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Blog: "Sportswashing" im Tischtennis kein Thema

Saudi-Arabien richtet einen Grand Smash mit Rekord-Preisgeld aus (©ITTF)

15.04.2024 - In anderen Sportarten werden die milliardenschweren Investitionen, die Saudi-Arabien aktuell in viele Spitzensport-Events steckt, kritisch verfolgt. Aber auch im Tischtennis hat sich der autokratische Staat mit dem Grand Smash im Mai ein Top-Turnier gesichert und lockt mit einem Rekord-Preisgeld von zwei Millionen US-Dollar. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz analysiert in ihrem Blog, wie der Tischtennissport mit dem Thema „Sportswashing“ umgeht.

Seit Längerem stolpere ich immer wieder über den Begriff „Sportswashing“. Am häufigsten wahrscheinlich während der Fußball-WM 2022 in Katar, als die deutschen Medien wochenlang in Aufruhr waren. Aber auch neulich begegnete mir das Wort wieder in meiner Tageszeitung, als ich von der Vergabe des Jahres-Abschlussturniers im Damentennis, der WTA-Finals, an Saudi-Arabien las. Der Kollege zählte die diversen Sportarten auf, in denen das monarchische Königreich in den vergangenen Jahren an Einfluss gewonnen und sich die Ausrichtung wichtiger Wettbewerbe gesichert hat - vom Boxsport über Golfturniere bis hin zu Formel-1-Rennen. Und nun auch ein wichtiges Tennisturnier, das, wenn es nach den Saudi-Arabern geht, erst der Anfang sein soll. Eine Sportart wurde in dem Artikel dagegen nicht erwähnt, die in wenigen Wochen ebenfalls ein bedeutendes Event im Wüstenstaat austrägt. Sie wissen, wovon ich rede? Richtig, am 1. Mai 2024 beginnt das Saudi Smash, bei dem es um ein Rekord-Preisgeld von zwei Millionen US-Dollar und 2.000 Weltranglistenpunkte für den Gewinner geht - so viele wie bei den Olympischen Spielen.

Image-Aufbesserung durch den Sport

Warum ist das nun problematisch? Nun, einigen autokratischen Staaten, darunter auch Saudi-Arabien, wird seit Längerem vorgeworfen, sich mithilfe des Sports ein besseres Ansehen in der Welt verschaffen zu wollen, um zum Beispiel davon abzulenken, dass in dem Land Menschenrechte verletzt werden. Eine Image-Aufbesserung quasi, die mit den meist positiven Schlagzeilen im Sportteil erreicht wird, auch „Sportswashing“ genannt. Im Fall von Saudi-Arabien liegen etwa Themen wie die Anwendung der Todesstrafe, Verletzungen der Rechte von Frauen oder die Einschränkung der freien Meinungsäußerung, um nur ein paar zu nennen, in der einen Waagschale. Und Tischtennis gehört nun auch zum sportlichen Portfolio, mit dem sich die Monarchie in der anderen Waagschale schmücken kann.

Natürlich hat Tischtennis nicht die Strahlkraft wie andere millionenschwere Sportarten, um die sich Saudi-Arabien schon bemüht hat. Aber gerade in den asiatischen Nationen ist die Wichtigkeit von Tischtennis eben doch nicht zu unterschätzen. Und so stellt sich auch hier die Frage, ob diese Entwicklung nicht auch im Tischtennis besorgniserregend ist. In unserer Sportart interessiert so was allerdings recht selten. Im Rahmen der Fußball-WM 2022 in Katar gab es zumindest in Deutschland große Diskussionen wegen der Menschenrechtslage in diesem Land. Der Tischtennissport ist dort seit Jahren regelmäßig zu Gast, ohne das zu hinterfragen, und wird nächstes Jahr sogar seine WM in Doha ausrichten. Und was ist eigentlich mit China? Auch die Volksrepublik gehört zu den Nationen, die meist genannt werden, wenn es um das Thema „Sportswashing“ geht, und die zum Beispiel während der Olympischen Winterspiele 2022 und im Fall der Tennisspielerin Peng Shuai, sehr kritisch beäugt wurde. Im Tischtennis, das ohne China kaum denkbar ist, wo Stars wie Ma Long, Fan Zhendong und Co. weltweit gefeiert werden und das viele wichtige Turniere an die Chinesen vergibt, ist das Wort „Menschenrechte“ in dem Zusammenhang meines Wissens nach noch nicht gefallen. Warum also Saudi-Arabien einen Vorwurf machen, wenn es doch auch sonst in diesem Sport nicht getan wird?

Im Sinne des Erfinders?

Man muss sich wohl eingestehen, dass WTT darauf angewiesen ist, seine Top-Events auch an autokratische Länder zu vergeben, weil die Anforderungen der Veranstaltungen an die Gastgeber so hoch - und der Ertrag dabei zu gering - sind, als dass andere Nationen sich die Austragung leisten könnten oder wollten. Anstatt das hinzunehmen, könnte man natürlich auch hier hinterfragen, ob das im Sinne des Erfinders ist. Aber Tischtennis bleibt auch in diesem Fall in seiner kleinen Nische und geht diesen unbequemen Themen mühelos und unbemerkt aus dem Weg.

(JS)

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