01.04.2022 - In den vergangenen zwei Jahren kümmerte sich Chris Pfeiffer als Bundestrainer der männlichen U15- und U18-Jugend um den deutschen Nachwuchs. Ab Mai wartet eine neue spannende Aufgabe auf den 33-jährigen gebürtigen Hachenburger: Er wird Privattrainer der indischen Nationalspielerin Manika Batra. Im Interview erzählt Pfeiffer, wie es zu diesem Engagement kam, warum Batra eine spannende Spielerin ist und wie sein Alltag in Indien aussehen wird.
myTischtennis.de: Chris, deine Tage beim DTTB sind gezählt, in wenigen Monaten wirst du Privattrainer von Manika Batra sein. Wie bist du an diesen Job gekommen?
Chris Pfeiffer: Wie es manchmal so läuft im Leben, haben sich zwei Wege noch einmal gekreuzt. Ein Spieler aus meiner Zeit beim FSV Mainz 05, Kirill Barabanov, ist schon seit Längerem ein Sparringspartner von Manika. Ich hatte damals öfter Manyballs-Einheiten mit ihm gemacht. Und daran hat er sich offenbar erinnert und gegenüber Manika meinen Namen fallengelassen. Anfang Januar bekam ich dann einen Anruf von ihr, ob ich Interesse hätte, ihr Privattrainer zu werden.
myTischtennis.de: Musstest du lange darüber nachdenken, ob du dieses Angebot annehmen willst?
Chris Pfeiffer: Ja, das hat mich schon sehr zum Grübeln gebracht. Meine Arbeit als Bundestrainer macht mir eine Menge Spaß und es tut schon auch weh, die Jungs zurücklassen zu müssen. Außerdem weiß man als DTTB-Bundestrainer auch einfach, was man hat. Aber ich habe mir dann bewusst gemacht, was für eine große Chance es ist - auch für die persönliche Entwicklung -, in so einem Land zu leben und Erfahrungen im asiatischen Tischtennisbereich zu machen. Wir haben jetzt ein paar Mal telefoniert und es passt auch auf der menschlichen Ebene gut zwischen uns. Und so habe ich mich dafür entschieden.
myTischtennis.de: Und wann geht es los?
Chris Pfeiffer: Schon sehr zeitnah. Mein Vertrag mit dem DTTB läuft Ende Mai aus, aber mit dem Resturlaub, den ich noch habe, werde ich schon Mitte Mai die Koffer packen und nach Indien fliegen. Da will ich mir dann anschauen, wie sie bisher trainiert hat und wie der Stand der Dinge ist. Außerdem gibt es noch viele Dinge drumherum zu regeln, wie Versicherungen, Wohnung etc.. Es ist also alles sehr kurzfristig.
myTischtennis.de: Weißt du schon, wie dein Alltag dort aussehen wird? Wo trainiert wird, ob sie in einer Trainingsgruppe mitmacht, ob du zu Turnieren mitfährst?
Chris Pfeiffer: Das habe ich mich natürlich auch gefragt und darüber wollte ich auch genau Bescheid wissen, bevor ich mich entschieden habe. Denn ich wollte jetzt nicht nur der Balleimereinspieler sein, der dann ab und zu mal gerufen wird. Aber Manika will jemanden haben, der die Dinge für sie plant, in Kontakt mit ihrem Athletiktrainer ist, mit auf Turniere reist. Es geht also um eine Rundum-Betreuung als Coach. Und das ist super spannend für mich. Ich habe nicht vor, ihre Welt jetzt komplett auf den Kopf zu stellen, sondern möchte mit ihr erarbeiten, wie wir vorgehen. Daher ist es für mich sehr interessant, wie es bei ihr bisher zum Beispiel mit Mentaltraining, Match- und Turniervorbereitung aussah. In Indien hat man da vielleicht eine andere Herangehensweise als bei uns. Das möchte ich mir anschauen und dann mit ihr diskutieren.
myTischtennis.de: Warst du denn schon einmal in Indien?
Chris Pfeiffer: Nein, noch nie. Das wird schon ein kleines Abenteuer. Aber ich habe mir - vielleicht auch etwas naiv - gesagt: Ob ich jetzt in Deutschland morgens aufstehe und den ganzen Tag in der Halle stehe oder in Indien, ist letztlich egal. Wegen des Klimas wird man allerdings das eine oder andere Handtuch mehr brauchen. (lacht)
myTischtennis.de: Spielt Manika Batra eigentlich auch in irgendeinem Verein? Ich kann mich erinnern, dass sie in der alternativen indischen Liga Ultimate Table Tennis mitgemacht hat, aber die lief ja jetzt in den letzten Jahren nicht.
