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Phasendrescher: Turnierplanung mit Multitasking-Ass

In einer typischen Funktionärskarriere darf der Posten des Turnierorganisators natürlich nicht fehlen (©Laven)

30.05.2022 - Auch neben den klassischen Ligaspielen wollen sich Vereinsmitglieder regelmäßig in Wettkämpfen messen. Ob es sich dabei um interne oder offene Turniere oder gar die wahnsinnig wichtigen Vereinsmeisterschaften handelt - einen braucht man dazu immer: den vom Verein auserkorenen Turnierorganisator, der gemeinhin alle Hände damit zu tun hat, die verschiedenen Befindlichkeiten und Eventualitäten zu händeln, wie uns Phasendrescher Philipp Hell erzählt.

Zum Turnierorganisator eines Tischtennis-Vereins wird man bereits mit rudimentären Computer-Kenntnissen schnell ernannt, gerne auch bereits kurz nach Erreichen der Volljährigkeit. Klar, denn wie immer im Vereinsleben sind Anwärter auf Ehrenämter rar gesät und der Typ mit den guten bis sehr guten Computer-Kenntnissen betreut ja bereits die Homepage. Im besten Fall hat der Turnierorganisator einen Doktortitel in höherer Mathematik vorzuweisen, im schlechtesten Fall jedoch nur äußerst unangenehme Erinnerungen an die Abschlussprüfungen in der Schule, durch die er dank dem Fach Mathematik beinahe durchgefallen wäre.

Wichtigste Aufgabe: Vereinsmeisterschaft

In beiden Fällen jedoch ist der Turnierorganisator für die Durchführung der vereinseigenen Turniere zuständig. Mindestens also für die meist sehr emotional aufgeladene und daher wahnsinnig wichtige Vereinsmeisterschaft. Hier gilt es also definitiv keine Fehler zu machen: Schon bei der Gruppenauslosung muss mit Fingerspitzengefühl vorgegangen werden („Warum bin ich schon wieder mit Udo in einer Gruppe? Das ist das dritte Mal in den vergangenen sieben, nein, acht Jahren!“), der Spielplan muss im Detail ausgearbeitet werden („Ich kann nicht direkt nacheinander gegen den sehr starken Gerd und den noch stärkeren Gustav spielen, das ist unfair!“), bei der Berechnung der Tabellen muss alles mit rechten Dingen zugehen („Und ich dachte bei Punktgleichheit zählt der direkte Vergleich!?!?“) und gleichzeitig will man ja auch noch selbst mitspielen und endlich das Trauma vom Vorjahr gegen den uralten Adalbert ausmerzen. Multitasking wird beim Turnierorganisator also großgeschrieben.

Bei ambitionierten Vereinen (oder Vereinen, die knapp bei Kasse sind) kommen auch noch offene Turniere hinzu mit etwa 150 Teilnehmern in vier Leistungsklassen über zwei Tage verteilt. Wer da keinen kühlen Kopf und einen analytischen Verstand hat (oder auf die Unterstützung von künstlicher Intelligenz verzichtet), gerät schnell in Schwierigkeiten. Dank der heutigen digitalen Möglichkeiten und des Einsatzes von Turniersoftware hat dies zwar alles ein wenig an Angst und Schrecken verloren, ein Kinderspiel ist es jedoch immer noch nicht: Vorrunde in Gruppenform sowie eine zügige K.o.-Runde gilt es unter einen Hut zu bringen, Einzel und Doppel, Damen und Herren. Bloß keine zu langen Wartezeiten, aber bitteschön doch genug Pause für ein paar Wiener und ein Bier zu Mittag. Sonst hagelt es umgehend lautstarke Kritik von allen Seiten.

Besondere Spielsysteme oder alternative „Sportarten“

Die ganz ambitionierten Turnierorganisatoren veranstalten zusätzlich gar noch interne Turniere mit besonderen Spielformen. Hier gilt es dann, ein System zu (er)finden, welches gleichzeitig spannend ist und dennoch von der Mehrzahl der Teilnehmer intellektuell durchdrungen werden kann. Das berüchtigte Schweizer System mit wechselnden Doppelpartnern oder rundenbasierte Systeme mit abkippenden Verfolger-Buchholzzahlen bei Gleichheit der zu hoch verlorenen geraden Sätze bei Vollmond klingen nach Swinger-Club und sind oftmals wenig verständlich. Und nur damit der Paul endlich mal nicht Letzter wird, ein Turniersystem zu erfinden, bei dem es auf gewonnene „Sternpunkte“ bei eigenem Unterschnitt-Rückschlag ankommt statt auf die herkömmliche weit verbreitete Wertung (Siege!), führt nicht unbedingt immer zum gewünschten Ergebnis. Stichwort Überforderung, Aszendent Verärgerung. Dann schon lieber Schlägertausch vor jedem Match.

Einfacher ist es hingegen, zur Stärkung des Abteilungszusammenhaltes und zum regelmäßigen Austausch auch zwischen den verschiedenen Mannschaften, Turniere in alternativen Sportarten auszutragen. Also, „Sportarten“ im weitesten Sinne: Da werden nämlich Kartenturniere veranstaltet, bei denen je nach Seniorität der Anwesenden zwischen Rommé, Skat und Texas Hold’em Poker unterschieden wird. Oder es wird ein Triathlon ausgerufen, der – was man der Gattin beim Aufbruch mit praller Sporttasche und stolzem Gesicht wohlweislich verschwiegen hat – aus Billard, Darts und Kicker besteht. Oder man geht zum Angeln. Wichtig ist nur, dass nicht die üblichen Verdächtigen von der Vereinsmeisterschafts-Ehrentafel der letzten dreißig Jahre wieder vorne auftauchen – oder, dass sie sich wenigstens dafür anstrengen müssen.

Für jede Eventualität gerüstet

Klar ist auf jeden Fall, dass ohne den Turnierorganisator und seinen berühmt-berüchtigten Turnier-Ordner mit sämtlichen Turnierergebnissen der letzten zwei Jahrzehnte nichts läuft. Für jede noch so krumme Teilnehmeranzahl (13,5 Teilnehmer, weil die Freundin von Andy erst eine Stunde später kommen kann, aber unbedingt mitspielen will) kann er einen bereits vorgedruckten Zettel ausgraben, für jede Eventualität (Verletzung, Hausarrest, vorzeitige Abordnung zum Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr) ist er gerüstet und ohne eine Urkunde für den stolzen 23. Platz bei 24 Teilnehmern geht hier ohnehin niemand nach Hause. 

Zum Schluss darf die obligatorische Siegerehrung natürlich nie fehlen, auch wenn dazu Karlheinz und der dicke Detlef aus der Dusche herbeizitiert werden müssen. Gerade diesen beiden hatte nämlich noch die wichtige statistische Info des Turnierorganisators gefehlt, dass es in der Gruppe C so eng war wie noch nie, dass beim Schweizer System am Ende vier Spieler ballgleich waren oder dass, wenn der Manni in der Gruppe E auch nur einen Satz mehr verloren hätte, stattdessen der Helmut in der Gruppe B ausgeschieden wäre, was bedeutet hätte, dass anschließend der Tom – gesetzt einen Sieg gegen Fritz – bereits im Halbfinale auf seinen Angstgegner Malte getroffen hätte und dann gute Nacht Turniersieg! 

Nach insgesamt etwas zähen neuneinhalb Stunden in der Turnhalle dürfen anschließend endlich alle erleichtert nach Hause gehen.

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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