05.05.2025 - Das typische Tischtennisjahr eines Otto-Normal-Kreisliga-Spielers, das unser Phasendrescher Philipp Hell nun schon eine ganze Weile beschreibt, verläuft eigentlich recht gleichförmig - gerade auch, was die Leistungen angeht. Aber es gibt da diesen EINEN Tag im Jahr, an dem offenbar alles funktionieren will. In seinem Blog beschreibt Hell wie immer mit einem kleinen Augenzwinkern, worauf man sich dann einstellen muss.
Eigentlich ist das Leben der meisten Kreisliga-Spieler relativ wenig aufregend. Man weiß, was man spielerisch kann (Rückhand-Block) und natürlich auch was man nicht kann (Vorhand-Topspin). Man könnte viele Ergebnisse gegen seit Langem bekannte Gegner praktisch immer vorhersagen, sowohl in die eine Richtung (gegen Hans-Uwe vom benachbarten SC Grün-Weiß ist man prinzipiell chancenlos) als auch in die andere Richtung (den knorrigen Karl von dem FC Hertha würde man auch nachts um drei im Schlafanzug von der Platte fegen). Es gibt keine Überraschungen im Liga-Spielbetrieb (seit neun Jahren 2. Kreisliga, Staffel Nord-Ost) oder bei Vereinsmeisterschaften (die letzten Platzierungen: Achter, Siebter, Siebter, Neunter, Siebter, Achter, Zehnter).
Ja hoppala!
Doch dann gibt es diesen EINEN Tag im Jahr, an dem einfach alles läuft. Warum? Weiß kein Mensch. Er kommt immer völlig unverhofft, dieser EINE Tag, hatte man es doch in den letzten vier Wochen nur zweimal ins Training geschafft. Bei der Arbeit ist zur Zeit viel los, am Morgen hatte man sich auch noch mit der pubertierenden Tochter heftig gestritten, ein bisschen gestresst und ein bisschen zu spät betritt man die Halle – und merkt schon nach den ersten paar Ballwechseln beim Einspielen: Ja hoppala!
Also, dieser Topspin den man da gerade gespielt hat, der hat zuletzt geklappt, als Gerhard Schröder noch Bundeskanzler war! Heute geht bestimmt etwas – oder? In den nächsten paar Minuten folgen zwei atemberaubende Blocks und ein ultrakurzer No-Look-Aufschlag, den der Gegner nicht erreichen kann. Anschließend wird dieser eine gefühlte Ewigkeit an der Platte mit Stopps und Angriffsschlägen herumgescheucht, als hätte man ein Händchen wie Timo Boll und nicht wie Peter aus der Kreisliga. Schließlich wird auch noch eine wilde Topspin-Topspin-Rallye souverän erfolgreich beendet und auch bei minutenlanger Ballonabwehr ist der Punktgewinn am Ende nur eine Frage der Zeit. Und da sind wir immer noch beim Einspielen!
Heiß wie Frittenfett
Natürlich ist der erfahrene Kreisliga-Spieler trotzdem skeptisch: Zu oft hat die vermeintlich gute Form am Ende doch getrogen, hat man nach drei tollen Punktgewinnen direkt zwei Aufschlagfehler eingestreut und dann – nun ja, Schwamm drüber. So recht traut man dem Braten eben nicht, denn warum soll es heute anders sein als an den übrigen 364 Tagen im Tischtennis-Jahr? Doch heute ist eben dieser EINE Tag. Kaum beginnt endlich der erste Satz, ist man definitiv „on fire“. Der Gegner kommt gar nicht dazu, sein bekannt starkes Spiel zu entfalten. Denn schon schlägt es rechts ein und schlägt es links ein und der erste Satz ist entschieden. Anders als sonst kann man heute im zweiten Satz sogar noch zulegen, man steht auch in ungewohnt aggressiver Kampfhaltung am Tisch. Allen in der Halle ist klar: Der Mann ist heiß wie Frittenfett, der will und wird heute alles gewinnen, diese Maschine kann heute niemand stoppen.
Und so ist es! In drei spektakulären Sätzen, in denen der Gegner oft aussieht wie ein völlig überforderter Jugendlicher mit Liebeskummer, wird allen gezeigt, wo heute der Hammer hängt. In dieser Form müsste man eigentlich ein-, zwei-, ach was: dreihundert TTR-Punkte mehr haben. Doch kann man diese Wahnsinnsform ins zweite Match retten? Gegen einen der Angstgegner überhaupt, mit komischem Belag, seltsamer Sportmode und verwirrendem Spielstil? In der Tat, man kann! Die Bälle pfeifen durch die Luft, von den Zuschauerbänken hört man „Ah‘s“ und „Oh’s“ und immer wieder aufbrandenden Beifall. Schade eigentlich, dass die eigene Frau heute nicht in der Halle ist – oder vielleicht sogar die attraktive Arbeitskollegin, die könnte man heute wirklich beeindrucken. Denn heute ist dieser EINE Tag im Jahr. Also, zumindest voraussichtlich, vielleicht geht der eigene Trend ja tatsächlich endlich mal nach oben, man weiß ja nie. Verdient hätte man es auf jeden Fall.
Auch das Doppel eine Augenweide
Aber wie dem auch sei, heute ist heute und morgen ist morgen. Zunächst steht nun noch ein alles entscheidendes Doppel an und, ehrlich gesagt, mit Martin hat man noch nie besonders gut harmoniert. Wie soll das nur funktionieren? Aber, war ja klar: Heute geht das. An diesem EINEN Tag. Selten hat man auf diesem Niveau ein sich so perfekt ergänzendes Doppel gesehen, es ist eine Augenweide! Den Männern gelingt praktisch alles, sie helfen sich, wo es geht, sie stehen sich nie im Weg – kurz, die Kontrahenten machen insgesamt nur neun Punkte. Großer Jubel bei den Zuschauern, die – zumindest gefühlt – immer mehr werden. Wurde etwa die ganze Abteilung über die WhatsApp-Gruppe informiert?
Alles egal, ob mit oder ohne Zuschauer, ob nachhaltig oder Eintagsfliege, heute ist dieser EINE Tag, und das muss gefeiert werden! Wer geht noch mit auf ein Bier? Hm, keiner? Schade eigentlich. Aber gut, war am Ende eben doch nur ein ganz gewöhnliches Dienstags-Training. Und keine Sorge: Am Freitag in der Relegation spielt man bestimmt wieder auf seinem üblichen Niveau.
Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell hat nun schon sein zweites Buch auf den Markt gebracht. Nach "Netzball" geht es in "Schon wieder ein Netzball" weiterhin mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga.
(Philipp Hell)
Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.
Copyright © 2025 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.