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Alex' Blog: Para-Sportler die stärkeren Olympioniken?

Verdienen Anerkennung für ihre sportlichen Leistungen: Parasportler Valentin Baus und Thomas Schmidberger. (©ITTF)

09.09.2024 - Seit Sonntag ist das Feuer endgültig aus in Paris. Mit den Paralympics endete das zweite große Multisport-Event des Jahres in der französischen Hauptstadt. Deutschlands Tischtennisspieler kamen mit einmal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze zurück - und brachten damit fünf Medaillen mehr nach Hause als Timo Boll und Co. Statt verdienter Anerkennung ernten sie jedoch häufig Hohn und Spott. myTschtennis.de-Redakteurin Alex Thätner denkt darüber nach, ob Parasportler nicht eigentlich die stärkeren Olympioniken sind.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Valentin Baus erstmals bewusst wahrgenommen habe. Es war auf einigen Turnieren, bei denen ich vor vielen Jahren als Nachwuchsspielerin teilgenommen habe. Er war derjenige im Rollstuhl. An der Bande immer mit dabei: sein Vater - ebenfalls Rollstuhlfahrer. Ein Duo, das auffiel. Im Gegensatz zu mir hat Valentin Baus es geschafft. Er ist Leistungssportler, feiert große Titel, ist Paralympics-Sieger von 2021. Von seiner Glasknochenkrankheit hat er sich nicht aufhalten lassen.

Das, was Para-Sportlerinnen und -sportler leisten, ist weit mehr als "wer als Letztes ertrinkt, hat halt gewonnen", bezogen auf die verbale Entgleisung von Luke Mockridge. Dabei sind es nicht nur vereinzelte Komiker, die unsägliche Witze auf Kosten anderer machen. Auch in unseren eigenen Kommentarspalten finden sich Äußerungen, die an menschenverachtender Widerwärtigkeit kaum zu überbieten sind. Ich könnte mich an dieser Stelle in Rage schreiben. Ich vestehe wirklich nicht, was so schwer ist, andere Menschen einfach in Frieden ihr Leben leben zu lassen.

Herausragende Leistungen trotz körperlicher Einschränkungen

Dabei ist die Wahrheit doch eigentlich die: Da gibt es Hochsprung-Athleten, die auf einem Bein hüpfend Anlauf nehmen und über Höhen fliegen, unter denen ich durchlaufen würde, statt darüber zu springen. Da gibt es Schwimmer, die ohne Gliedmaße schneller und weiter schwimmen, als ich jemals könnte ohne unterzugehen. Und es gibt Tischtennis-Spielerinnen und -Spieler, die im Rollstuhl sitzend deutlich weniger beweglich am Tisch sind als ich und dennoch die sehenswerteren Rallyes spielen.

Und bei all dem ist noch nicht berücksichtigt, was für eine enorme mentale Leistung dem Ganzen voran gehen muss, bevor diese Athletinnen und Athleten im Leistungssport durchstarten können. Jana Spegels neuromuskuläre Erkrankung etwa erschwert ihr zunehmend das Laufen. Oder Thomas Schmidberger, der aufgrund eines Unfalls seit seinem fünften Lebensjahr querschnittsgelähmt ist und sich mit einem Rollstuhl fortbewegt - plötzlich rausgerissen aus dem Leben. Beide müssen also nicht nur mit den körperlichen Beeinträchtigungen und gesellschaftlichen Einschränkungen zurechtkommen (als wenn das nicht schon genug wäre), sondern auch noch damit, dass sie durchaus ein Leben ohne oder zumindest mit weniger körperlichen Einschränkungen kennen.

Zu wenig Aufmerksamkeit für die Leistung der Parasportler

Ich kann mir nicht vorstellen, was es heißt, trotz solcher Schicksalsschläge oder anderer Erkrankungen seinen Lebensmut zu bewahren oder ihn sich zurückzuholen, sich nicht selbst aufzugeben. Doch unsere Parasportler haben sich nicht unterkriegen lassen, Kampfgeist bewiesen und sich ein Leben im Leistungssport aufgebaut, das ihnen vermutlich viele nicht zutrauen - und bekommen dafür kaum die verdiente Aufmerksamkeit.

Ich will mich da selbst gar nicht ausnehmen. Auch ich verfolge den Parasport deutlich weniger als den Regelsport. Und ja, jetzt nach den Paralympics wird es wahrscheinlich nochmal weniger. Das ändert aber nichts daran, dass ich mich mit Menschen mitfreuen kann, die Erfolge feiern können, für die sie hart gearbeitet haben.

Sind Para-Sportler nun also die eigentlich stärkeren Olympioniken? Ich denke nicht. Es ist niemandem geholfen, Menschen gegeneinander auszuspielen und auf- oder abzuwerten. Gerade weil die Leistungen so schwer miteinander zu vergleichen sind, gibt es Olympische UND Paralympische Spiele. Und dennoch: Ich ziehe meinen Hut vor der Leistung von Paralympics-Siegerin Sandra Mikolaschek und ihren Teamkolleginnen und -kollegen. Und zwar nicht nur vor der sportlichen Leistung, sondern insbesondere davor, wie sie sich im Leben nicht unterkriegen lassen.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch Sandra zum Titel und euch, Valentin, Thomas, Stephanie und Juliane zu euren Medaillengewinnen. Ihr habt euch diese Erfolge dank eurer intensiven Arbeit verdient. Und Chapeau an all die Athleten, für die es diesmal nicht zum Erfolg gereicht hat und die trotzdem wieder angreifen werden - ihr seid echte Vorbilder!

Wie bewerten Sie die Leistungen der DBS-Athleten? Berichten Sie darüber gerne in der Kommentarzeile. 

(AT)

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