Blog

Janinas Blog: Endlich etwas Abwechslung auf dem Podest!

Emotionen pur - die Underdogs Alvaro Robles und Ovidiu Ionescu stehen im Finale (©Thomas)

26.04.2019 - Diese WM ist wirklich außergewöhnlich. Fan Zhendong raus, Tomokazu Harimoto raus, ein Qualifikant im Einzelhalbfinale. So viele Überraschungen und Favoritenstürze und so viele Nicht-Chinesen im Endspiel hatten wir bei einer Weltmeisterschaft selten. myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz macht sich darüber Gedanken, wie es zu dieser Konstellation kommt und ob dies gut für das Turnier und den Sport ist.

Bei welcher WM hatten wir das schon einmal? In allen Konkurrenzen außer im Dameneinzel wird es in diesem Jahr ein Endspiel mit mindestens einem Nicht-Chinesen geben. Das mutet seltsam an, schließlich kennen wir es von den Weltmeisterschaften der vergangenen Jahre, sogar Jahrzehnte, ganz anders. Ob es Wang Liqin und Ma Lin, Wang Hao und Zhang Jike, Ding Ning und Li Xiaoxia waren - am Ende sind die Chinesen doch meistens unter sich, um den Weltmeistertitel auszuspielen. Man stelle sich vor: Das letzte Mal, dass im Damen-Doppel ein nicht-chinesisches Duo im Finale stand, war 1987. Was ist also dieses Jahr passiert? 

Wenn die Losfee entscheidet

Ein wichtiges Stichwort lautet hier „Auslosung“. Im Damen-, Herren- und Mixed-Doppel wurden alle chinesischen Duos in jeweils eine Hälfte gelost, während im Herren-Einzel nur Xu Xin in der unteren Hälfte wartete. Somit stand schon vor Beginn der Hauptrunde fest, dass der Weg ins Finale auf der einen Seite des Feldes nicht ganz so hürdenreich sein würde wie auf der anderen. Wie recht die Spieler und Trainer mit der standardmäßigen Aussage vor Turnieren, „wir hoffen auf eine gute Auslosung“, haben, wurde in diesem Jahr äußerst offensichtlich. Denn während sich die eine Seite plötzlich große Chancen auf eine Medaille oder sogar mehr ausrechnen konnte, wurde der Weg bis zum Treppchen auf der anderen Seite unheimlich steinig.

Wie kommt man an eine gute Auslosung? Klar, Glück spielt eine Rolle. Aber auch die Setzung ist entscheidend. Wenn zwei Chinesen topgesetzt sind, wird es nicht passieren, dass sie sich vor dem Finale begegnen. Doch da sich die Setzung an der Weltrangliste orientiert und diese durch das neue System etwas anders funktioniert als früher, kann einem der amtierende Weltmeister Ma Long, der nur an Position elf gesetzt ist, plötzlich deutlich früher begegnen. Im Doppel und Mixed holt man Punkte für die Weltrangliste, indem man oft erfolgreich - und am besten gemeinsam - in der jeweiligen Konkurrenz antritt. So kommt es, dass Duos wie Lubomir Pistej und Barbora Balazova weit oben in der Setzliste der WM stehen, Fan Zhendong und Ding Ning aber zum Beispiel in die Vorrunde mussten, obwohl sie im Einzel sehr viel besser einzustufen sind. Ob es aus sportlicher Sicht gut für ein Turnier ist, wenn es dadurch zu sogenannten ‚vorgezogenen Endspielen‘ in früheren Runden kommt, kann man diskutieren. Aus Zuschauersicht hat der Wettbewerb meiner Meinung nach dadurch allerdings immens an Attraktivität gewonnen. Wenn eine Weltmeisterschaft in den letzten Runde wie eine chinesische Meisterschaft anmutet, ist das ohne Frage verdient und gerecht, kann aber für Nicht-Chinesen auch leicht eine Spur langweilig werden. 

Abwechslung tut dem Sport gut

Was bei dieser WM noch dazu beiträgt, dass etwas Abwechslung in den späteren Runden herrscht, sind die vielen Favoritenstürze. Ist die Weltspitze in letzter Zeit näher zusammengerückt oder was ist der Grund dafür? Tatsache ist, dass nach den Erfahrungen der vergangenen Tage kaum mehr jemand sicher erscheint. Xu Xin fliegt gegen Simon Gauzy aus dem Wettbewerb, Tomokazu Harimoto muss dem koreanischen Qualifikanten An Jaehyun gratulieren und der Weltranglistenerste Fan Zhendong fährt ebenfalls ohne Einzelmedaille nach Hause. Und dann kommt auch noch Timo Bolls Krankheit dazu, die dem einen oder anderen den Weg zur Medaille kampflos erleichtert. So ist dann zu erklären, warum diesmal zum Teil völlig andere Spieler um Medaillen mitkämpfen als sonst. In einem Sport, der im Spitzenbereich normal so wenige Überraschungen zulässt, ist das für mich sehr erfrischend. Wenn sich Simon Gauzy gegen einen Topchinesen durchsetzt oder sich Alvaro Robles und Ovidiu Ionescu eine Medaille im Doppel erkämpfen, ist das meiner Meinung nach gut für den Sport. Das sind Dinge, die nicht vorhersehbar sind, die das Turnier spannend und aufregend machen. Und was ganz entscheidend ist: Für diese Spieler ist das etwas ganz Besonderes. Da sind eine Menge Emotionen im Spiel, die sich auch auf das Publikum übertragen. So, wie zum Beispiel Robles und Ionescu ihren Einzug ins Halbfinale  und dann sogar ins Endspiel gefeiert haben und man einfach gesehen hat, wie viel ihnen dieser Moment gerade bedeutet, kann man sie doch nur ins Herz schließen und Sympathien entwickeln. Da ist es völlig egal, ob man jetzt aus Spanien, Rumänien oder Panama kommt. 

Das hilft, dass Zuschauer beim nächsten Spiel vielleicht wieder einschalten oder vorbeikommen. Und es sorgt dafür, dass auch in diesen Ländern die Tischtennis-WM vielleicht mal in die Presse kommt und etwas Aufmerksamkeit erlangt. Diese WM mag seltsam sein, voller böser und guter Überraschungen stecken. Aber sie macht Spaß. Unserem Sport tut ein bisschen Unvorhersehbarkeit und Abwechslung ganz gut. Und ich hoffe, dass wir auch an den letzten beiden Turniertagen noch ein paar unerwartete Ergebnisse sehen werden.

(JS)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2025 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.