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Janinas Olympia-Blog: Ohne Samba, aber sicherer

Eine Atmosphäre wie bei der WM 2017 in Düsseldorf wird es in Tokio nicht geben (©Fabig)

12.07.2021 - Sportliche Leistungen sind nur ein Teil des bewährten Rezepts für erfolgreiche Olympische Spiele. Einen anderen, ganz entscheidenden Teil machen die Sportbegeisterten vor und hinter den Kulissen aus, die sich in der Olympiastadt treffen. Nachdem im März bereits die ausländischen Zuschauer ausgeladen worden sind, steht nun fest, dass die Wettkämpfe in Tokio vor leeren Rängen stattfinden werden. Für Redakteurin Janina Schäbitz, die nächste Woche nach Japan fliegt, ist das die richtige Entscheidung.

Tischtennis ist nicht unbedingt eine Sportart, die man mit grölenden Fans und vor Zuschauern berstenden Tribünen in Verbindung bringt. Wer schon einmal mit einem Tischtennis-Outsider zu einem Spiel - egal in welcher Liga - gegangen ist, wird womöglich auch die Rückmeldung erhalten haben, dass es gar nicht so einfach ist, herauszufinden, nach welchen Punkten überhaupt gejubelt werden darf und nach welchen nicht. Nichtsdestotrotz habe ich schon einige Gänsehautmomente in Tischtennishallen erlebt, für die nicht nur die Spieler an den Tischen gesorgt haben, sondern ganz explizit auch die Zuschauer auf den Rängen. Ich erinnere mich da etwa an die tolle Atmosphäre bei der WM 2017 in Düsseldorf, die überraschend am letzten WM-Turniertag in Kuala Lumpur von einem Sponsor organisierten China-Fans, die die bis dahin weitgehend leer gebliebenen Tribünen und die Halle plötzlich mit ohrenbetäubendem Jubel füllten, oder an die schwedischen Sambatruppen in Halmstad 2018, die den Spielern konzentrationstechnisch einiges abverlangten.

Bitter, aber richtig

Samba passt wohl auch zur Stimmung bei den letzten Olympischen Spielen in Rio, bei denen ich nicht live vor Ort dabei war. Für mein Olympia-Debüt in nicht einmal mehr zwei Wochen in Tokio hatte ich mir ursprünglich auch eine Gänsehaut-Atmosphäre erhofft. Und das natürlich nicht nur für mich, sondern vor allem für die Sportler, die seit fünf Jahren dafür arbeiten, sich in Japan zu präsentieren, und von denen einige ihre ersten und andere auch ihre letzten Olympischen Spiele erleben werden. Seit vergangener Woche steht nun fest, dass die Athleten bei dieser besonderen Olympia-Ausgabe allerdings weitgehend unter sich bleiben werden. Nachdem die ausländischen Gäste schon im März ausgeladen worden waren, lässt man die Hallentore nun auch für die einheimische Bevölkerung zu. Das ist eine traurige Entscheidung für die Sportler, die ihre Erfolge somit nur mit ihrem Team feiern können, und für die japanischen Sportfans vor allem in Tokio, die gebeten werden, während der ‚Spiele‘ möglichst zu Hause zu bleiben. Aber es ist genau die richtige. Denn die Gesundheit ist eindeutig wichtiger als ein Sportereignis.

Wer in den letzten Tagen die Halbfinals und das Endspiel der Fußball-EM im Londoner Wembley-Stadion verfolgt hat, mag sich fragen, warum man in Japan, wo der Inzidenzwert knapp über zehn liegt, nicht lockerer damit umgeht. Doch welcher Grund auch immer der entscheidende war, die Japaner, von denen erst 15 Prozent bisher den doppelten Impfschutz erhalten haben und von denen zeitweise etwa 80 Prozent gegen die Austragung der Olympischen Spiele in diesem Sommer waren, nicht auf die Zuschauerränge zu lassen - ich begrüße den Schritt. Dieses sowieso schon halsbrecherische Unterfangen, zehntausende Menschen aus aller Herren Länder mitten in einer Pandemie in eine Millionenstadt zu holen, wird nicht ungefährlicher, wenn auch noch zehntausend Einheimische auf den Tribünen sitzen und dieselbe Luft atmen. Es ist natürlich bitter und ironisch, wenn man als Gastgeber dieser ungewöhnlichen Spiele die Gefahren zwar mittragen muss, aber nicht in den Genuss kommt, dann wenigstens die Wettkämpfe live zu erleben. Aber es ist gerade auch zum Schutz der Bevölkerung der sicherere Weg - zumal die sicherste Variante, die 'Spiele' abzusagen, zu diesem Zeitpunkt keine Option mehr sein dürfte.

Besser Geisterspiele als Superspreading-Event

Viele Tischtennisspieler hatten in den vergangenen Monaten mehrfach die Gelegenheit, sich an Geisterspiele zu gewöhnen. Nichtsdestotrotz ist auch klar, dass so mancher eher über sich hinauswächst, wenn ihm Tausende zujubeln. In Tokio werden alle Sportler gleichermaßen mit diesen Bedingungen zurechtkommen müssen und ich denke, das ist das kleinere Übel als die Gefahr noch zu erhöhen, dass die Olympischen Spiele 2021 zum Superspreading-Event werden. Eine Atmosphäre wie in Düsseldorf 2017, in Paris 2013 oder auch bei der WM in Tokio 2014 hätte es wohl auch ohne diese Entscheidung übrigens nicht gegeben. Jubeln, Rufen und Singen sind laut Playbook - dem Regelwerk zum pandemiegerechten Verhalten während der Spiele - nicht erlaubt. Da hätte wohl höchstens die schwedische Sambatruppe punkten können.

(JS)

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