20.06.2022 - Fast elf Wochen mussten die internationalen Stars nun darauf warten, bei einem WTT-Turnier der Kategorie Contender oder höher auf Punktejagd zu gehen. Nach dieser Flaute drückte WTT in der vergangenen Woche nun das Gaspedal durch und veranstaltete gleich zwei Events zur selben Zeit. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz sieht die eigenen Ansprüche von WTT bislang nicht erfüllt und wünscht sich eine ausgewogenere Profi-Tour.
Waren Sie in den vergangenen Wochen auch ein bisschen auf Entzug? Ein Jugendturnier von World Table Tennis jagte das andere, teilweise wurden die Nachwuchswettkämpfe sogar parallel ausgerichtet und so organisiert, dass eifrige Talente an beiden gleichzeitig teilnehmen konnten. Die erwachsenen Topspieler hatten dagegen Pause. Seit dem Star Contender in Doha Ende März hat kein WTT-Turnier der Kategorie Contender oder höher mehr stattgefunden, die einzigen internationalen Erwachsenenwettbewerbe im April und Mai waren die beiden Feeder-Turniere in den USA. Diese sollen per Definition ja aber eigentlich eine Übergangsstufe zwischen den Youth- und Contender-Events in der WTT-Turnierstruktur darstellen und sind somit nicht die richtige Bühne für die besten Spieler der Welt. Was haben die Fan Zhendongs, Chen Mengs, Timo Bolls oder Han Yings also in den vergangenen zweieinhalb Monaten getan? Jedenfalls keine Weltranglistenpunkte gesammelt oder Geld auf der Tour verdient, so viel steht fest.
Von null auf 220 km/h
Und nun, nach fast elf Flautewochen, geht es endlich wieder los - dann aber gleich mit zwei Contender-Turnieren, die zeitgleich in Zagreb und Lima stattfinden und so gut besetzt sind, dass man kaum weiß, wo man hinschauen soll. Dimitrij Ovtcharov, Dang Qiu und Nina Mittelham in Peru? Oder lieber Patrick Franziska, Han Ying und Shan Xiaona in Kroatien? Ein Glück, dass es die Zeitverschiebung gibt, dann fanden die Spiele zumindest meistens nicht auch noch parallel statt. Aber soll das so sein? Zehneinhalb Wochen null km/h auf dem Standstreifen und dann plötzlich 220 auf der Überholspur? World Table Tennis lässt sich da nicht so recht in die Karten schauen. Während man sich den vollen, aber zumindest ausgewogenen Turnierkalender der ITTF World Tour früher praktisch ein Jahr im Voraus anschauen konnte, werden bei WTT die Events nur peu à peu auf der Webseite veröffentlicht. Nun ist die Hälfte des Jahres 2022 fast vorbei und wir haben vier Contender-, ein Star-Contender-Turnier und einen Grand Smash gesehen. Nach WTT-Handbuch sind im ganzen Jahr allerdings 14 Contender, sechs Star Contender, zwei WTT Cup Finals, acht WTT Champions und vier Grand Smashes geplant. Das verspricht, eine knackige zweite Jahreshälfte zu werden, für die bisher aber auch nur zwei Contender, ein Star Contender und ein Champions-Turnier in den Kalender eingetragen wurden.
Ich frage mich, wo das Problem liegt. Ist es noch die Corona-Pandemie, trotz derer in vielen Staaten inzwischen eine gewisse Normalität eingekehrt ist, aber mit der zum Beispiel China noch arg zu kämpfen hat? Oder sind es neue Standards, die mit der Umstellung auf World Table Tennis einhergingen und die von weniger Gastgebern zu erfüllen sind? Ich kann die Frage nicht beantworten, aber das Gefühl, dass „WTT ihre Mission, Tischtennis neu zu definieren, sich neu vorzustellen und neue Energie zu verleihen, fortführt“, wie es Ende Mai in einer Pressemitteilung hieß, habe ich nicht. Damals ging es um die Ankündigung des zweiten Grand Smashs in Budapest, das inzwischen aber schon wieder abgesagt und durch drei kleinere Events ersetzt wurde. Ich werde das Gefühl nicht los, dass seit der Umstellung auf WTT vor allem Chaos herrscht - zumindest was die Planung, nicht was die Durchführung angeht. Anfangs ging das sicher auf das Konto der Pandemie, für die WTT nichts konnte und die für den Start in eine neue Ära des Tischtennissports zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt kam. Aber jetzt langsam erholt sich die Sportwelt von der Zwangspause und auch in anderen Sportarten geht alles wieder seinen geregelten Gang. Warum dann nicht auch im Tischtennis?
Bereit für die neue Ära
Ich kann nur sagen, dass ich diese Entwicklung sehr schade finde. Früher haben die Profis oft darüber geklagt, dass der Terminkalender so voll ist. Aber so gar keine Möglichkeit zu haben, sich zu präsentieren und Weltranglistenpunkte zu sammeln, dürfte ihnen auch nicht recht sein. Obwohl dieser auch seine Probleme hatte, wünsche ich mir inzwischen den geordneten World-Tour-Kalender zurück, als die Turniere noch nacheinander stattfanden und man fast über das ganze Jahr hinweg irgendwo auf der Welt Tischtennis vom Feinsten verfolgen konnte. Man kann nur hoffen, dass dies alles noch unter der Überschrift „Startschwierigkeiten“ läuft, auch wenn WTT nun schon seit über einem Jahr die Zügel in der Hand hält. Wir sind bereit für die versprochene, tolle neue Ära des Tischtennissports!
(JS)
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