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Blog: "Mädchen für alles" alias Abteilungsleiter

Die Kandidatenliste für das Amt des Abteilungsleiters ist oft nicht lang (©Laven)

13.02.2023 - Sie sind der Dreh- und Angelpunkt im Verein, kümmern sich bei der Stadt um weitere Hallenzeiten, erledigen den Papierkram für Vereinswechsel oder übernehmen die Kommunikation mit dem Hausmeister. Für die einen ist der Posten des Abteilungsleiters der Höhepunkt ihrer Funktionärskarriere, für die anderen ein zeitraubendes Amt, das aber halt irgendjemand machen muss. Phasendrescher Philipp Hell erzählt uns in seinem Blog, was es bedeutet, Abteilungsleiter zu sein.

Je nach persönlicher Einstellung kann die Wahl zum Vereinsvorsitzenden oder Abteilungsleiter entweder als – vorläufiger – Höhepunkt der Funktionärskarriere betrachtet werden – oder eben auch als das Aufgeben von Freizeit, emotionaler Ausgeglichenheit sowie der Möglichkeit, mit Vorfreude die Sporthalle zu betreten. Doch es ist klar: Einer muss es tun! Und so ist schon die Kandidatenliste für das höchste Amt in Verein oder Abteilung äußerst überschaubar. Denn wer bisher nichts für die Allgemeinheit getan hat, wird sich jetzt kaum zum „Mädchen für alles“ wählen lassen – schon gar nicht unentgeltlich. Kaum hat also Hans mitgeteilt, dass er nach mehr als einem halben Jahrhundert im Amt und mehr als einem halben Dutzend Androhungen in den vergangenen zehn Jahren nun wirklich den Vorsitz seiner Edith zuliebe im jugendlichen Alter von 82 Jahren niederlegen wird, brüten die Mitglieder der inoffiziellen Nachfolger-Findungskommission bei Schnitzel und Bier schon intensiv über mögliche Nachfolger.

Wer soll’s machen?

Klar ist allen: Wer sich schon bisher kaum in der Lage gesehen hat, sein Einzel-Ergebnis unfallfrei in den Spielberichtsbogen einzutragen, befindet sich nun natürlich in der praktischen Lage, gar nicht erst in die engere Auswahl der Kommission zu kommen. Stattdessen diskutiert man die Namen der üblichen Verdächtigen: Horst, der seit Jahren Kassenwart ist. Vielleicht Kalle, der als verlässlicher Spielgruppenleiter für unzählige Kreisklassen fungiert? Oder etwa der junge Leon, der kürzlich für die Grünen in den Gemeinderat gewählt wurde und weitere politische Ambitionen zu hegen scheint? Doch wenn es Horst oder Kalle machen, wer soll dann künftig die Kasse betreuen oder den Spielbetrieb im Kreis sicherstellen? Und auf die ganzen Digitalisierungspläne des Jungspundes hat auch niemand Lust, schließlich sprach Leon bereits davon, die Ergebnisse der Vereinsmeisterschaften der letzten 70 Jahre einscannen zu wollen und dafür Freiwillige zu suchen.

Bleibt also nur, auf die aktuellen Mannschaftsführer zu schauen. Und da stellt sich das Problem, dass natürlich niemand Lust auf eine Doppelfunktion hat. So gelte es folglich, einen neuen Mannschaftsführer zu rekrutieren – und die sind oft schwerer zu finden als ein vierblättriges Kleeblatt. Da beißt sich die Katze in den Schwanz, da ist die Quadratur des berühmten Kreises gefragt. Folglich gilt es, kreativ zu werden: Könnte man nicht das Amt einem Duo übergeben, das sich die anstrengenden Aufgaben friedlich aufteilt? Oder die ebenso engagierte wie gutmütige und tischtennisferne Ehefrau von Horst überzeugen? Alternativ wäre auch ein Rotationsprinzip vorstellbar, in dem sich mehrere Mitglieder jeweils für ein halbes Jahr zur Verfügung stellen. Alles abenteuerliche Vorschläge. Es stimmt, die Findungskommission ist verzweifelt!

Gute Seele im Einsatz für die Allgemeinheit

Am Ende ist es wie fast immer: Irgendeine gute Seele findet sich dann doch noch, lässt sich durch intensive Gespräche (nachts um drei) und ebenso liebevolle wie umfangreiche Geschenke („deinen Deckel zahlen wir heute“) doch noch überreden und wird dann auch mit einem Ergebnis gewählt, welches sämtliche Autokraten der dritten Welt vor Neid erblassen lassen würde. Nun stürzt sich der neue Vorsitzende voller Elan in die neue Aufgabe: Er diskutiert mit der Stadt über die mögliche Verlängerung der aktuellen Hallenzeiten oder über die dringend nötige Sanierung des Hallenbodens, der nur noch für die nicht existente Eiskunstlauf-Sparte des Vereins optimal ist. Er besucht langwierige Kreis- und Bezirkstage, belegt Online-Schulungen zum neuesten Verwaltungssystem des Verbandes, meldet sich selbst als einzigen verfügbaren Schiedsrichter des Vereins, erstellt Fahrtenpläne für die Jugendteams und pflegt die Telefonlisten oder WhatsApp-Gruppen der Mitglieder, füllt den Papierkram für Vereinswechsel und Ranglisten aus und streitet sich mit dem Hallen-Hausmeister um einen zusätzlichen funktionierenden Schlüssel.

Und er kann sich zur Belohnung regelmäßig die Frage stellen lassen, wann es denn endlich mal neue Tische und Netze gebe. Und ein Trikotsatz ohne psychedelisches Farbmuster aus den 90ern wäre auch mal schön. Ja, Dankbarkeit wird immer groß geschrieben bei den Nutznießern des Einsatzes von Ehrenamtlichen, das ist ein wohlbekannter Fakt. Und die Aufwandsentschädigung vom Finanzamt gleicht ja auch Vieles wieder aus, klar. Nur die geopferte Zeit, die ist weg, unwiederbringlich. Alles gut, man tut’s ja gerne. Für die Allgemeinheit. Für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Für den Spaß an der Freud‘. Für den sportlichen Erfolg. Aber dass Peter seine Turnschuhe in der Umkleide liegen gelassen hat, dafür kann der Abteilungsleiter nun wirklich nichts!

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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