Zusammen sind wir stark! So zogen die Kroaten unverhofft ins Achtelfinale ein (©ITTF)
03.05.2018 - Manchmal kann Migräne auch Gutes bringen. Zum Beispiel dann, wenn man dadurch mal Zeit dafür findet, sich in Ruhe einen Überblick über die bisherigen WM-Ergebnisse jenseits der deutschen Spiele zu verschaffen. Und so fiel myTischtennis.de-Redakteurin Janina Schäbitz in ihrer Zwangsauszeit heute Morgen die Vielzahl an Spielern ins Auge, die in Halmstad über sich hinauswachsen. Für sie ist dies keine Konsequenz der guten Seeluft, sondern eines gesunden Teamspirits.
Ein Tag kann besser beginnen als mit einem Migräneanfall, der einen trotz des schönen Sonnenscheins die Vorhänge wieder schließen lässt und zurück ins Bett schickt. Vor allem, wenn ein paar Kilometer weiter die entscheidenden Gruppenspiele in der Herrenvorrunde stattfinden. Doch während ich nicht schlafen könnend in meiner Ibuprofenwolke lag und es nicht lassen konnte, doch noch einmal durch die Ergebnisse der letzten Turniertage zu scrollen, hatte ich eine Erkenntnis: Wahnsinn, wie viele Spieler hier bisher über sich hinauswachsen! Da wären die Rumäninnen, die am letzten Vorrundentag erst Gruppenkopf Taiwan und dann Wundertüte Nordkorea schlugen, indem Elizabeta Samara (25.) beispielsweise die Weltranglistenachte Cheng I-Ching besiegte und Bernadette Szöcs (39.) die Nummer 14, Chen Szu-Yu, überwältigte. Oder natürlich die Engländer, die bisher ungeschlagen sind und auf ihrem Weg zum Gruppensieg Japan und Taiwan hinter sich ließen. Liam Pitchford, der in der Weltrangliste auf dem 52. Platz zu finden ist, hat bisher Jun Mizutani (11.), Tomokazu Harimoto (13.), Chuang Chih-Yuan (16.), Chen Chien-An (30.) und Vladimir Samsonov (37.) geschlagen. Oder nehmen wir die Brasilianer, die in der Vorrunde nur gegen China verloren. Klar, die Südamerikaner haben mit Hugo Calderano einen absoluten Spitzenspieler in ihren Reihen, aber einer alleine gewinnt halt keinen Teamwettkampf. Gustavo Tsuboi, 54. der Welt, ließ die Nummer 15, Marcos Freitas, hinter sich, Eric Jouti (98.) schlug den Weltranglisten-36., Tiago Apolonia - und mit vereinten Kräften besiegte man auch Nordkorea mit 3:0.
Was soll uns das jetzt sagen? Dass Weltmeisterschaften ihre eigenen Gesetze haben? Dass die schwedische Seeluft äußerst leistungsförderlich ist? Beides mag zutreffen, aber darauf will ich nicht hinaus. Ich glaube, dass es vielen Spielern im ja doch eher zum Individualsport tendierenden Tischtennis einfach sehr gut tut, hier Teil eines Teams zu sein. Dass das nicht generell für jeden gilt, können sicherlich viele von Ihnen an eigenen Erfahrungen festmachen. Natürlich gibt es auf allen Ebenen immer auch Spieler, denen es vor allem auf ihre eigene Leistung ankommt und die nach ihrem Einzel am liebsten die Tasche packen und nach Hause fahren würden. Die Mannschaft hat verloren? Halb so schlimm, solange die eigenen Spiele erfolgreich waren. Aber es gibt halt auch die anderen, die sich um so mehr aufreiben, wenn sie wissen, dass von ihnen der Erfolg oder Misserfolg ihrer Mannschaft abhängt. Oder auch jene, die sich voll in den Dienst ihres Teams stellen, ohne selbst überhaupt zum Zug zu kommen, weil es einfach drei oder auch vier stärkere Spieler in der eigenen Mannschaft gibt. Yuan Wan zum Beispiel fährt ohne einen einzigen Einsatz wieder nach Deutschland zurück. Und trotzdem sitzt sie bei jedem Spiel ihrer Kolleginnen auf der Stuhlkante und motiviert sie. Das ist Teamspirit - und das ist schön, zu sehen!
Während bei einer Inidividual-WM naturgemäß jeder vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, wird hier zusammen gekämpft, gelitten und gejubelt. Wenn eine Sabine Winter im Spiel gegen Südkorea eine 2:0-Führung plus Matchball nicht zum Sieg nutzen kann, stehen direkt vier Leidensgenossinnen bereit, um sie zu trösten und wieder aufzubauen. Petrissa Solja sagte gestern, dass ihr Team-Weltmeisterschaften immer besonders viel Spaß machen und sie sich in der Mannschaft sehr wohl fühlt. Und wenn sie sich wohl fühle, bringe sie die besten Leistungen. Das kann man mit Blick auf ihre Siege gegen beispielsweise Suh Hyowon (12.) und Lee Ho Ching (16.) wohl nur unterstreichen.
Und während ich diese Zeilen schreibe, stürmen die Ukrainerinnen die Box und fallen sich in die Arme, weil sie gerade sensationell Singapur besiegt haben und damit erstmals in ein WM-Achtelfinale einzogen sind. Geteilte Freude ist doppelte Freude - mir gefällt das. Und mir gefällt das auch mehr als die Einzelwettbewerbe, die auf internationaler Profiebene ja vorherrschen und die generell als bedeutender angesehen werden. Die haben für mich auch ihren Reiz, keine Frage, aber mir alter Mannschaftssportlerin fehlt da halt das i-Tüpfelchen. Und wenn meine im Schmerzmitteldelirium gefasste These stimmt, verhilft dieses Tüpfelchen auch dem einen oder anderen Spieler hier in Halmstad zu besseren Leistungen. Ich bin gespannt, was uns der Teamspirit - oder meinetwegen auch die gute Seeluft - in den nächsten Tagen noch beschert. ;-)
(JS)
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