Buntes

Interview mit ttc-Präsident Teichmann: Ist Berlin zu stark?

Alexander Teichmann (Mitte) feiert mit seinem Team den Champions League-Titel (©Ronny Pabst)

03.06.2016 - Der ttc berlin eastside hat sich in dieser Saison selbst übertroffen. 32 Siege in 32 Spielen, Deutscher Meister, Pokal- und Champions League-Sieger - mehr geht nicht. Wir sprachen mit dem Vereinspräsidenten Alexander Teichmann über die Berliner Erfolgswelle und die Dominanz des Teams. Tut es einer Liga gut, wenn ein Verein so herausragt? Wie treten die anderen Clubs den Berlinern gegenüber? Teichmann gibt ausführlich Auskunft.

myTischtennis.de: In dieser Saison hat der ttc berlin eastside alles gewonnen, was gewonnen werden konnte - und das auch noch in dominanter Art und Weise. Wie ist das Leben als Vereinspräsident, wenn alles wie am Schnürchen läuft?

Alexander Teichmann: Hervorragend. Solch ein Ergebnis zeigt einem, dass im Vorfeld die richtigen Entscheidungen getroffen wurden und sich die Arbeit gelohnt hat. Die Drei war in dieser Saison eine besondere Zahl für uns.

myTischtennis.de: Wegen des Triples?

Alexander Teichmann: Nicht nur. Wir sind zum dritten Mal Deutscher Meister in Folge, zum dritten Mal in Folge Pokalsieger, wir haben dreimal das Double geschafft, dreimal die Champions League gewonnen, wir schicken drei Spielerinnen zu den Olympischen Spielen und haben das Triple geholt. Ja, da steckt schon eine gewisse Mystik hinter. (lacht) Im Nachhinein betrachtet stellt sich dieses Ergebnis wie eine absolute Dominanz dar, aber uns wurde nichts geschenkt. Das haben wir uns alles hart erarbeitet. Wir waren mit unserer Mannschaft zwar stets favorisiert, aber es gab im Vorfeld viele Fragezeichen. So konnten wir zum Beispiel nicht absehen, wie sich unsere beiden Japanerinnen entwickeln, die einen ziemlichen Sprung gemacht haben. Oder wie Petrissa Solja und Shan Xiaona im Verein mit ihrem Kampf um den zweiten Einzelstartplatz für Rio umgehen, was sie letztlich sehr professionell gelöst haben. 

myTischtennis.de: Über welche dieser „Dreien“ haben Sie sich persönlich am meisten gefreut?

Alexander Teichmann: Über jede einzelne. Das Gesamt-Triple war aber natürlich der krönende Abschluss. Für die Außendarstellung bzw. die Vermarktung ist dies eine tolle Sache. So sind wir vom regierenden Berliner Bürgermeister zum Eintrag ins 'Goldene Buch' eingeladen worden. Dass unsere Leistung so immens wahrgenommen wird, ist für uns - aber auch für den Tischtennissport im Allgemeinen - sehr gut.

myTischtennis.de: 32 Siege in 32 Spielen, drei Titel - da hält noch nicht mal Bayern München im Fußball mit. Und hier wird ja schon oft geschimpft, dass die Dominanz der Bayern die Liga langweilig macht. Bekommen Sie manchmal ‚vorgeworfen‘, dass Berlin so stark ist? 

Alexander Teichmann: Nein, offene Vorwürfe hören wir da nicht. Eher ein Tiefstapeln von anderen Teams wie „Gegen euch haben wir eh keine Chance“, „Wir können froh sein, wenn wir einen Punkt holen“ oder „Ihr mit euren Nationalspielerinnen gewinnt doch eh“. Dabei vergisst man manchmal, was für physischen Strapazen die Spielerinnen allein schon durch die vielen Reisen zu internationalen Turnieren ausgesetzt sind. Zudem ist Kolbermoor extrem stark - oder Bingen, Essen. Das sind alles keine Selbstläufer-Spiele. 

myTischtennis.de: Glauben Sie, es ist gut für eine Liga, wenn eine Mannschaft so dominant ist?

Alexander Teichmann: Naja, was sollen wir machen? Aus unserer Sicht ist es so: Als Kroppach sich vor drei Jahren zurückgezogen hat, gab es ein kleines Fenster, das wir genutzt haben. Wir sind 1997 in die Bundesliga aufgestiegen, seitdem kontinuierlich dabei und haben Anfang der 2000er Jahre die ersten internationalen Wettbewerbe gespielt. Auf diese Weise hat sich der Verein ein gewisses Standing erarbeitet, durch das er für Spielerinnen wir Kristin Silbereisen oder Shan Xiaona, die damals in Kroppach spielten, interessant war. Wir konnten also zwei extrem gute deutsche Spielerinnen dazu bewegen, in Deutschland zu bleiben. Wenig später ist Petrissa Solja aus Linz zu uns gekommen. Und je mehr deutsche Spieler hier präsent sind, um so besser, weil sie die Vorbilder unserer Kinder und Jugendlichen sind. Insofern ist es aus meiner Sicht gut, dass eine Mannschaft so dominant ist. Übrigens ist das auch nur eine statistische Dominanz für mich. Kolbermoor und Berlin sind aus meiner Sicht wie Dortmund und Bayern im Fußball. Die Bayern hatten am Ende die Nase vorn, aber die Spiele waren auf Augenhöhe. Für die Liga ist es von Vorteil, wenn es viele starke Vereine mit guten Spielerinnen gibt. Und es ist gut, dass jeder Verein solch eine Mannschaft wie Berlin einmal in der Saison bei sich zu Gast hat und dem Heimpublikum zum Beispiel das Doppel zeigen kann, das bei den Olympischen Spielen für Deutschland spielt.

