Borussia Düsseldorf wird auch in dieser Saison kaum zu schlagen sein (©Fabig)
15.08.2017 - In der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) steht die Saisoneröffnung an. In Ermangelung eines Abstiegskampfes und auch ohne wirklich spektakuläre Neuzugänge fokussiert sich das Interesse zwangsläufig auf eine mögliche Jagd auf Branchenprimus und Serien-Champion Borussia Düsseldorf. Trotz des begrüßenswerten Zuwachses für die Liga durch eine zehnte Mannschaft gibt es im deutschen Oberhaus nicht viel Neues - was unser Blogger Dietmar Kramer aufarbeitet.
„Die Spannung steigt“, „Vorhang auf“ oder natürlich auch „Endlich“: Dies sind drei der sicherlich meist benutzten Formulierungen und Begriffe zum Einläuten eines Saisonauftaktes in den Bundesligen vieler Sportarten. Über mehrere Wochen hinweg mussten Fans Auftritte ihrer heiß geliebten Idole und Lieblingsvereine entbehren, sich mit Nachrichten über Spieler-Wechsel und Verletzungen bescheiden und im Falle äußerst großer Leidenschaft eine als sinnentleerte Zeit empfundene Sommerpause mit notdürftigen Ersatzbeschäftigungen ausfüllen. Trifft das alles auch auf die am Wochenende beginnende Saison in der Tischtennis-Bundesliga zu? Scharren die Fans schon mit den Hufen? Verschlingen auch die Anhänger dieses Sports in diesen Tagen wissbegierig jede auch nur irgendwie erhaschbare Information über den Zustand der Mannschaften?
Nein, so ist es nicht. Leider.
Die Erwartung erscheint natürlich auch vermessen, dass die breite Öffentlichkeit an jeder Beschäftigung eines Timo Boll oder eines anderen Protagonisten der Liga teilhaben wollte oder mit Hingabe am Tresen oder andernorts die Möglichkeiten und Chancen der einzelnen Teams erörtert. Andererseits: Warum denn nicht wenigstens ein bisschen von dem Ballyhoo-Feeling wie tagein, tagaus beim Fußball? Viele Tischtennis-Fans würden sicher nur allzu gerne mit Freunden und Familie oder Vereinskollegen über ihre Sportart fachsimpeln und diskutieren. Allein: Die Liga gibt solche Debatten kaum noch her. Es liegt noch nicht einmal an einem Vergleich mit den gerade einmal vor etwas mehr als zwei Monaten zu Ende gegangenen Weltmeisterschaften in Düsseldorf als Hochfest des Sports, dass die Liga lediglich als trister Alltag erscheint. Nörgelei? Miesmacherei? Nestbeschmutzung? Mitnichten.
Neustart eine Zeitreise zum Anfang der vergangenen Saison
Gerade die anstehende Saison erinnert doch bei emotionsloser Betrachtung an den Hollywood-Streifen „… und täglich grüßt das Murmeltier“. Hätte sich Neuling TSV Bad Königshofen mit seiner Nachwuchshoffnung Kilian Ort nicht entschlossen, dem auf zwölf Teams ausgerichteten Oberhaus als wenigstens zehnter Verein beizutreten, könnten Beobachter sich jedenfalls fast wie in einer Zeitmaschine kurzerhand um ein Jahr zurückversetzt fühlen. Der Umkehrschluss ist ernüchternd: Langeweile. Wieder einmal wird es keinen Absteiger geben. Wieder einmal ist Branchenprimus Borussia Düsseldorf der große Favorit auf den nächsten Titelgewinn. Und wieder einmal ist kaum ein ernsthafter Widersacher für den Rekordchampion in Sicht.
Schwerwiegender jedoch ist der fast vollkommene Mangel an neuen Impulsen und neuen Akzenten. Vor allem die Spieler als Hauptdarsteller und wichtigste Zugnummern im „Geschäftsmodell Bundesliga“ sind dieselben wie in der vergangenen Saison. Bad Königshofen einmal außen vor gelassen bieten die neun bisherigen Klubs dem Bundesliga-Publikum in der anstehenden Saison zusammen gerade einmal ganze fünf neue Gesichter an. Wäre dabei „Klasse statt Masse“ das Motto gewesen, würde sich die Fan-Gemeinde ja auch darüber noch wirklich freuen können. Doch ein Qualitätsgewinn für die nach eigenem Anspruch „in der Breite stärkste Liga Europas“ ist kaum zu registrieren – auch nicht in der Breite. Hochkarätigster Liga-Zugang jedenfalls ist der Ägypter Omar Assar – ein Top-40-Mann. Die übrigen vier Neulinge bewegen sich in der Weltrangliste jenseits Platz 100.
