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Janinas WM-Blog: Mit Schniefnasen in die Nebenhalle

Toller Sport vor leeren Rängen: Leider ist die Nebenhalle mehr als schlecht besucht (©Schäbitz)

30.04.2014 - Wer den lieben langen Tag lang im Yoyogi Gymnasium in Tokios Stadtteil Harajuku sitzt, kann leicht vergessen, dass die Spiele, die man hier sieht, nur einen kleinen Teil der Team-WM ausmachen. Warum nicht nur die Partien der Championship Division sehenswert sind, berichtet Redakteurin Janina Schäbitz, die auf ihrem Weg in die Nebenhalle ein paar interessante Eigenheiten der Japaner beobachten konnte, in ihrem Blog.

Langsam fühle ich mich im Yoyogi Gymnasium schon richtig heimisch. Was man dabei allerdings ganz schnell vergisst: Die Team-WM in Japan findet nicht nur hier statt. Der Großteil der Mannschaften, der in den Divisionen zwei bis fünf antritt, spielt im Metropolitan Gymnasium, das leider nicht gerade nebenan liegt. Heute hatte ich einmal ein bisschen Zeit, mich in die andere Halle zu begeben und mir das Treiben dort anzuschauen.

 

Kein Spaß: Öffentliches Naseputzen gilt in Japan als schlechtes Benehmen

 

Leider gibt es für uns Journalisten keinen Shuttlebus zur anderen Halle, der den Weg erleichtern würde. So stehe ich vor der Entscheidung: 20 Minuten Fußweg oder Bahnfahren? Das Wetter treibt mich in die Metro, wo schon eine Menge los ist. Bahnfahren in Tokio ist interessant. Sie haben sicher auch schon gelesen, dass es dort extra Personal gibt, das die Menschenmassen in die Waggons stopft, oder? Das habe ich glücklicherweise hier noch nicht erlebt, die Bahnen sind trotzdem wahnsinnig voll. Anfangs habe ich mich noch ganz locker irgendwo an den Bahnsteig gestellt, wo ein bisschen Luft war, und mich gefragt, warum sich eigentlich sonst niemand dahin stellt, bis ich verstanden habe, dass man sich hinter einen Strich in eine Reihe stellen muss. Okay, gecheckt! Dann mal los Richtung Nebenhalle!

 

Während ich die Menschenstopferei noch nicht erlebt habe, hat sich aber schon ein anderes Klischee bestätigt, das ich aus meinem Reiseführer kenne: dass es in Japan verpönt ist, sich die Nase zu putzen, und man daher lieber den Naseninhalt geräuschvoll hochzieht. Für meine Ohren tatsächlich ein sehr ungewohntes Spektakel, wenn eine Bahn mit Hunderten Menschen ein Nase-Hochzieh-Konzert veranstaltet. Denn wir sprechen hier nicht nur von einem dezenten "schnüff-schnüff", sondern auch von tieferen Ebenen. Wenn ich mir das Gesicht meiner Mutter vorstelle, wenn sie in dieser Bahn stünde, muss ich doch einmal kurz grinsen. Nicht falsch verstehen, das ist gar nicht abwertend gemeint: andere Länder, andere Sitten halt. Ich frage mich nur, wofür an jeder dritten Straßenecke Taschentücher an Passanten verteilt werden... ;-)

 

Der Rest der Welt spielt vor leeren Rängen

 

Jedenfalls bin ich dann doch irgendwann am Metropolitan Gymnasium angekommen. Der Weg ist nicht schwer zu finden. Und doch glaube ich nicht, dass ihn allzu viele Zuschauer oder Journalisten wagen, wenn sie nicht aus irgendeinem Grund ein besonderes Interesse an einer Mannschaft der zweiten bis fünften Division haben. Und wir sprechen hier nicht nur von Paraguay, Zambia und Malta. Hier sind auch bekannte Gesichter wie Liam Pitchford, Kamal Achanta, Jean-Michel Saive oder Bojan Tokic zu sehen, die es bei einer Einzel-WM durchaus in die späteren Runden schaffen können, deren Nationen aber leider nicht genügend andere Spieler ihres Kalibers vorzuweisen haben. 

 

Meine Befürchtung bestätigt sich: Auf den Rängen herrscht gähnende Leere, nur vereinzelt sitzen Menschen auf der Tribüne, die offensichtlich in engerer Beziehung zu den Spielern stehen. Auf der Pressetribüne finde ich einen einzigen Kollegen. Ich kann es den Leuten nicht verübeln: In der Haupthalle geht die Post ab, der Zeitplan ist eng gesteckt und um mal eben rüber zu gehen, wie das in den Westfalenhallen in Dortmund der Fall war, ist es dann doch zu aufwendig. Dabei bietet sich einem hier durchaus toller Sport sowie ein Schlaraffenland an bunten Geschichten. Wo sonst, wenn nicht hier, kann man etwas über die Tischtenniskultur exotischer Länder erfahren? Und die Spieler sind alles andere als verschlossen. Man muss sich nur an den Hallenrand stellen und wird gleich von ein paar gut gelaunten Jamaikanern angequatscht, die einem gerne Rede und Antwort stehen. Ich kann nur alle Journalisten, aber auch Zuschauer, dazu ermutigen, einmal dort vorbeizuschauen. Es ist wahrlich traurig, dass dieser Teil der Team-WM doch mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

 

(JS)

 

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