle eher in die Tiefe (nach hinten) gezwungen, bietet sich ein kurzer Block auf die Rückhand an. Ist der Gegner dagegen durch einen kürzeren Ball zuvor näher an den Tisch gekommen, kann ein schneller, langer Rückhandblock effektiv sein. Ebenso gilt: Hat der Gegner weit in die Vorhandecke gespielt, sollte man dem Kämpferherz des Gegners keine Chance geben – ein weicher Block gibt ihm nur Zeit, den Ball noch zu erreichen.
2. Übung: RHB parallel in unterschiedlichem Tempo
Spieler B: KA in VH Spieler A: F/SCH in RH/TMi
RHB in VH in unterschiedlicher Länge
frei
In dieser Übung sucht der Spieler gezielt den Wechsel in die Vorhandecke. Entscheidend ist dabei, den Gegner nicht in einem gleichmäßigen Rhythmus spielen zu lassen. Es gilt, ihn permanent im Blick zu behalten: Wie weit steht er vom Tisch entfernt? Wie ist seine Körperposition? Wenn diese stark geöffnet ist, wird er sich tendenziell vom Tisch wegbewegen – in diesem Fall kann ein weicher Block besonders effektiv sein. Ebenso, wenn es zuvor gelungen ist, ihn beispielsweise mit einem Flip weit nach hinten zu drängen. Ist der Gegner dagegen weit herausgetrieben oder musste in der Rückhandecke mit der Vorhand agieren, ist ein schneller, druckvoller Block vielversprechend.
Auch die vorherigen Ballwechsel sollten stets berücksichtigt werden – der Gegner soll durch wechselnde Tempi und Platzierungen immer wieder vor neue Aufgaben gestellt werden. Ziel ist es, zu automatisieren, dass die Blockbälle ständig in unterschiedlichem Tempo erfolgen, um ihn aus dem Rhythmus zu bringen und unter Druck zu setzen.
3. Übung: VH-Passivspiel in unterschiedlicher Länge
Spieler B: KA in VH Spieler A: HLR/F in weite VH
VHT in VH VHB/T weich oder hart in eine Ecke
frei
Der Gegner spielt einen Vorhand-Topspin in die Vorhandseite. Jetzt geht es darum, den Ball entweder extrem weich zurückzublocken oder sehr hart und lang – etwa über einen Gegentopspin. Auch hier hängt die Wahl des richtigen Balls stark von der Position des Gegners sowie den vorherigen Ballwechseln ab.
Entscheidend ist dabei der eigene Rückschlag: Mit ihm wird der Gegner gezielt in bestimmte Positionen gebracht. Zum Beispiel kann man ihn mit einem halblangen Rückschlag näher an den Tisch zwingen. Logisch erscheint es dann, den nächsten Ball hart zu spielen. Doch genau das wird der Gegner erwarten, wenn dieser Rhythmus immer wieder gewählt wird. In solchen Momenten kann gerade ein nochmals weicherer Ball besonders wirkungsvoll sein – weil er das Erwartbare bewusst durchbricht.
4. Übung: Passivspiel nach eigenem langen oder halblangen Aufschlag
Spieler A: LA/HLA in RH/TMi Spieler B: T überall
B/T in eine Ecke extrem schnell oder weich T überall
B/T extrem schnell oder weich
frei
Durch einen langen oder halblangen Aufschlag provoziert der Spieler den Topspin des Gegners – und kann diesen anschließend gezielt in Bewegung bringen, entweder nach vorne oder nach hinten. Wie gut das gelingt, hängt natürlich von der Qualität des eigenen Aufschlags ab. In dieser Übung geht es darum, bewusst mit dem Tempo der folgenden Blockbälle zu variieren: Einmal schnell, einmal langsam – aber niemals zwei Blockbälle im gleichen Tempo. So bleibt der Gegner ständig gefordert und wird aus dem Takt gebracht.
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