Bis zu den Olympischen Spielen haben die Tischtennisfans eine Durststrecke vor sich (©Fabig)
06.06.2016 - Die Tischtennis-Saison ist auch auf den höchsten Ebenen praktisch zu Ende. Auf dem Terminplan stehen nur noch ein paar wenige Turniere der World Tour. Würden in diesem Jahr nicht die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro stattfinden, wäre für die Profis mittlerweile die Zeit der lukrativen Tingelei mit Showturnieren angebrochen. Unser Blogger Dietmar Kramer sieht in der langen Sommerpause eine vergebene Chance auf mehr Aufmerksamkeit.
Und was gibt´s Neues im Tischtennis? Das mögen sich womöglich nicht wenige Sportfans dieser Tage mit durchaus ernsthafter Neugier fragen. Nun, nichts einfacher als das, möchte man meinen im heutigen Internet-Zeitalter. Also Suchmaschine auf Tischtennis und Neuigkeiten programmieren – und ab! Natürlich liefern Google, Siri und ihre „Geschwister“ Treffer zuhauf, doch mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte kaum ein Sportfreak den Suchvorgang aus Interesse an den momentan all überall gezogenen Saisonbilanzen von Kreisklasse-Mannschaft oder Spieler-Wechseln in der Bezirksliga in Gang gesetzt haben. Auch das Augenmerk von Mitarbeitern überregionaler Medien liegt sicher eher am Treiben der Ovtcharovs, Bolls und Soljas dieses Landes. Was ist in dieser Hinsicht (erst einmal) im Netz zu finden? Ah, die neue (und damit weitgehend die alte) Weltrangliste ist zu Monatsbeginn gekommen, aha, und vor über einer Woche hat der ttc berlin eastside die Champions League der Damen gewonnen, und noch ein paar Tage vorher ist bestätigt worden, dass in der Herren-Bundesliga, wie schon länger bekannt gewesen, alles beim Alten bleibt und das Oberhaus in der kommenden Saison nur mit neun Mannschaften spielen wird. Dass Günter Wallraff in seinem Garten gegen den Bild-Herausgeber Kai Dieckmann wohl eher Pingpong gespielt hat, ist lediglich dem Suchbegriff geschuldet, steht allerdings nicht wirklich in einer ernsthaften Beziehung zur ursprünglichen Anfrage.
Und sonst? Nichts. Tote Hose. Man meint es gar nicht einmal schlecht mit diesem Sport, wenn man dieser Tage zur Feststellung gelangen muss, dass im Tischtennis gerade wirklich absolut nichts los ist. Etwas ketzerischer formuliert: noch weniger als ohnehin schon – und das praktisch noch auf Wochen. Heutzutage manövriert man sich, auch als Sportart, auf diese Weise schnell ins Abseits, wenn nicht sogar in Vergessenheit.
Konkurrenzsportarten erwecken Aufmerksamkeit
Besonders in diesem olympischen Frühsommer wird wieder einmal deutlich, dass der Tischtennis-Sport in Deutschland, aber auch allgemein die Chancen der modernen Mediengesellschaft beinahe sträflich außer Acht lässt. Während viele, wenn nicht sogar die meisten anderen Sportarten aus dem Olympia-Programm gerade in diesen Wochen durch ihre Ausscheidungswettbewerbe für Rio de Janeiro in die Öffentlichkeit drängen und damit selbst im Vorlauf der Fußball-EM etwas Aufmerksamkeit generieren, verabschiedet sich Tischtennis von der Bildfläche und geht erst einmal auf Tauchstation.
Muss das so sein? Wirklich? Zugegeben ist Tischtennis eine Hallensportart, aber das sind Judo, Handball, Volleyball oder Basketball auch, und diese Konkurrenten im Kampf um öffentliches Interesse sind auch in dieser Jahreszeit noch aktiv. In diesen Sportarten werfen alle Veranstaltungen quasi als Nebenprodukt, wenn nicht sogar als übergeordnetes Thema Neuigkeiten über Mannschaften und ihre Protagonisten ab. Durch einen stetig bedienten Nachrichtenfluss bleiben Sportarten und ihre Stars im Gespräch, was über kurz oder lang bedeutet, im Bewusstsein der Leute zu sein.
