Umkleidekabine mal anders: Wohnzimmerflair in Qingdao (©Lang)
28.05.2012 - Nachdem Jochen Lang in den vergangenen Tagen auch einmal ein bisschen Zeit hatte, sich mit Land und Leuten vertraut zu machen, ging heute der 'Ernst des Lebens' wieder los. In der chinesischen 'Büroliga' stand das zweite Spiel an und auch diesmal wartete auf den myTischtennis-Geschäftsführer ein Bekannter aus guten, alten Zeiten. Ob Jochen Lang auch diesmal den Tisch siegreich verlassen konnte und was man in China als Nicht-Nationalspieler macht, erzählt er im Blog.
Heute musste mein Team zum zweiten Mal zeigen, was es kann: Es ging gegen eine Auswahl von Qingdao, Hauptstadt der Provinz Shangdung. Das Spiel fand in Jinan statt, eine für uns Deutsche nicht so bekannte Stadt, zumal sie „nur“ 6,5 Millionen Einwohner hat... Jinan wurde deshalb gewählt bzw. war alternativlos, da an diesem Wochenende der Parteitag der Provinz abgehalten wurde und von daher ohnehin alles, was Rang und Namen hat, in Jinan versammelt war. Umso interessanter, dass wir just an diesem Wochenende das Spiel austragen konnten.
Am Vortag stand noch eine extrem wichtige Vertragsunterzeichnung des German Centers Shanghai mit der Stadt Qingdao an, die zukünftig ebenfalls ein German Center in Qingdao sehen möchte. Die zu unterzeichnende strategische Vereinbarung hatte CEO und Mannschaftskapitän Christian Sommer sehr lange beschäftigt und die Wichtigkeit konnte man unter anderem auch wieder an den Protokollfragen erkennen. Der hergerichtete Raum für die Vertragsunterzeichnung erinnerte mich an einen Staatsempfang. Nicht nur, dass es eine ganz strenge Sitzordnung gab, Dolmetscher die Reden schnell und gut übersetzten, mein Namensschild auch meinen chinesischen Namen auswies. Das Besondere waren die Fernsehkameras, die diesen Termin begleiteten und wenige Minuten später ausstrahlten. Der runde Tisch des anschließenden Essens (vorher gab es natürlich auch schon eins) hatte einen Durchmesser von etwas über sechs Metern!!!!
Das Spiel gegen die Auswahl von Qingdao wurde am nächsten Tag mit 4er-Mannschaften gespielt. Neben meinen beiden Kollegen vom ersten Spiel (Christian Sommer, früher Verbandsliga in Schleswig-Holstein, Andreas Schmidt, früher Oberliga in Saarbrücken) hatten wir noch Jochem Dobiasch aufgestellt, ein früherer Verbandsligaspieler aus Baden. Unter anderem weil sich das Ergebnis gegen die Bezirksregierung von Pudong herumgesprochen hatte, wollte das Team aus Qingdao eine möglichst starke Mannschaft stellen. Auch daher hatte sich das eigentlich aus Politikern und Wirtschaftsförderern bestehende Team verstärkt. Als Nr. 1 spielte Pan Gang, mir selbst aus zwei Regionalliga-Einzeln von vor ca. acht Jahren bekannt. Damals hatte Pan Gang die beste Bilanz in der Regionalliga West und ich hatte einmal gegen ihn gewonnen und einmal verloren. Mittlerweile betreibt er in Qingdao eine TT-Schule und ist Handelsvertreter einer TT-Marke in China. Aber auch er spielt nur noch unregelmäßig selbst, da für Spieler seiner Spielklasse in China die Anreize fehlen. Ein richtiges Ligensystem unterhalb der TOP-Liga gibt es nicht und offensichtlich auch keine vergleichbaren Turniere für Spieler der zweiten Reihe.
Die Begegnung in Jinan wurde in einem großen Sportcenter, das ich von außen eher als Einkaufszentrum wahrgenommen hatte, ausgetragen. Die Halle, die wir nutzten, ist ständig für Tischtennis reserviert und verfügte selbstverständlich über roten Boden (wie im Übrigen auch der Fahrstuhl dorthin!). Unsere Umkleide (siehe Foto) hatte Wohnzimmercharakter. Da diese Begegnung auch etwas von einem Freundschaftsspiel hatte, wurde das Spielsystem anfangs neu verhandelt. Diesmal war unser Gegner insgesamt ausgeglichener besetzt. Allerdings konnte ich auch diesmal meine Spiele siegreich gestalten. Pan Gang traf zwar ab und an seinen VH-Topspin wie früher, war insgesamt aber zu unsicher, so dass ich 11:9, 11:7 und 11:3 gewann. Die beiden anderen Einzel gewann ich ebenfalls 3:0, wobei ein Penholder-kurze-Noppen-Spieler noch ab und an gefährlich wurde. Diese beiden Gegner konnten ihre anderen Einzel gegen uns jeweils gewinnen.
Ob die Spiele einen repräsentativen Charakter hatten, mag ich nicht beurteilen. Allerdings scheint es wirklich so zu sein, dass diejenigen Chinesen, die keine Chance haben, international in der Nationalmannschaft eingesetzt zu werden oder aber langfristig im Ausland ihr Geld zu verdienen, schnell aufhören, regelmäßig zu trainieren. Auch in den rund um die Spiele geführten Gesprächen wurde mir der Eindruck vermittelt, dass es entweder TOP-Spieler gibt oder ein Heer von Hobby-Spielern, die mehr oder weniger regelmäßig spielen und auch an diversen „Hobby“-Einzelturnieren teilnehmen.
Fazit: TT-mäßig hatte ich es mir bisher schwieriger vorgestellt, ansonsten begeistert mich China allerdings zunehmend.
(Jochen Lang)
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