Zumindest bei der Presse nicht in Ungnade gefallen: Wang Liqin als Co-Kommentator bei CCTV (©Schäbitz)
18.05.2013 - In China ist der Erfolgsdruck noch einmal größer. Schließlich gibt es dort so viele starke Tischtennisspieler, dass allein die Ehre, das Reich der Mitte bei einer Weltmeisterschaft vertreten zu dürfen, unermesslich groß ist. Was passiert nun aber, wenn einer dieser Auserwählten patzt - oder sogar dafür sorgt, dass Serien enden, auf die China stolz sein kann? Janina Schäbitz hat heute einen Blick auf Wang Liqin geworfen, der einen schwarzen Tag hatte.
Auch wenn man meinen könnte, dass es ihnen doch langsam langweilig werden müsste, sind die Weltmeisterschaften für die Chinesen eine große Sache. Das rotgelbe Trikot zu tragen und damit das eigene Land zu vertreten, ist eine Ehrensache - vor allem auch, weil es bei der Konkurrenz schon eine Leistung ist, überhaupt teilnehmen zu dürfen. Das hat man nicht zuletzt auch an dem aufwendigen Auswahlverfahren ablesen können, mit dem China seine WM-Starter ermittelt hat - einen Startplatz für dieses Event bekommt man nun einmal nicht einfach so. Und damit stehen die Auserwählten auch unter einem gehörigen Erfolgsdruck - schließlich ist es hier nicht so wie in anderen Nationen, dass einfach niemand anders für einen Startplatz in Frage käme.
Wang Liqin, der Serienbrecher
Was passiert nun aber, wenn einer, der das wertvolle Vertrauen erhalten hat, versagt? Die Chinesen sollen ja nicht gerade zimperlich sein, wenn es ums Abliefern von Leistung geht… Wang Liqin zum Beispiel hatte heute einen schwarzen Tag. Er hat dafür gesorgt, dass gleich mehrere Serien der Chinesen mit dieser WM ihr Ende fanden. Die bedeutendste von ihnen: Zum ersten Mal seit zehn Jahren steht in einem WM-Finale kein Chinese. Das hat Wang gemeinsam mit Rao Jingwen im Mixed-Finale vergeigt. Zudem ging dieser Titel bei den letzten zwölf Weltmeisterschaften stets an das Reich der Mitte - auch mit dieser Serie ist es vorbei. Etwa zweieinhalb Stunden später dann der nächste Dämpfer: Auch im Doppelhalbfinale konnte sich Wang - diesmal mit Zhou Yu - nicht durchsetzen, was bedeutet, dass es zum ersten Mal seit acht Jahren kein rein chinesisches Doppel-Endspiel geben wird.
Puh! Was hat das jetzt für Konsequenzen für den hoch aufgeschossenen Chinesen, 'nur' mit zweimal Bronze nach Hause zu kommen? Nie wieder eine Weltmeisterschaft? Zumindest die heimische Presse scheint das dem dreifachen Einzelweltmeister nicht nachzutragen. Denn kurz nach diesen Ereignissen wurde ein fröhlich dreinschauender Wang zum chinesischen Staatsfernsehen CCTV geführt, wo er als Co-Kommentator ans Mikro durfte. Also alles offensichtlich doch nicht so schlimm. Wang Liqin hat seinem Volk in der Vergangenheit ja auch schon viel Freude bereitet - und schon alle drei möglichen Individualtitel geholt. Vielleicht passt es den Chinesen, die ja momentan viel dafür tun, um ihre Gegner stärker zu machen, ja sogar ganz gut in den Kram.
Krokodilstränen zum Salut
Und wer weiß? Wenn Wang und Rao wie erwartet gewonnen hätten, vielleicht hätten wir den ersten großen emotionalen Moment dieser WM gar nicht erlebt. Denn als Kim Jong, während zur Siegerehrung der Mixed-Doppel die nordkoreanische Nationalhymne gespielt wurde, große Krokodilstränen über die Wangen liefen, ging sicherlich vielen Zuschauern das Herzchen auf. Irgendwie auch mal schön, nicht immer nur Chinesen ganz oben auf dem Treppchen zu sehen. Und da kann ich eigentlich direkt an unsere Pro vs. Contra-Experten Jan Lüke und Lennart Wehking abgeben, die nämlich diese Woche über ein ganz ähnliches Thema diskutieren...
(JS)
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