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Blog: Plötzliche Kehrtwende des Weltverbands

Teamevents könnten nun wieder attraktiver werden (©ETTU)

13.11.2023 - Im Jahr 2021 hat der Tischtennissport im Profi-Bereich einen großen Schritt Richtung Individual-Disziplin gemacht. Damals wurde die Weltranglistenberechnung an das neue Turniersystem WTT angepasst und Mannschaftswettkämpfe verschwanden aus dem Ranking. Vorige Woche überraschte die ITTF nun mit der Meldung, Teamwettkämpfe wieder in die Berechnung mit einbeziehen zu wollen. Für myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz ein interessantes Bekenntnis zum Teamsport.

Tischtennis war und ist beides: Individual- und Mannschaftssport. Will es das künftig auch sein? Oder soll sich der Profi-Sport mehr auf die Individual-Disziplinen konzentrieren, während Amateursportler weiterhin vor allem in Mannschaften antreten? Oder ist das Konzept „Mannschaftssport“ im Tischtennis eh Augenwischerei, weil man am Ende ja doch alleine - oder im Doppel zu zweit - am Tisch steht und nicht wie beim Basketball oder Fußball bei jeder Aktion und jedem Punkt mit vielen Teamkameraden gemeinsam am Erfolg arbeitet? Die Frage ist uralt und wurde schon oft thematisiert. Für den Leistungsbereich hatte der Weltverband im Jahr 2021 darauf eine deutliche Antwort gefunden: Nach der Einführung des neuen Turniersystems „World Table Tennis“ wurde die Berechnung der Weltrangliste dahingehend modifiziert, dass mit Einzeln, die bei Team-Events gewonnen wurden, keine Punkte für das internationale Ranking mehr geholt werden konnten. Eine klare Stärkung der Individualturniere also.

Marschroute Richtung Individualsport

Teamwettbewerbe gab es danach zwar auch weiterhin. Die Attraktivität dieser Turniere sank bei den Topspielern aber. Für Leistungssportler sind Weltranglistenpunkte schließlich eine äußerst wichtige Währung, die etwa die Tür zu den Olympischen Spielen öffnen kann. Und diese Punkte bekommt man vor allem auf der WTT-Tour. Dass sich Sportler, die sich ihren Turnierkalender sorgfältig zusammenbasteln, um das Bestmögliche für sich rauszuholen, ihre Prioritäten dann vielleicht anders legen als vor dieser Reform, ist verständlich. Die Marschroute des Weltverbands erschien klar: Er wollte den Fokus im Leistungsbereich wie im Tennis auf den Einzelsport legen - und damit arrangierte man sich.

Doch jetzt kam eine überraschende Wende. Schon Ende August hatte die ITTF die Wiedereinführung des World Team Cups, allerdings im neuen Mixed-Format, angekündigt. Vergangene Woche verkündete sie, dass es in diesem Mannschaftswettbewerb auch wieder Punkte für die Individual-Weltrangliste zu gewinnen gibt. Und dass man auf dieser Grundlage darüber nachdenkt, diese Regelung auch auf andere Team-Events zu übertragen. Zum einen weil man dem Mixed Team World Cup eine große Bedeutung beimisst, zum anderen weil man die Leistung von Spielern möglichst umfassend bewerten können und das Prestige von Mannschaftswettbewerben steigern wolle. 

Richtige Entscheidung

An dieser Meldung überraschten mich zwei Dinge: Erstens, dass die Integration von Mannschaftswettbewerben in die Individual-Weltrangliste als „neue Innovationsebene“ und „bahnbrechende Entscheidung“ verkauft wird. Es ist noch nicht einmal drei Jahre her, dass dies noch gang und gäbe war, woran sich viele sicher noch gut erinnern können. Zweitens frage ich mich, in welche Richtung der Weltverband denn nun eigentlich steuert. Auch wenn es einem missfallen kann, dass die Tendenz weg vom Mannschaftssport ging, schien man wenigstens einer klaren Linie Richtung WTT-Individualwettkämpfen zu folgen. Die neuesten Entwicklungen hinterlassen aber Fragezeichen über dem Kopf: Hat man gemerkt, dass die Topspieler sich nicht mehr locken lassen, wenn es keine Weltranglistenpunkte gibt, und spielt nun diese Karte, damit das neue Event kein Flop wird? Oder hat der Weltverband wirklich sein Herz für den Mannschaftssport wiedergefunden? In meinen Augen ist der Schritt, welche Hintergründe auch immer dazu geführt haben mögen, allerdings richtig. Wie eingangs erwähnt, ist Tischtennis ein Zwischending aus Individual- und Teamsport. Wenn man die Profis in Richtung Individualsport gehen lassen will, ist das vertretbar. Aber solange es noch Teamwettbewerbe auf Profi-Ebene gibt, sollten die Spieler dafür auch Weltranglistenpunkte bekommen. Denn auch die Einzel bei einer Mannschafts-WM helfen dabei, die Spielstärke eines Spielers einzuordnen - und genau dafür sollte eine Weltrangliste ja da sein. 

(JS)

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