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Dietmars Blog: Gutes Krisenmanagement gefragt!

ITTF-Chef Thomas Weikert beweist in der Krise Führungsstärke (©ITTF)

24.03.2020 - Der Coronavirus hält die Welt in einem beispiellosen Würgegriff und hat damit längst auch den Sport lahmgelegt. Unser Blogger Dietmar Kramer hat in den Turbulenzen der vergangenen Wochen besonders den Tischtennis-Sport und seine unterschiedlichen Hauptakteure beobachtet. Neben vielen richtigen Entscheidungen hat er dabei aber auch die eine oder andere verpasste Möglichkeit für den Tischtennissport registriert.

In der immer weitreichenderen Corona-Krise gehört auch der Sport und damit auch das Tischtennis zu den vielen, vielen Leidtragenden. Allerorten versuchen Regierungen und Verwaltungen, eine Ausweitung des Virus so weit wie nur irgend möglich zu verhindern und den Umgang mit den Auswirkungen der einschneidenden Maßnahmen möglichst verträglich zu gestalten, auch wenn das Gesetz des Handelns nicht jederzeit in ihren Händen liegt. Das gelingt (beinahe naturgemäß) mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Das gilt auch für das Tischtennis. Angesichts von schon mehreren tausend Toten durch das heimtückische Virus verbieten sich dabei zwar gewöhnliche Bilanzen nach dem Motto „Gewinner und Verlierer“, gleichwohl fallen in einer ersten Analyse - auch im Vergleich zu anderen Sportarten - Unterschiede im Bereich von Entscheidungen und Reaktionen auf. 

Weikert und Geiger zeigen Führungsstärke

Richtiges, weil einerseits vor allem verantwortliches und andererseits auch weitsichtiges Verhalten muss den Verbänden auf internationaler und deutscher Ebene bescheinigt werden. Der Weltverband ITTF und sein deutscher Präsident Thomas Weikert wirken seit der Eskalation der Lage über die Grenzen Chinas hinweg wie nur wenige andere Spitzenorganisationen im olympischen Sport stets auf der Höhe der Zeit. Bei der Verlegung der Mannschafts-WM in Südkorea agierten Weikert und seine Crew vergleichsweise frühzeitig alleine nach dem Prinzip „Safety first“ und ließen sich auch nicht von finanziellen Negativfolgen von ihrem einzig vernünftigen Kurs abbringen. Auch die Aussetzung des internationalen Spielbetriebs bis Ende April sowie die Verschiebungen oder Absagen noch späterer Wettbewerbe in den darauffolgenden Tagen waren der jeweils veränderten Situation schnell angepasste und besonders auch angemessene Entscheidungen. 

Ähnlich ist die Rolle des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) in seinem Zuständigkeitsbereich zu bewerten. Die Stilllegung des organisierten Spielbetriebs durch die Spitzengremien unter der Leitung von Verbandschef Michael Geiger erfolgten angemessen zeitnah zu den Entwicklungen sowie den verschärften Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums und der Länderregierungen. Zusammenfassend haben die beiden Verbände buchstäblich Führungsstärke gezeigt. Welch ein wohltuender Kontrast zu den milliardenschweren „Giganten“ im Olympia- und Fußball-Bereich, wo Zaudern, Zögern und Zeitspiel selbst noch über den „Point of no return“ hinaus oberste Funktionärs-Pflicht zu sein scheinen. 

Andere Ligen reagieren schneller als TTBL

In diesem Zusammenhang gerade noch rechtzeitig die Kurve bekommen hat auch die Herren-Bundesliga. Nur etwas mehr als eine Stunde aber hatte am „schwarzen Freitag“ noch gefehlt, und die TTBL wäre bei der Aussetzung ihrer Saison sogar noch von der Deutschen Fußball Liga (DFL) überholt worden, die in ihrem eigenen Reich ungeachtet eines einmaligen Strudels von weltweit geradezu im Minutentakt hagelnden Absagen bis zur letzten Minute immer noch „Geisterspiele“ durchführen wollte. Zum Vergleich: Schon drei Tage zuvor hatte die Deutsche Eishockey Liga (DEL) ihre Saison komplett abgebrochen sowie 48 Stunden vorher die Handball-Bundesliga ihren Spielbetrieb stillgelegt, und immerhin auch noch einen Tag vorher hatten auch die Basketball- und die Volleyball-Bundesliga (ebenfalls Saisonabbruch) öffentlichkeitswirksam durch Absagen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen (von den Unterbrechungen in den US-Profiligen am selben Tag ganz zu schweigen). Somit ging die Spielpause in der Tischtennis-Bundesliga im Wirbel um den DFL-Eiertanz unter.

