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Bachelorarbeit: Was beeinflusst Heimvorteil im TT?

Sind Zuschauer der entscheidende Faktor, wenn es um einen Heimvorteil geht? (©TSV Bad Königshofen)

25.08.2023 - Von einem Heimvorteil ist bei sportlichen Wettkämpfen häufiger die Rede. Im Tischtennis konnte solch ein Effekt in einer Studie von Dr. Klein-Soetebier im Jahr 2014 nicht festgestellt werden. Robin Gligorov, Student am Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie an der Universität Tübingen, wandte sich mit seiner Bachelorarbeit an die myTischtennis.de-Redaktion, in der er unter Berücksichtigung neuerer Daten durchaus einen Heimvorteil fand. In seiner Arbeit sucht er insbesondere nach den Hauptfaktoren.

Denkt man an den Begriff Heimvorteil, kommen einem mehrere Faktoren in den Sinn, die hier entscheidend sein könnten. Zum einen die heimischen Zuschauer, die ihre Mannschaft unterstützen und die Gegner womöglich einschüchtern. Zum anderen die Bedingungen vor Ort, wie den Hallenboden, die Lichtverhältnisse, die verwendeten Bälle und Tische, die der Heimmannschaft vertrauter sein dürften. Gegebenenfalls könnte sogar auch die kürzere Anreise, die die Heimmannschaft hat, eine Rolle spielen. Robin Gligorov, selbst Landesklassenspieler bei der TSG 1845 Heilbronn, hat die Frage, ob es einen Heimvorteil im Tischtennis gibt - und wenn ja, wodurch dieser begünstigt wird -, im vergangenen Jahr in seiner Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie an der Universität Tübingen untersucht und interessante Ergebnisse gefunden.

Heimvorteil existiert

Denn eigentlich war nach der Untersuchung von Dr. Klein-Soetebier im Jahr 2014 nicht davon auszugehen, dass es im Tischtennissport überhaupt einen Heimvorteil gibt. Auch Gligorov konnte auf der Grundlage der damals verwendeten Daten, den TTBL-Spielen der Saisons 2008/9 bis 2012/13, keine signifikant höhere Gewinnrate der Heimmannschaft feststellen. Erweitert man die Datengrundlage aber um den Zeitraum bis zur Saison 2021/22, so dass insgesamt 4552 Einzel berücksichtigt werden, ändert sich laut Gligorov die Lage. „Über diesen Zeitraum beträgt der durchschnittliche Heimvorteil 2,77 Prozentpunkte und ist statistisch signifikant“, erklärt der Student. „Statistisch signifikant bedeutet hier, dass mit sehr großer Sicherheit der Heimvorteil größer als 0 ist, also existiert.“ Als Hauptfaktoren nimmt der Heilbronner zwei Parameter in den Fokus: das Publikum und die möglicherweise unterschiedlichen Ballmarken, die die Heim- und Gastmannschaft verwenden.

Zuschauer sind kein Vorteil für Heimmannschaft

„Mein Hauptergebnis ist, dass die Zuschauerzahl beim Heimvorteil keine Rolle spielt. Dies wurde zuvor noch nie statistisch korrekt analysiert“, erklärt Gligorov. „In der vorherigen Studie wurde fälschlicherweise dargelegt, dass die Zuschauerzahl einen mittelgroßen Effekt auf den Heimvorteil haben würde. Es wurde nicht berücksichtigt, dass die Zuschauerzahl mit dem Erfolg des Vereins korreliert. Demnach wurde der Effekt der Zuschauerzahl auf den Heimvorteil überschätzt.“ Erfolgreiche Vereine wie Borussia Düsseldorf zögen die meisten Zuschauer an. Allerdings habe der Rekordmeister viele Spiele vor gut gefüllten Rängen nicht unbedingt deshalb gewonnen, weil viele Zuschauer anwesend waren, sondern weil oftmals Topspieler am Tisch standen. "Dies konnte ich statistisch beweisen und die entstandene Verzerrung im Effekt der Zuschauerzahl auf den Heimvorteil korrigieren, indem ich die TTR-Werte der Spieler in das Modell mit aufgenommen habe", erläutert Gligorov. Das Ergebnis war, dass nach Berücksichtigung der Spielstärke die Zuschauerzahl keinen Einfluss auf den Heimvorteil hat.

„Den größten Heimvorteil kann man sogar in den Corona-Jahren unter Geisterspielen beobachten, als gar keine Zuschauer in den Hallen waren. Das deutet auf ein ‚Choking-Under-Pressure‘-Phänomen hin.“ Dieses Phänomen beschreibt, dass anwesende Zuschauer sogar einen Nachteil für die Heimmannschaft bedeuten können, weil diese sich gegebenenfalls unter Druck fühlt, das Publikum nicht enttäuschen zu dürfen. Als während der Corona-Krise keine Zuschauer zu TTBL-Spielen zugelassen waren, konnte man häufiger Heimsiege beobachten.

Unterschiedliche Ballmarken sind entscheidend

Im Fall der verwendeten Ballmarken ist Gligorov jedoch fündig geworden. „Die Gewinnwahrscheinlichkeit des Heimspielers erhöht sich durchschnittlich um 3,97 Prozentpunkte, wenn die beiden Vereine bei ihren Heimspielen jeweils eine andere Ballmarke nutzen. Dies gilt für den gesamten Zeitraum und ist statistisch signifikant“, lautet sein Ergebnis. Die Vermutung, dass dieser Vorteil in Plastikballzeiten größer ist als vor 2014, als in der TTBL noch mit Zelluloid gespielt wurde, bestätigte sich jedoch nicht. Die Gewinnwahrscheinlichkeit des Heimspielers erhöhe sich unter Verwendung von Plastikbällen zwar um 4,56 Prozentpunkte, wenn unterschiedliche Ballmarken genutzt würden. „Das gleiche gilt für Spiele mit Zelluloidbällen nicht unbedingt. Hier zeichnet sich nur eine Tendenz ab, die nicht statistisch signifikant ist“, erläutert Gligorov. „Obwohl man bei Plastikbällen einen klaren Effekt auf den Heimvorteil sehen kann und bei Zelluloidbällen nicht unbedingt, geht aus den Daten nicht klar hervor, dass der Effekt der Plastikbälle größer ist als der Effekt der Zelluloidbälle.“ Zusammengefasst kann man nach Gligorovs Berechnungen also davon ausgehen, dass ein Heimvorteil im Tischtennis existiert, dieser aber mehr davon beeinflusst wird, dass die Gastmannschaft sich an eine neue Ballmarke gewöhnen muss, als dass sie sich vom heimischen Publikum beeindrucken lassen würde.

Die komplette Bachelorarbeit finden Sie hier! 

Robin Gligorov ist nicht der erste myTischtennis.de-User, der sich mit dem Phänomen Heimvorteil im Tischtennis beschäftigt hat. Hier finden Sie die Ergebnisse der Examensarbeit von Kai Veenhuis.

(JS)

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