Blog

Dietmars Blog: Die Wechselfrist – mehr Fluch als Segen

Kamal Achantas Verletzung stellt Düsseldorf vor große Herausforderungen (©Fabig)

24.08.2015 - Borussia Düsseldorfs Planungen für die gerade angebrochene Saison sind schon vor dem ersten Ballwechsel zur Makulatur geworden. Der langfristige Ausfall von Kamal Achanta zwingt auch einen Verein wie den deutschen Rekordmeister zu einem Kraftakt, weil der Klub auf dem Spielermarkt längst schon nicht mehr reagieren kann. Unser Blogger Dietmar Kramer hat sich wegen des aktuellen Beispiels Gedanken über Sinn und/oder Unsinn der Wechselfrist gemacht.

Achantas Ausfall wirft Probleme auf
Ungetrübt war die Freude bei Borussia Düsseldorf über den gelungenen Saisonstart am vorletzten August-Wochenende sicher nicht. Der schon vor den Auftaktsiegen des deutschen Rekordtitelträgers in Champions League und Meisterschaft festgestandene Ausfall von Kamal Achanta auf Monate bedeutete im Jubel der Rheinländer einen großen Wermutstropfen. Denn alle zum Teil bereits am Ende der vergangenen Spielzeit gemachten Pläne sind durch die Folgen der schweren Verletzung des Inders bis auf Weiteres schlichtweg das Papier nicht mehr wert, auf dem sie gemacht wurden. Vor allem Timo Boll, sicher aber auch Panagiotis Gionis und Jungstar Patrick Franziska müssen ihre Einsätze und (in der Olympia-Saison beinahe von noch höherer Bedeutung) Spielpausen praktisch komplett umkoordinieren.

Dass die schon am 31. Mai abgeschlossene Wechselfrist eine „Notverpflichtung“ unmöglich macht, will Düsseldorfs Manager Andreas Preuß allerdings gar nicht beklagen. Sein verbliebenes Rumpfteam sollte außerdem tatsächlich stark genug sein, bis zu Achantas voraussichtlicher Rückkehr an den Tisch in der Bundesliga-Punktrunde und Champions-League-Gruppenphase die Grundsteine für die angestrebten Saisonziele nicht zu verspielen – selbst wenn vereinzelt auch Trainer Danny Heister wohl wieder einmal selbst den Schläger in die Hand nehmen muss.

Arbeit von Jahren wird gefährdet
Borussia ist mit ihrer Vierer-Mannschaft also immerhin noch einigermaßen für ein „Worst Case“-Szenario gewappnet. Doch gilt das sicher nicht für jeden Klub. Gleich die Hälfte aller zehn Bundesligisten hat lediglich ein Dreier-Team gemeldet. Ein Ausfall nur, schlimmstenfalls sogar des Spitzenspielers, könnte bereits zum jetzigen Zeitpunkt Hoffnungen auf die Teilnahme an den Play-offs (und vielleicht ja auch mehr) oder auf den Klassenerhalt zunichte machen – mindestens im Abstiegsfall sogar die Arbeit von Jahren und einige zehntausend Euro gleich mit. Von nicht ausgeschütteten Sponsorenprämien einmal ganz zu schweigen.

Kann das alles der Sinn der Wechselfrist sein? Wohl kaum. Oft und lange schon wird mit Planungssicherheit argumentiert, immer wenn die Diskussion auf die Deadline für die Bildung von Mannschaften für die neue Saison kommt. Doch wird diese Planungssicherheit überhaupt benötigt? Ist die Berechenbarkeit überhaupt wünschenswert?

Wechselfrist im Profi-Bereich ein Hemmschuh
Man darf sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Für den Profi-Bereich allerdings ist die Wechselfrist mindestens ein Hemmschuh, in manchen Situationen sogar ein wohl unnötiges Ärgernis. Auf allerhöchster Ebene sollte in der Debatte auch nicht verfangen können, dass die Setzlisten für die Champions League anhand der Mannschaftsaufstellungen für die bevorstehende Saison erstellt werden – dass sich Klubs wie diesmal auch der Bundesliga-Sechste (!) Werder Bremen ohne jegliche sportliche Qualifikation auf nationaler Bühne in die europäische Königsklasse einkaufen können, gehört seit Jahren zu den irrwitzigsten Konstrukten im weltweiten Vereinssport.

Wozu also die Wechselfrist im Profi-Bereich? Chancengleichheit? Zum Profi-Sport gehört aber doch immer auch das (weitgehend) freie Spiel der Kräfte. Ob sich ein Verein 'Nachbesserungen' leisten will oder kann, muss natürlich die Entscheidung des Klubs bleiben; entscheidend in dieser Frage ist aber vielmehr, ob ein Verein überhaupt die grundsätzliche Möglichkeit haben soll, bei Bedarf für zusätzliche Spieler oder auch einfach nur dem gefühlten Bedürfnis danach wenigstens bis zu einem einigermaßen vertretbaren Termin auf dem Spielermarkt aktiv werden zu können. Die Gefahr für Vereine, durch die Verletzung eines Spielers völlig von der Bahn abzudriften, würde beispielsweise bei einer Verlängerung der Wechselfrist bis Mitte August mindestens verringert.

Mehr Spannung durch Transfers im Winter
Ein größeres Zeitfenster für Spielerwechsel, vielleicht sogar auch noch eine zweite Transferphase nach der ersten Saisonhälfte, hätte für den Tischtennis-Sport außerdem einen weiteren wertvollen Nebeneffekt: die Vereine könnten für zusätzlichen Gesprächsstoff sorgen und damit endlich auch über die obligatorische Ergebnisberichterstattung der Saison hinaus im öffentlichen Bewusstsein vertreten bleiben. Neue Namen, neue Gesichter, neue Stars, und seien es auch nur die entsprechenden Spekulationen, sind nämlich immer auch eine Art Salz in der Suppe. Im Fußball etwa hält der Transferpoker um den belgischen Superspieler Kevin de Bruyne die Bundesliga schon seit Monaten in Atem und stellt auch noch fast das Geschehen der ersten Spieltage in den Schatten. Eine zusätzliche Wechselphase vor dem zweiten Saisonabschnitt, in der sich die Vereine gerne auch aus rein sportlichen Erwägungen nochmals verstärken könnten, würde im Endspurt um Play-off-Plätze, Titel und Klassenerhalt die Karten einigermaßen neu mischen und – im Gegensatz zu den ehrlicherweise doch weitgehend vorhersehbaren Ergebnissen – noch einmal für zusätzliche Spannung sorgen können.

Aus all diesen Blickwinkeln also scheint eine Abkehr von der Wechselfrist zumindest in ihrer derzeitigen Form mehr Vor- als Nachteile zu bringen. Wenigstens sollte dieser Aspekt in Betracht gezogen werden, wenn wieder einmal über Regeländerungen zur Erhöhung der Attraktivität diskutiert wird. Denn eine Regel, die 'Ü40'-Duelle wie in der vergangenen Saison zwischen den Trainern Danny Heister (Düsseldorf) und Andreas Fejer-Konnert (Hagen) beinahe erzwingt, ist keine gute.

(Dietmar Kramer)

Kommentar schreiben

Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.

* Pflichtfeld

Copyright © 2025 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.