EM 2015

Schweden-Coach: "Bald wieder Topspieler hervorbringen"

Schwedens Herren-Nationaltrainer: Doppel-Weltmeister Ulf Carlsson (©Koch)

01.10.2015 - Als Spieler war Ulf "Tickan" Carlsson selbst überaus erfolgreich. Seit 1996 ist der ehemalige Doppel-Weltmeister Trainer der schwedischen Herren-Nationalmannschaft. Wir wollten vom mittlerweile 54-Jährigen wissen, warum Schweden inzwischen den Anschluss an die internationale Spitze verpasst hat, wie viel Talent Youngster Anton Källberg hat und was er vom Engagement Jörgen Perssons als Trainer von Dimitrij Ovtcharov hält.

myTischtennis.de: Ihre Mannschaft ist im Team-Wettbewerb auf Platz fünf gelandet, Herr Carlsson, wie schätzen Sie die Leistung Ihrer Schützlinge ein?

Ulf Carlsson: Wir sind mit dem Ziel nach hier gekommen, eine Medaille zu holen, so im letzten Jahr in Portugal. Dementsprechend sind wir ein wenig enttäuscht. Wir sind nur knapp außerhalb der Medaillenränge gelandet, deshalb ist es keine Katastrophe, aber unser Ziel haben wir eben verpasst.

myTischtennis.de: Im Viertelfinale scheiterte Ihr Team an Frankreich...

Ulf Carlsson: Das Viertelfinale gegen Frankreich war eng, da haben wir unsere Chancen nicht genutzt. Nicht jeder konnte in diesem Spiel sein ganzes Leistungsvermögen abrufen, aber Frankreich hat auch sehr gut gespielt. Uns fehlt der absolute Topspieler, deshalb müssen wir als Kollektiv eine gute Leistung abrufen, das haben wir gegen Frankreich nicht geschafft.

myTischtennis.de: Sie haben es bereits erwähnt: Einen absoluten Topspieler gibt es in der heutigen schwedischen Nationalmannschaft nicht – im Gegensatz zu früheren Zeiten, man denke an Legenden wie Jan Ove-Waldner, Jörgen Perssonen und viele andere wie auch Sie selbst. Warum fehlen in der jetzigen Generation Spieler auf Topniveau?

Ulf Carlsson: Ich denke, dass Spieler wie Waldner und Persson absolute Ausnahmetalente waren, nicht nur im schwedischen Tischtennis sondern in der gesamten Tischtennis-Historie. Die gibt es nun mal nicht so oft. Damals solche Weltklasse-Akteure in den eigenen Reihen gehabt zu haben, hat den Wettbewerb unter unseren Spielern enorm angeheizt und das Niveau insgesamt gesteigert. In den letzten zehn Jahren haben wir keine absoluten Topspieler gehabt, an dem sich jüngere Spieler hätten hochziehen können. Jetzt ist es unser Ziel, bald wieder Topspieler hervorzubringen.

myTischtennis.de: Hat sich denn an den Trainingsgegebenheiten in Schweden etwas geändert?

Ulf Carlsson: Es hat sich nicht so viel verändert. Ich denke aber, dass die Spieler in der damaligen Zeit härter trainiert haben. Die Spieler waren sehr ehrgeizig, enorm motiviert, der Beste zu werden. Die Arbeit, die damals in den Trainingszentren und Klubs geleistet wurde, war sehr gut. Da haben wir in der letzten Zeit den Anschluss verpasst, versuchen diesen Rückstand aber wieder aufzuholen, indem wir versuchen, die nötigen Umstände zu schaffen, jeden Tag auf höchstem Niveau arbeiten zu können. Einmal im Monat unter professionellen Bedingungen trainieren zu können, ist natürlich nicht genug.

myTischtennis.de: Ex-Weltmeister Stellan Bengtsson erklärte im letzten Jahr in einem Gespräch, dass in der Vergangenheit die falschen Leute für den Verband gearbeitet hätten, was können Sie dieser Aussage entgegenhalten?

Ulf Carlsson: ...dessen Teil ich ja auch selbst bin. Es ist wichtig, auch im Verband die richtigen Leute zu haben, die alles für den Erfolg geben, um die Möglichkeiten zu schaffen, wieder näher an Spitzenmannschaften wie China oder Deutschland heranzurücken. Nicht nur die Spieler, auch die Trainer und Verbandsbelegschaft müssen jeden Tag ihr Bestes geben.

myTischtennis.de: Welches Niveau hat die schwedische Liga in diesen Tagen?

Ulf Carlsson: Nicht dasselbe wie in früheren Zeiten. Damals kamen viele asiatische Spieler nach Schweden, um sich bei uns weiterzuentwickeln. Das war gut für die heimische Liga und unsere eigenen Spieler. Für unsere Spieler ist es heute wichtig, in eine stärkere Liga zu wechseln, wenn sie ein bestimmtes Niveau erreicht haben. Heutzutage sind die deutsche, französische und russische Liga am stärksten und interessantesten für gute junge Spieler.

myTischtennis.de: Eines dieser jungen Talente ist Anton Källberg vom TTC Hagen. Kann er es in die europäische Spitze schaffen?

Ulf Carlsson: Er hat großes Talent. Anton ist noch sehr jung, zeigt aber jetzt schon, dass er im Herren-Bereich sehr gut mithalten kann. Er bringt zudem Eigenschaften wie Ehrgeiz und Fleiß mit. Er hat sich im letzten Jahr in kurzer Zeit enorm entwickelt, ist jetzt gerade einmal 17 Jahre jung. Um ein guter Spieler zu werden, muss man einige Jahre hart arbeiten, immer wieder kleine Details noch verbessern. Wenn seine Karriere in die richtigen Bahnen gelenkt wird, kann er es ganz weit bringen.

myTischtennis.de: ...kleine Details noch verbessern will Dimitrij Ovtcharov mit Jörgen Persson als Trainer. Was denken Sie über das Engagement?

Ulf Carlsson: Das ist eine interessante Geschichte. Dima ist ein sehr guter Spieler, hat ein sehr hohes Level erreicht. Das nächste bzw. letzte Ziel für ihn ist es jetzt, die Chinesen zu schlagen und an ihnen vorbeizuziehen. Mit jemandem zusammenzuarbeiten, der das in der Vergangenheit geschafft hat, ist sehr wichtig. Es sind Nuancen, die Dima vom nächsten Leistungslevel trennen. Wenn er bestimmte Ratschläge von Jörgen umsetzen kann, kann er den nächsten Schritt machen. Es ist manchmal wichtig und einfacher für einen Trainer, bestimmte Anweisungen zu geben, wenn er selbst in seiner Karriere in so einer Situation gewesen ist, z.B. wenn es darum geht, wie man die wichtigen Spiele zu seinen Gunsten entscheidet. Diese Situationen hat Jörgen alle selbst erlebt.

(DK)

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