Eindrucksvolle Rückkehr: Vladimir Sidorenko wurde Studierenden-Weltmeister in Essen. (©Instagram/privat/WTT)
31.07.2025 - Dreieinhalb Jahre Zwangspause: Kein Olympia, keine Welt- oder Europameisterschaften, keine WTT-Teilnahmen. Für russische Tischtennisspieler wie Vladimir Sidorenko und Maksim Grebnev, der schon im April sein Comeback feierte, bedeutete der Ausschluss in Folge des anhaltenden Angriffskriegs auf die Ukraine einen massiven Bruch in ihrer sportlichen Karriere. Doch nun keimt zumindest etwas Hoffnung auf. Bei den FISU World University Games in Essen meldete sich Sidorenko eindrucksvoll mit einem internationalen Titel zurück.
Sichtlich bewegt nahm Vladimir Sidorenko in der Messehalle zum Abschluss der Tischtennis-Wettbewerbe bei den FISU World University Games Ende Juli seine erste internationale Medaille seit langer Zeit entgegen. Mit starken Auftritten – unter anderem einer beeindruckenden Aufholjagd gegen den Taiwanesen Kao Cheng-Jui – kämpfte sich der 23-Jährige bis ins Finale und besiegte dort seinen Landsmann Maksim Grebnev. „Es ist ein großer Schritt für mich. Mein Spiel ist in diesen drei Jahren nicht schlechter geworden. Ich trainiere jeden Tag, so oft ich kann. Und ich habe immer daran geglaubt, dass wir zurückkommen“, sagte Sidorenko im Rahmen der nach Olympia größten Multisport-Veranstaltung der Welt.
Der Linkshänder war Teil des russischen Silber-Trios bei der Team-EM 2021 in Malmö und galt damals als einer der kommenden Topspieler seines Landes. Der Weg nach oben schien gezeichnet. Dann kam der Krieg – und mit ihm das sportliche Aus im Ausland. Besonders emotional war für Sidorenko, dass er sein Comeback ausgerechnet in Deutschland, wo er mehrere Jahre für Ochsenhausen und später mit Grebnev und Lev Katsman auch für Neu-Ulm aufschlug, feiern durfte. „Es ist schön, zurückzukommen - und dann auch noch mit so einem Erfolg.“ Auch wenn die beiden Russen durch die ausbleibenden internationalen Ergebnisse in der Weltrangliste derzeit nicht geführt werden, befand sich ihr Spiel gegen internationale Konkurrenz, auch aus Asien, noch auf einem überraschend guten Niveau.
Grebnev und Sidorenko haben die Hoffnung nie aufgegeben
Grebnev zeigte sich ebenfalls sehr glücklich über seine Rückkehr nach langer Suspendierung. Erst zwei Monate vor Turnierbeginn hatten er und Sidorenko überhaupt erst die Startzusage für die FISU Games erhalten. Die Vorbereitungsdauer war entsprechend kurz und spontan. Umso mehr freute sich Grebnev, beim Comeback direkt Edelmetall gewonnen zu haben. Ein solcher Wiedereinstieg sei beileibe keine Selbstverständlichkeit.
„Es fühlt sich einfach sehr gut an. Ich habe viele bekannte Gesichter wiedergesehen – fast alle sind wie ich unter 25. Das war superschön.“ Grebnev ist inzwischen zweifacher russischer Einzelmeister und spielt heute für Gazprom Fakel Orenburg, den früheren Klub von Dimitrij Ovtcharov. Sidorenko hält sich derweil beim französischen Top-Klub G.V. Hennebont fit, mit dem er schon einige Titel gewann. In den vergangenen Jahren war die nationale Liga die einzige Möglichkeit, um überhaupt im Spielrhythmus zu bleiben.
Rückkehr mit Bedingungen – Teilnahmen weiter nur unter neutralem Status
Zum Hintergrund: Seit Anfang 2024 dürfen Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus zwar wieder an internationalen Tischtennisturnieren teilnehmen. Grundlage dafür ist eine Entscheidung des Weltverbands ITTF und von WTT, die sich an den Empfehlungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) orientieren. Die Rückkehr ist jedoch nur unter strengen Auflagen möglich:
Russische und belarussische Spieler dürfen ausschließlich unter neutraler Flagge starten. Sämtliche nationalen Symbole sind verboten. Die Teilnahme ist nur im Einzel und Doppel möglich – Teamwettbewerbe wie bei der WM oder EM bleiben weiterhin tabu. Funktionäre oder Trainer, die offiziell dem russischen oder belarussischen Verband angehören, dürfen nicht als akkreditierte Delegierte auftreten, so mussten die jungen Profis auch in Essen ohne Coach an der Bande auskommen.
Es gilt außerdem das politische Neutralitätsgebot. Äußerungen – insbesondere solche, die den Krieg gegen die Ukraine rechtfertigen oder verharmlosen – sind untersagt. Auch in Gesprächen mit den Medien ist Vorsicht geboten. Die Zurückhaltung war in den Interviews auch ein Stück weit zu spüren.
Praktische Hürden bleiben
Neben den formalen Einschränkungen gibt es auch ganz praktische Probleme. In vielen Ländern – etwa in der EU oder den USA – erhalten russische Spieler nur schwer Visa oder Einreisegenehmigungen. Turnierteilnahmen scheitern daher teils nicht an der ITTF, sondern an nationalen Behörden, wie es Sidorenko noch im Gespräch mit dem Magazin ‚tischtennis‘ im Juni 2024 erklärte.
Zudem wurden viele Sportler während der Sperrzeit aus der Weltrangliste gestrichen. In den WTT-Feldern zu landen, ist somit oft nur über Wildcard-Vergaben, wie in Grebnevs Ausnahmefall beim WTT Contender in Tunis im Frühjahr 2025, oder nationale Empfehlungen möglich. Der anvisierte Weg zurück in die Top 100 ist damit nicht nur sportlich, sondern auch organisatorisch eine Herausforderung.
Blick nach Kasachstan und nach vorne
Nach dem FISU-Finale in Essen ist das nächste Ziel bereits klar: Anfang September werden Sidorenko und Grebnev beim Contender in Almaty in Kasachstan, unweit ihrer Heimat, erneut angreifen – diesmal offiziell, mit Vorankündigung und konkreter Vorbereitung. „Wir arbeiten jeden Tag dafür. Wir können kämpfen. Das haben wir hier gezeigt“, sagte Sidorenko.
Ob sie schon bald wieder dauerhaft im internationalen Ranking auftauchen, hängt nicht nur von ihrer sportlichen Leistung ab – sondern auch davon, wie sich die politischen Rahmenbedingungen weiterentwickeln. Doch der Anfang ist gemacht. Die Hoffnung auf eine echte Rückkehr lebt. Und sie ist bei Spielern wie Grebnev und Sidorenko stärker denn je.
Zu den WTT-Profilen von Vladimir Sidorenko und Maksim Grebnev.
(FKT)
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