Das TTBL-Beispiel illustriert ein strukturelles Problem des Tischtennis. Der Sport kann von der Öffentlichkeit kaum bis gar nicht wahrgenommen werden, weil leider immer wieder Gelegenheiten, wenn auch in diesem Fall mit tragischen Hintergründen, ungenutzt bleiben. Kein Wunder, dass am vorletzten März-Wochenende rund eineinhalb Wochen nach der Stilllegung des Sports in einer großen Sonntagszeitung nur die Liga-Bosse aus dem Eishockey, Handball und Basketball zu den Folgen der Coronakrise zu Wort kamen. Tischtennis aber, das durchaus mit vergleichbaren Problemen zu kämpfen hat wie diese Sportarten, findet trotz eines Timo Boll auch in einem solchen Rahmen nicht statt. 

Tischtennis auf Tauchstation

Dabei könnte man sich auch in dieser besonderen Lage Medienpräsenz und Interesse der Öffentlichkeit erarbeiten. Anstatt zum Business as usual überzugehen, sollten Antworten auf momentan naheliegende Fragen nach der Situation von Stars wie Boll, Ovtcharov und Petrissa Solja in sportlicher Hinsicht oder natürlich auch von Vereinen im finanziellen Bereich beantwortet werden. Man könnte die Meinungen von Boll, Ovtcharov oder auch Bundestrainer Jörg Roßkopf zur Lage im Allgemeinen und zu Olympia im Besonderen oder nach einer wie auch immer gestalteten Solidaritätsaktion einholen. Diese Themenfelder beackern natürlich der Fußball, aber eben auch Handball, Eishockey und Basketball dankbar alleine weiter – und halten sich damit ohne eine einzige Spielminute im Gespräch.

Ein Berg von Problemen

Die Probleme des Tischtennis mit seiner Außendarstellung sind zum jetzigen Zeitpunkt allerdings geradezu verschwindend klein oder sogar nichtig – gemessen an seinen Schwierigkeiten durch die Coronakrise alleine nur in Deutschland. Als da wären zuvorderst: Wann und vor allem wie wird es im Tischtennis in der Post-Corona-Zeit weitergehen? Wie kommen die schon jetzt auf allen Ebenen bis nach oben in höchste Not geratenen Klubs durch die Krise? Kommen die Vereine überhaupt durch? Derzeit für den Spitzensport ist außerdem von allergrößtem Interesse: Wie etwa soll und kann Roßkopf seine Asse noch irgendwie angemessen auf Olympia vorbereiten? Was können sich Boll und Co. eigentlich überhaupt noch ohne geeignetes Training für Tokio ausrechnen?  

Überhaupt wären da nicht zuletzt auch: Soll und kann die Saison noch irgendwie zu Ende gebracht werden? Und wie, wo und wann (ob das TTBL-Endspiel noch wie geplant Anfang Juni bei „Die Finals“ in Düsseldorf stattfindet, steht momentan jedenfalls absolut in den Sternen)?  Sind - etwa auch für die Damen-Bundesliga - „Geisterspiele“ oder Mini-Turniere eine Option? Wird womöglich eine Verlängerung der Saison notwendig? Was hieße das für bestehende und neue Verträge der Spieler? Muss auch deswegen vielleicht die Wechselfrist verlängert werden? Was bedeutet die Krise für die Vereine? Was sagen die Sponsoren? Wann soll eigentlich die neue Saison beginnen? Muss dabei auf verschobene Termine Rücksicht genommen werden? Die Liste ist garantiert nicht vollständig.

International gehört ohne eine nach menschlichem Ermessen nicht verhinderbare Absage oder Verschiebung von Olympia sicherlich eine vermittelbare Abwicklung der unterbrochenen Qualifikation für die Sommerspiele oder die Entwicklung eines Resets für die Tokio-Ausscheidung zu den dringlichsten Aufgabe - und sicher bald auch schon eine Entscheidung über die nun vorerst noch für Juni geplante Mannschafts-WM. Dazu muss der völlig durcheinander gewirbelte oder besser: weitgehend von Corona auseinandergepflückte Terminkalender wieder neu entwickelt werden. Angesichts des aufgetürmten Berges von Problemen gibt der bisherige Umgang der großen Verbände mit der Krise Zuversicht auf Lösungen. Die Entscheider, die derzeit ebensowenig wie Virologen und Regierungen eine Prognose zum Fortgang der Geschehnisse treffen können, verdienen das Vertrauen der Tischtennis-Familie. Weikert, Geiger und ihre Mitstreiter haben jedenfalls schon nachdrücklich das gezeigt, was in Krisen dringend benötigt wird: Führung.

(Dietmar Kramer)

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