Viel Mittelmaß
Die einzigen Top-20-Asse in der deutschen Eliteklasse sind weiterhin lediglich Düsseldorfs Star Boll und Simon Gauzy vom mutmaßlichen Herausforderer TTF Liebherr Ochsenhausen. Von den besten 30 schlagen auch wieder nur acht in der Bundesliga auf. Selbst aus den Top 100 ist nicht einmal ein Drittel bei deutschen Erstliga-Vereinen unter Vertrag. Selbstredend ist den Vereinen eine Neuverpflichtung pro Saison nicht vorzuschreiben. Schon gar nicht eine kostspielige mit Weltklasse-Format. Doch im schnelllebigen Profi-Business müssen den Zuschauern als Konsumenten der Unterhaltungsware Sport und zur Profilierung einer Marke immer wieder neue Attraktionen geboten werden. Stillstand ist in diesem Bereich eben tatsächlich Rückschritt.
Natürlich wachsen Publikumslieblinge nicht auf den Bäumen und sind – für wohl alle Bundesliga-Teams - schon gar nicht einmal eben aus der Portokasse zu finanzieren. Doch abseits der Personalplanungen erscheinen andere mögliche Ansätze für eine Steigerung der Attraktivität nicht ausreichend Beachtung zu finden. Innovative, womöglich auch zeitgemäße Anpassungen des Spiels an die Bedürfnisse der Kundschaft jedenfalls testen nur Privatinvestoren in Asien. Siehe T2APAC in Malaysia und Ultimate TT in Indien. Die neuen Verpackungen mögen diskutabel und nicht nach jedermanns Geschmack sein, die Suche nach neuen Wegen und der entsprechende Mut dazu aber sollten für eine Liga mit dem Anspruch der TTBL eine Selbstverständlichkeit sein.
Gefährliche Entwicklung
Die Liga schmort allerdings nur weiter im eigenen Saft. Jahr ein, Jahr aus die Hauptrunden, zwischendurch immer wieder das Final Four im Pokal und am Saisonende das alljährliche Bundesliga-Finale. Die vielen, vielen Wochen dazwischen jedoch wollen (müssen) gleichfalls gefüllt sein, T2 führt es mit seiner Multi-Kommunikations-Strategie und Inszenierung der Aktiven als wahrhaftige Stars gerade einmal wieder vor. In der TTBL hingegen soll zur bevorstehenden Spielzeit zunächst einmal alleine die Einführung von mehreren Bällen für ein Spiel die Matchdauer reduzieren. Der entsprechende Beschluss wurde zu Jahresbeginn sogar als entscheidende Ergänzung zur Erhöhung des Tischtennis-Erlebnisses bezeichnet.
Aber ohne ein ganzheitlich rundes, attraktives Gesamtprodukt entwickelt die Bundesliga sich in eine gefährliche Richtung. Vergeblich verlief bisher die Suche nach Ursachen für den markanten Zuschauerschwund, der Kampf um TV-Zeiten scheint aufgegeben, und das Ende der momentan maximal noch möglichen Aufmerksamkeit für das Oberhaus durch das Engagement von Boll ist zumindest am Horizont auch bereits abzusehen. Doch was dann?
(Dietmar Kramer)
Um weiterhin qualitativ hochwertige Diskussionen unter unseren Artikeln zu gewährleisten, haben wir uns dazu entschlossen, die Kommentarfunktion mit dem myTischtennis.de-Login zu verknüpfen. Wenn Sie etwas kommentieren möchten, loggen Sie sich einfach in Ihren Account ein. Die Verwendung eines Pseudonyms ist weiterhin möglich, der Account muss jedoch einer realen Person zugeordnet sein.
Copyright © 2025 myTischtennis GmbH. Alle Rechte vorbehalten.