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Phasendrescher: Das gefährlichste Amt im Verein

In dieser Ausgabe steht der Kassenwart im Mittelpunkt (©Laven)

31.10.2022 - Den Mannschaftsführer, den Medienwart, den Turnierorganisator, den Jugendtrainer und den Gerätewart hat Phasendrescher Philipp Hell in seiner Reihe zu den verschiedenen Stufen einer Funktionärskarriere schon auf gewohnt humorvolle Art und Weise unter die Lupe genommen. Heute ist der Kassenwart an der Reihe, das gefährlichste Amt der Funktionärskarriere.

Unaufhaltsam erklimmt die TT-Funktionärsleiter seines Vereins, wer sich immer wieder mit Eifer bewährt und dabei beweist, dass er aus wenig viel machen kann. Sei es aus wenig Mithilfe (der Gerätewart), aus wenig Talent (der Jugendtrainer), aus wenig Selbstbewusstsein (der Mannschaftsführer) – oder aber aus wenig Geld. Dann ist man nämlich der Kassenwart.

Dieses hochoffizielle Amt ist nun tatsächlich das gefährlichste Amt der Funktionärskarriere, steht man doch ständig mit einem Bein im Gefängnis. Jedenfalls ruft das Udo immer lautstark dem Kassenwart zu, nachdem er ihm jovial den im Januar fälligen Jahresbeitrag von 99 Euro kurz vor Beginn des Advents bar übergibt (zwei Fuffziger) und ihm augenzwinkernd mitteilt, dass er den Rest für seine Mühen behalten dürfe: „Aber nicht alles auf einmal ausgeben, hahahaha!“ Ja, die eigenen Witze sind eben immer die besten.

Sich beruflich verdächtig gemacht
Den Job des Kassenwartes übernimmt in jedem Verein früher oder später und mehr oder weniger freiwillig jemand, der sich beruflich verdächtig macht: Sei es als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Bank-Azubi oder Mathestudent. Irgendwas mit Geld und/oder Zahlen eben, und da sind dann alle anderen Mitglieder im Verein froh, dass dieser Kelch an ihnen vorübergeht. Also noch froher, als der Kelch des Abteilungsleiters, ehrlich gesagt, denn der muss wenigstens nicht rechnen können, sondern nur telefonieren.

Doch das Problem des Kassenwartes ist weniger das Rechnen. Stattdessen tut er sich schwer damit, die absolut unleserlichen Überweisungsbelege des Abteilungsleiters zu entziffern, wenn wieder mal ein Fresskorb zu einem runden Vereinsjubiläum gekauft werden musste. Er kämpft mit BICs und IBANs statt mit Über- oder Unterschnitt. Mit dem korrekten Verbuchen von knauserigen Spenden der örtlichen Wirtschaft statt dem gnädigen Annehmen einiger gegnerischer Aufschlagfehler. Und mit dem Eintreiben von überfälligen Abteilungsbeiträgen statt der Analyse seines stagnierenden TTR-Wertes.

Ja, eigentlich würde der Kassenwart mittwochs gerne trainieren – doch erst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen. Und wenn er gegen 22:00 Uhr alle aktuellen Belege gesichtet, sortiert und abgeheftet hat, dann ist sein Verlangen nach der Turnhalle und seinem Tischtennisschläger auch nicht mehr so groß. Genauso wie sein Verlangen nach all den Einreichern dieser Belege, die jede noch so windige Autofahrt („Ich musste doch meinen neuen Belag vor Ort ausgiebig testen, bevor ich ihn bestellen konnte!“) , jeden noch so überraschenden Gegenstand („Ja gut, das mag jetzt aussehen wie eine schicke TV-Bank, aber wenn ich es in fünf Jahren nicht mehr, brauche gibt das einen super Schiedsrichtertisch…“) und jedes noch so unnütze Utensil („Was heißt denn hier ‚Angler-Bedarf‘? Das ist ein super Kescher, mit dem man beim Balleimertraining die Bälle aufheben kann.“) bis auf den letzten Cent abgerechnet haben möchten.

Der große Auftritt bei der Jahreshauptversammlung
Bei der jährlichen Abteilungsversammlung hat der Kassenwart dann seinen großen Auftritt. Vor versammelter und sichtlich ermüdeter Mannschaft genießt er es, äußerst detailliert jede Konto-Bewegung vorzutragen, die dieses Jahr relevant war (größer als zehn Euro). Mit jeder zäh verrinnenden Minute freut er sich, dass er es all den Freizeit-Steuerhinterziehern, Hobby-Abrechnungsdilettanten und Amateur-Betrügern mal so richtig heimzahlen kann. Und wer aufsteht, um angeblich auf die Toilette zu gehen, bekommt einen Anschiss, der sich gewaschen hat: Schließlich ist das hier ein offizieller Vorgang, das muss alles seine Ordnung haben, gleich wird der Kassenwart von allen Anwesenden hoffentlich entlastet und falls nicht und sich dann erst der Zoll einschaltet, kann der Verein sowieso morgen zusperren. Gerade du solltest das wissen, Gerd, mit deinen 65 letztes Jahr eingereichten Fahrten zu dieser Turnierserie, die immer nur samstags stattfindet.

Mit hochrotem Kopf setzt sich Gerd wieder, murmelt irgendetwas davon, dass er es fünf weitere Minuten schon noch aushalte und dass er sich da mit diesen Fahrten eventuell etwas verzählt habe, menschlicher Fehler, kann ja mal passieren, alles klar?!

Der Kassenwart rattert also weitere geschlagene 25 Minuten die finanziellen Vorkommnisse der vergangenen Saison (er nennt es „Geschäftsjahr“) herunter und endet stolz mit dem Hinweis, dass der aktuelle Kontostand der Tischtennis-Abteilung der höchste je dagewesene Kontostand an einem Jahresende sei und das liege nur daran, dass er hier mit äußerster Akribie und Sorgf… – Da ruft es lautstark aus dem Hintergrund: „Dann können wir ja endlich diese schicken neuen Platten bestellen, die du uns seit über fünf Jahren vorenthältst! Mit denen würden wir auch endlich wieder aufsteigen.“ Dröhnender Applaus im ganzen Saal weckt alle eingedösten Mitglieder wieder auf und der zarte Hinweis des Kassenwartes, dass es dafür ja eigentlich einen schriftlichen Antrag bräuchte, geht im folgenden Trubel unter: Die Schnitzel werden serviert.

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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