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Blog: An der Spitze als Verbandspräsident

Angekommen an der Spitze als Verbandspräsident (©Laven)

10.04.2023 - In seiner fünften Reihe auf myTischtennis.de hat uns Phasendrescher Philipp Hell die verschiedenen Stationen einer Funktionärskarriere nähergebracht. Die Reise führte uns vom Mannschaftsführer über den Medienwart, den Turnierorganisator, den Jugendtrainer, den Gerätewart, den Kassenwart, den Schriftführer, den Abteilungsleiter hin zum Bezirksvorsitzenden und endet schließlich heute mit dem Verbandspräsidenten. Freuen darf man sich aber schon auf die nächste Reihe!

Wer es als Verbandspräsident tatsächlich bis ganz nach oben geschafft hat, muss nicht zwangsläufig aktiv Tischtennis spielen. Denn im Gegensatz zum Beginn einer Funktionärskarriere, wenn man parallel zum Antreten in der Kreisliga eben auch noch den einen oder anderen Posten im Verein als Ehrenamt besetzt hatte, ist eine Teilnahme am Ligabetrieb nun nicht mehr nötig. Und, zugegebenermaßen, auch nur noch schwer möglich: Wie soll man freitags in der Kreisklasse B zum Auswärtsspiel beim SV Kleinhinterwedel antreten, wenn man montags bis donnerstags durch die Weltgeschichte jettet, zwischen China und Chile, Chemnitz und Chiemsee?

Folglich reicht es völlig aus, wenn man auf eine recht erfolgreiche Freibad-Tischtennis-Karriere in der Kindheit zurückblicken kann oder als Student im Campingurlaub in Italien mal einen sehr guten zweiten Platz beim wöchentlichen „Ping Pong Torneo“ erringen konnte.

Zwei unterschiedliche Funktionärstypen
An der Spitze eines Tischtennis-Verbandes gilt es nun zwischen zwei Funktionärstypen klar zu unterscheiden. Da ist zunächst der ehrliche Arbeiter zu nennen: Er kämpft voller Leidenschaft um echte Verbesserungen für sein Tischtennisvolk (wie etwa bunte Beläge), entwickelt Visionen für die Zukunft seines Sports („Sudden Death“ im „Tie Break“ und ähnliche Anglizismen), denkt Tag und Nacht nur an Tischtennis (denn auch der Mond hat ja manchmal die Form eine Balles) und kann sich nichts Schöneres vorstellen, als irgendwo auf der Welt irgendeinem verschwitzten Tischtennis-Profi eine viel zu bunte Medaille um den Hals zu hängen.

Auf der anderen Seite der Funktionärsgilde steht der Sonnenkönig, der in teuren Maßanzügen mit aufgebügeltem Verbandslogo ungefragt sein Gesicht in jede Kamera hält, Entscheidungen zu weitgehenden Regeländerungen im Alleingang und aus dem Bauch heraus fällt, allen möglichen Verwandten und Bekannten gut dotierte Beraterverträge zuschustert und auch gerne mal die Rechnung für eine „Ping Pong Show“ in Bangkok über die Verbandskasse abrechnen lassen will – Stichwort „Fachliche Weiterbildung“.

Doch wie die Tischtennis-Spieler, so sind auch Tischtennis-Funktionäre nicht gerade die größten Weltstars. Selbst DTTB- und ITTF-Präsidenten können unerkannt durch deutsche Großstädte schlendern und wohnen statt im bei FIFA-Granden so beliebten Zürcher Edel-Hotel „Baur au Lac“ gerne auch mal zusammen mit der Jugendlandesauswahl Baden-Württemberg in der hochgeschätzten Jugendherberge Neckarwestheim, wo das Frühstück extra kostet.

Während für FIFA-Präsidenten der Grat zwischen dem Warten auf den langersehnten Friedensnobelpreis (Ex-Boss Sepp Blatter) und dem drohenden Einfahren in den Knast wegen irgend so einer lächerlichen Korruptionsgeschichte um ein paar Milliönchen (ebenfalls Sepp Blatter) ein recht schmaler ist, kämpfen Tischtennis-Verbandspräsidenten nur mit dem immer Gleichen: Mit viel zu geringer Fernsehpräsenz, der andauernden Übermacht der Chinesen, nachlassendem Interesse der Jugend sowie dem allgemeinen Desinteresse an der Tischtennis-Bundesliga – statt mit der Schweizer Staatsanwaltschaft oder der für die FIFA zuständigen US-Korruptions-Staatsanwältin Loretta Lynch (die Dame heißt wirklich so). Ja, alles hat eben seine Vor- und Nachteile.

Von Kritik nicht verschont
Trotzdem gilt natürlich auch beim Tischtennis: Verbandspräsidenten gewinnen keinen Beliebtheitswettbewerb! Stattdessen stehen sie ununterbrochen in der Kritik, weil es bei den Profis zu geringe Preisgelder bei einem gleichzeitig zu vollen Spielplan gibt, weil sich niemand mehr mit den dutzenden verschiedenen Mannschafts-Spielsystemen auskennt, weil am Ende immer diese Chinesen gewinnen – ja, und vor allem natürlich weil in der Kreisklasse B (Ost) der Drittplatzierte am Ende keine Relegation spielen darf, denn das ist nun wirklich ein Skandal und warum wird der Verband da nicht aktiv!?

Tja, warum also tut man sich so ein Funktionärsleben an, warum lässt man sich zum Tischtennis-Verbandspräsidenten wählen, wenn dieses Amt doch nur Stress, Kritik, Ärger und wenig Reputation bietet? Es muss eindeutig am Kaffee von Sekretärin Gabi liegen – denn der ist wirklich der beste auf der ganzen Welt! Das muss selbst der aktuelle und hochkorrupte FIFA-Boss Gianni Infantino neidlos anerkennen, der Gabi gerüchteweise bald ein Angebot unterbreiten will, das sie eigentlich nicht ablehnen kann.

Zu den weiteren Teilen der Reihe

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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