Chris Pfeiffer: Ja, das war wohl auch Corona geschuldet. Aber ansonsten spielt sie gerade in keinem Verein. Ich kann mir vorstellen, dass, wenn UTT wieder stattfindet, sie da auch wieder mit dabei ist. Vielleicht führt ihr Weg aber auch nach Europa oder sogar nach Deutschland. Im Rahmen der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Paris ist das auf jeden Fall eine Überlegung wert, wenn sie sich damit wohl fühlt. Bei ihrem Spielsystem muss man auf der anderen Seite aber auch aufpassen, dass sie nicht zu häufig gegen bestimmte Spielerinnen spielt.
myTischtennis.de: Welche Ziele verfolgt Batra denn gerade? Arbeitet sie bereits auf Paris 2024 hin?
Chris Pfeiffer: Die Olympiaqualifikation steht aktuell über allem, das ist das Hauptziel, dem alles andere untergeordnet wird. Wenn sie das schafft, kann man sich neue Ziele für die Olympischen Spiele selbst setzen. Aber im asiatischen Raum muss man die Quali auch erst mal schaffen. Ansonsten sind die Commonwealth Games relativ wichtig. Das ist noch ein kleines Ziel vor Paris.
myTischtennis.de: Warum, findest du, ist sie eine interessante Spielerin?
Chris Pfeiffer: Vor allem wegen ihres ungewöhnlichen Spielsystems. In Mainz habe ich eine Zeit lang mit Luka Mladenovic gearbeitet, der ein vergleichbares System spielt. Daher konnte ich schon ein paar Erfahrungen damit sammeln und habe ein paar Ideen, woran man mit ihr noch arbeiten könnte.
myTischtennis.de: Wie viel Potenzial siehst du denn in ihr? Was kann sie mit diesem System erreichen?
Chris Pfeiffer: Auf der Tour gibt es nicht so viele Spielerinnen mit diesem System. Das ist ein kleiner Vorteil für sie, auf dem absoluten Toplevel löst du mit der Noppe aber keine Probleme mehr, da muss man sich genau überlegen, wie man die Konkurrenz ärgern kann. Bei den letzten Turnieren hat sie sehr gute Leistungen gezeigt und ihre Weltranglistenposition bestätigt. In Doha hat sie zum Beispiel gegen Shan Xiaona gewonnen. Ich glaube, dass sie in der Weltrangliste noch ein Stück weiter nach oben klettern kann. Und auf Turnieren ist man immer auch davon abhängig, auf welche Spielertypen man so läuft. Aber wenn das einigermaßen passt, traue ich ihr auch bei großen Turnieren etwas zu.
myTischtennis.de: In der jüngeren Vergangenheit gab es ja einigen Wirbel um Batra. Sie hat dem indischen Nationaltrainer vorgeworfen, dass er von ihr verlangt habe, ein Spiel zu manipulieren. Danach hat sie sich mit dem Verband angelegt, der sie nicht für die Asienmeisterschaften nominiert hatte. Das Ganze landete sogar vor Gericht. Wie ist da der aktuelle Stand und wie wird die Zusammenarbeit mit dem Verband aussehen?
Chris Pfeiffer: Ich habe auch nur gelesen, wie das Gericht entschieden hat, und danach wurden die Funktionäre und Trainer, die in die Sache involviert waren, suspendiert. Letztlich bleibt festzuhalten, dass das indische Gericht ihr Recht zugesprochen hat. Für mich ist damit dieses Thema auch abgeschlossen und ich möchte mit nach vorne gerichtetem Blick nach Indien fliegen und mich weniger mit der Vergangenheit beschäftigen. Die Auswirkung im Trainingsalltag wird eine noch individuellere Arbeit der einzelnen Athleten mit ihrem eigenen Staff sein, welches nicht negativ sein muss. Wenn es in Richtung der großen Turniere geht, werden aber auch sicher gemeinsame Lehrgänge durchgeführt, zu denen dann die Spieler mit ihren Privattrainern anreisen.
myTischtennis.de: Was hast du dir jetzt für deine letzten Wochen beim DTTB noch vorgenommen? Oder schielst du mit einem Auge auch schon auf Manika?
Chris Pfeiffer: Klar versuche ich, zu verfolgen, wie es bei ihr läuft. Wir stehen auch regelmäßig in Kontakt, teilen Gedanken und lernen uns kennen. Aber jetzt erst mal habe ich noch was mit den Jungs vor, mit denen ich jetzt zwei Jahre intensiv zusammengearbeitet habe. Mein letztes internationales Turnier wird das WTT Youth Contender in Linz Ende April, Anfang Mai sein. Da möchte ich noch ein paar meiner Schützlinge auf den Weg bringen. Lukas Wang hatte ich beim WTT-Turnier in Portugal schon international eingeführt, woraufhin er gleich die U11-Konkurrenz gewonnen hat. Gleiches habe ich mit Tien Phong vor, der in Linz erstmals international dabei ist, und auch Basti Meyer wird sein Debüt feiern. Danach werde ich meinem Nachfolger meine Gedanken mitgeben, wen ich für die Europameisterschaft nominieren würde. Ich wünsche mir nur das Beste für die Jungs und werde von Indien aus ganz sicher mit einem Auge auf die Schüler-Euros schauen.
(JS)
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