Aber Tischtennis? Im Tischtennis sucht man am - in anderen Sportarten häufig aufwändig als Countdown-Start inszenierten - Tag ein Jahr vor Beginn seiner Heim-WM freiwillige Helfer, verbreitet die Liga mit mehreren Tagen Verzögerung nach dem Meisterschafts-Finale einen mehrteiligen Rückblick auf eine längst abgehakte Saison und schließen die meisten Vereine – ihren Spielplänen entsprechend – vorerst ihre Kommunikationskanäle. Auch über „China-Jäger“ Dimitrij Ovtcharov, Altmeister Timo Boll und den aufgehenden Stern Petrissa Solja – mithin sicherlich die drei in Deutschland am meisten interessierenden Aktiven aus unseren Landen –, würden die heutzutage zu Neuigkeiten im Überfluss erzogenen Fans sicher gerne noch etwas mehr lesen. Oft ist weniger tatsächlich mehr, doch in dieser Konstellation ist der buchstäblich verschwindend geringe Output an Neuigkeiten alles andere als nützlich. Im Gegenteil: Tischtennis fällt in der öffentlichen Wahrnehmung immer weiter hinter seine Rivalen zurück.
Terminplan eine Stellschraube für mehr Kontinuität
Eine Möglichkeit zur Erhöhung von Medienpräsenz wäre eine entsprechende Justierung der Terminpläne. Dabei müsste an der über dreimonatigen Sommerpause noch nicht einmal allzu viel herumgeschnibbelt werden. Manchmal nämlich könnte mitunter schon ein wenig Geschick bei der Planung positive Ergebnisse nach sich ziehen: Beispielsweise hätte eine (echte und hochwertige) Olympia-Qualifikation sich durch einen Termin in diesem Monat ganz hervorragend in den internationalen Sportkalender eingefügt und auf der nunmehr allerorten schon eingeschlagenen „Road to Rio“ auch mit einiger Sicherheit für entsprechendes Medieninteresse gesorgt – für mehr jedenfalls als kurz nach einer Mannschafts-Weltmeisterschaft und noch lange vor den Sommerspielen.
Auch der Liga sind nicht die Hände gebunden, soll das Oberhaus nicht immer wieder für eine fahrlässig lange Zeit in der tatsächlich großen Welt des Sports überhaupt kein Thema sein. Denkbar erscheint eine Streckung des Spielplans, die jedoch durch die zur übernächsten Saison angestrebte Aufstockung obsolet werden könnte. Doch auch mit anderen Ideen könnte die vor gar nicht einmal allzu vielen Jahren noch so ruhmreiche Liga Fans, Öffentlichkeit und Medien in Sachen Tischtennis kontinuierlicher etwas mehr bieten – dies sollte notfalls auch mittels Traditionsbrüchen zumindest der Anspruch sein.
Identifikation erfordert Präsenz
Aus dem Zusammenspiel mit den Medien wird ja auch hinsichtlich des hier schon an anderer Stelle diskutierten Identifikationsmangels des Publikums mit den Protagonisten im Tischtennis ein Schuh: Für die mutmaßlichen Zugnummern kann der gemeine Fan doch erst dann ernsthaft nachhaltiges Interesse entwickeln, wenn die Stars auch tatsächlich „livehaftig“ – entweder vor Ort oder wenigstens auf einem Bildschirm – zu erleben sind. Eindeutig regelt auch, aber eben nicht nur in dieser Frage, das Angebot die Nachfrage – und dann gibt´s auch für Sportfans durch die Suchmaschine auch noch im Juni etwas Neues im Tischtennis.
(Dietmar Kramer)
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