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WM-Blog: Im eisigen Aufwind - ‚Skisprung-WM‘ in Malaysia

In diesem Zelt waren in den vergangenen Tagen die unteren Divisionen zu Hause (©Stosik)

06.03.2016 - Die Bedingungen sind seit dem ersten WM-Tag ein großes Thema im Malawati Stadium. Während die Topspieler der Championship Division jedoch ‚nur‘ mit Wind aus der Klimaanlage zu kämpfen hatten, mussten die Spieler der unteren Divisionen im Zelt nebenan mit noch mehr Schwierigkeiten zurechtkommen. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz war unter anderem bei den Spielen der deutschen Herren im Zelt und fühlte sich wie bei einer Skisprung-WM.

In den vergangenen Tagen hatte ich leider keine Zeit, meinen Blog weiterzuführen - dafür haben sich eine ganze Menge Eindrücke angesammelt, die ich jetzt einmal loswerden muss. Ich habe ja eigentlich beim letzten Mal schon über die Bedingungen gesprochen, aber die sind hier so ein zentrales Thema, dass ich nochmal davon anfangen muss. Denn vorgestern war ich zum ersten Mal in der zweiten Wettkampfhalle, bzw. im zweiten Wettkampfzelt, das nochmal eine ganz andere Nummer ist. Hier spielen nicht nur Togo, Turkmenistan oder Trinidad, also Länder, in denen Tischtennis nicht so bedeutend ist, sondern auch die zweite Division, also Spieler wie Hugo Calderano, Quadri Aruna oder Kamal Achanta, schon die ganze Woche. Und in den letzten paar Tagen auch die Spieler der Championship Division, die es nicht ins Achtelfinale geschafft haben, unter anderem Deutschland. 

Lärm wie in einer Fabrikhalle

Die Spieler der ersten Division beschweren sich - sicher völlig zu Recht - über die Bedingungen, die in der Haupthalle herrschen. Aber was hier im Zelt nebenan passiert, ist teilweise kaum zu glauben. Vorgestern haben die Deutschen eine Box gesucht, in der der arg schwingende Boden eben ist, gestern ging es darum, dass es nicht durch die Decke in die Box tropft. Reagieren Tischtennisspieler normal gerne empfindlich auf störende Geräusche während der Ballwechsel und besonders des Aufschlags, knattert hier unentwegt die Klimaanlage, die nicht nur für eisige Temperaturen und windige Verhältnisse sorgt, sondern halt eben auch einen unsagbaren Lärm macht. Noch einmal zur Erinnerung: Wir befinden uns hier bei einer Weltmeisterschaft - auch in der zweiten Halle.

Denn das vergisst man schon mal leicht: Wir richten unsere Aufmerksamkeit immer auf den Kampf um Gold, aber auch die Sportler in den anderen Divisionen haben auf diese WM hingearbeitet und wollen ihr Ziel, womöglich den Aufstieg in die nächsthöhere Division, erreichen. Zudem sind die Weltranglistenpunkte, die man hier sammeln kann, auch nicht ganz unwichtig für das nächste große Highlight, die Olympischen Spiele - auf die man ja bekanntermaßen vier Jahre warten muss. Tatsächlich zählen die Spiele hier sogar mehr als normale World Tour-Turniere. Wie dramatisch ist das also, wenn man sich die nötigen Punkte für die Olympiaquali über Monate auf der World Tour mühsam erkämpft und dann innerhalb einer Woche wieder verliert, weil man mit den Bedingungen nicht klar gekommen ist? Wie mir die ETTU-Pressesprecherin beim Frühstück erzählte, ist das zum Beispiel bei Kalinikos Kreanga der Fall. Natürlich, die Gegner hatten dieselben Bedingungen, aber dass nachher derjenige gewinnt, der besser im Wind spielen kann, ist ja irgendwie nicht der Sinn der Sache, oder? Wir sind schließlich nicht beim Skispringen.

Stimmung durch 'Betriebsausflug'

Wenn man mal vom Wind, der Kälte, dem Lärm, der Nässe und dem ständig schwankenden WLAN absieht, ist es in der Nebenhalle allerdings spitze. So wie sich die Inder oder Iraner hier über jeden Punkt freuen, feiern die Chinesen noch nicht einmal den Weltmeistertitel. Das ist auch noch so ein Thema - das Publikum. In der Haupthalle war gestern der erste Tag, an dem die unteren Ränge annähernd gefüllt waren. Ansonsten herrschte die ganze Woche gähnende Leere auf der Tribüne. Ein Beispiel? Ich konnte die Gewinner unserer Geburtstags-Schnitzeljagd, die eine Reise zur WM gewonnen hatten, bei jedem Spiel der Deutschen ohne Probleme im Publikum ausmachen. In Dortmund, Paris, Tokio oder Suzhou undenkbar, auch wenn da teilweise auch nicht immer die Hölle los war. „Put your hands together to welcome the players and umpires“, animiert die Hallensprecherin vor jedem Einmarsch - und die darauf folgende Stille brachte in der vergangenen Woche sogar die Journalisten auf der Tribüne dazu, ihre Arbeit zu unterbrechen und ein bisschen Stimmung zu machen, damit das nicht ganz so traurig für die Sportler ist.

Bis heute! Denn der Titelsponsor ‚Perfect‘, ein Kosmetikhersteller, hatte offenbar einen 'Betriebsausflug' für seine Mitarbeiter ins Malawati Stadium organisiert. Jeder Punkt der Chinesen wurde frenetisch bejubelt - in einer Lautstärke, die man so selbst letztes Jahr in Suzhou kaum hatte - zumindest in meiner Erinnerung nicht. Dass die WM nun mit Bombenstimmung endete, kann für mich die stillen Tage davor allerdings nicht wettmachen - zumal diese 'gesponsorten' Fans für mich auch irgendwie nicht dasselbe sind. Dennoch: Schön, dass wenigstens die Weltmeister vor vollen Rängen gekürt wurden. Mit gemischten Gefühlen geht es morgen nach Hause: Auf der einen Seite hat es wieder großen Spaß gemacht, auf der anderen Seite mussten auch wir Journalisten uns mit einer Menge Schwierigkeiten arrangieren, um arbeiten zu können - allen voran die Internetverbindung. Aber gut - mal sehen, wie wir uns nächstes Jahr als Gastgeber schlagen. See you in Düsseldorf!

(JS)

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