myTischtennis.de: Kroppach hat das Fenster für Sie geöffnet, jetzt steht Berlin an Kroppachs Stelle. Vor drei Jahren haben Sie die Kroppacher noch dafür kritisiert, dass sie aus Egoismus nicht zum Wohle der Liga gehandelt hätten. Hat sich Ihre Meinung dazu inzwischen geändert, da Sie sich ja nun in einer ähnlich dominanten Position befinden?

Alexander Teichmann: Unser Ziel ist es, so viel wie möglich für die Liga zu tun. Und das versuchen wir auch. Damals habe ich mich darauf bezogen, dass Kroppach gerne viele Spiele auf ein Wochenende gelegt hat, um - verständlicherweise - möglichst wenig Reiseaufwand für seine Spielerinnen zu haben, was aber immer ein schiefes Bild in der Tabelle zur Folge hatte. Und es gab Diskussionen wegen der Play-offs, ob man die erspielten Punkte aus der Ligaphase mitnehmen dürfte oder nicht. Ich glaube nicht, dass wir uns egoistisch verhalten. Bei uns gab es zwar auch die eine oder andere terminliche Schwierigkeit, weil unsere Spielerinnen viele internationale Turniere besuchen. Aber wenn wir auf einem Termin bestanden haben, dann geschah das zum Schutz der Spielerinnen und nicht aus Eigeninteresse. Wir versuchen immer, eine Lösung zu finden - auch wenn das nicht immer funktioniert.

myTischtennis.de: Sie sagten damals, dass Wege gefunden werden müssen, das Damen-Vereinstischtennis aus seiner Nische herauszuholen. Was wurde da in den vergangenen drei Jahren versucht? Und was sollte Ihrer Meinung nach noch versucht werden?

Alexander Teichmann: Wir haben mit der Einführung der Pokalmeisterschaft einen ersten kleinen Schritt gemacht. Diese ist - bestehend aus der Quali-Runde und dem Finale - ein weiteres Highlight im Kalender, das man gut vermarkten kann. Danach hat sich leider nicht so viel getan. Das hängt damit zusammen, dass die Vereine auf ehrenamtlicher Basis geführt werden und die Verantwortlichen mit der alltäglichen Arbeit schon gut ausgelastet sind. Wenn man mit der Liga nach außen gehen will, bräuchte man einen Hauptamtlichen, der sich kümmert. Aber mir fehlen auch schon die kleinen Symbole. Vor drei Jahren habe ich beispielsweise vorgeschlagen, dass bei jedem Spiel eine DTTB-Flagge in der Halle hängt, um zu symbolisieren, dass dies eine Veranstaltung des Deutschen Tischtennis-Bundes ist. Das hat nie geklappt. Wenn man sich andere Sportarten anschaut, muss man feststellen, dass wir noch nicht einmal das Minimum schaffen. 

myTischtennis.de: Oder ist das Problem, dass Damen-Tischtennis einfach nicht so populär ist?

Alexander Teichmann: Ich mache eher die Erfahrung, dass Damen-Tischtennis für die Sportinteressierten sogar attraktiver ist, weil es zwar schnell ist, aber nicht so schnell wie bei den Herren - und damit nachvollziehbarer. Oft kommen Sponsoren zu mir und sagen: Ich wusste gar nicht, wie attraktiv dieser Sport ist. Von daher ist das Damen-Tischtennis sicherlich ein guter Einstieg in den Sport. Trotzdem muss man darüber nachdenken, wie man das Problem mit der stark variierenden Spielzeit in den Griff bekommt, so dass mehr Zuschauer in die Halle kommen und der Sport interessanter für die Medien wird. Auch an den verschiedenen Systemen - Anzahl der Gewinnsätze, der Mitspieler, der Tische und mit oder ohne Doppeln - muss geschraubt werden, denn so versteht ein normaler Mensch Tischtennis nicht. Vielleicht kann die Damen-Bundesliga als experimenteller Rahmen dienen, wo nach neuen Wegen gesucht wird, den Sport attraktiver zu machen. Dafür müssen wir bereit sein, Prügel einzustecken, wenn die Idee nicht gut war. Aber wenn man nichts versucht, wird sich auch nichts ändern. Ich glaube an die Damen-Bundesliga als Marke und ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam etwas entwickeln können, was gut für die Liga und gut für das Damen-Tischtennis ist, so dass die Zweitligavereine sagen: Da wollen wir mitmachen. Wenn der DTTB mithilft, könnte das innerhalb von fünf Jahren klappen.

myTischtennis.de: Das ist ein Wort, Herr Teichmann. Dann sprechen wir uns spätestens in fünf Jahren wieder… Danke für das Gespräch!

(JS)

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