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Janinas WM-Blog: Zweimal Alfred Hitchcock pro WM

So viel Geduld bringen die Japaner für ihre Tischtennismannschaft auf (©Stosik)

04.05.2014 - Was machen Krimiliebhaber in China? Ganz bestimmt nicht Tischtennis gucken. Denn bis es hier bei ihrem Nationalteam einmal ein bisschen spannend wird, dauert es mindestens bis zum Finale - und oft genug ist selbst dort kein Nervenkitzel zu finden. Da können die deutschen Fans ja froh sein, dass sie heute im Halbfinale schon eine enge Spitzenpartie gesehen haben. Redakteurin Janina Schäbitz freut sich heute darüber, dass sich die Geduld ausgezahlt hat.

Die Japaner sind wirklich ein geduldiges Völkchen. Ob morgens beim Frühstück, abends an der Bushaltestelle oder vor den Ticketschranken im Bahnhof. Stets stellen sie sich ohne zu Murren in eine ordentliche Zweierreihe - kein Vordrängeln, kein Schubsen, kein Auf-die-Uhr-Gucken, ganz ruhig und geduldig. Ich merke, dass meine Schmerzgrenze da deutlich tiefer liegt. Heute zum Beispiel stand ich geschlagene 20 Minuten (!) vor den Aufzügen in meinem Hotel und habe gewartet, dass sich mal einer bequemt, mich mitzunehmen. In Deutschland wäre ich die 14 Stockwerke längst gelaufen (heute Morgen gab es leider nur eine Notfalltreppe) oder ich hätte bei der Rezeption nachgefragt. Doch da die vier Japanerinnen, die neben mir standen, absolut ohne Eile verweilten und keine Anstalten machten, irgendetwas zu tun, dachte ich mir: 'Na, dann mach du jetzt auch keinen Stress!' und bin mit einem sehr geduldigen Gesichtsausdruck stehen geblieben. Wie gesagt, 20 Minuten. Ich bin schon etwas stolz auf mich. ;-)

 

Eine der Japanerinnen neben mir betonte, dass unzuverlässige Aufzüge nicht typisch für Japan sind. Was ich allerdings wirklich oft hier beobachte, sind Warteschlangen mit geduldigen Menschen, so dass ich fast behaupten möchte, dass das schon typisch für Japan ist. Eine dieser Schlangen kroch zum Beispiel heute vor der Halle vor sich hin, um die letzten Tickets für den Halbfinaltag zu ergattern - und das natürlich auch mit einer Engelsgeduld.  

 

Die Geduld hat sich übrigens auch bei den deutschen Fans ausgezahlt. Warum Geduld? Weil es inzwischen einfach ziemlich lange dauert, bis man mit der deutschen Mannschaft mal richtig mitfiebern kann. Denn seien Sie mal ehrlich: Haben Sie gezittert, ob die deutschen Herren wohl Gruppensieger werden? Oder ob sie Singapur im Viertelfinale wirklich bezwingen können, um in die Vorschlussrunde einzuziehen? Ich nicht. Deutschland spielt aktuell in einer Liga, in der die meisten anderen Teams dieser Weltmeisterschaften einfach nicht mithalten können. Das ist das Ergebnis langer, harter Arbeit und stellt für den deutschen Tischtennissport eine großartige Situation dar. Diese Überlegenheit kann man natürlich nun wirklich niemandem zum Vorwurf machen. Sie bewirkt halt bloß, dass die Krimiliebhaber unter den Zuschauern - und dazu gehöre ich auch - sich mit zwei Alfred Hitchcock-Spielen begnügen müssen und der Rest eher in Richtung Rosamunde Pilcher geht. Da bekommt man wohl langsam eine leichte Ahnung davon, wie es den chinesischen Tischtennisfans wohl geht.

 

Denn während Deutschland wenigstens zwei Alfred Hitchcocks hat, muss sich China, wenn überhaupt, mit einer Agatha Christie-Partie begnügen. Schon spannend, aber doch ein wenig vorhersehbar. Klar, hier geht's um Sport und nicht um Entertainment. Aber ein Sieg, für den man hart kämpfen musste, ist ja auch für den Sportler noch etwas schöner. Das soll kein Aufruf sein, den Gegner neun Punkte wegziehen zu lassen, um dann des Nervenkitzels wegen die Aufholjagd zu starten. Es ist einfach eine Feststellung. Für uns ging die WM heute erst so richtig los, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass es morgen auch für China einmal ernst wird. Dafür gedulde ich mich dann auch gerne fünf Einzel lang - vor allem, wenn es ein Happy End gibt.

 

(JS)

 

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