Olympia 2021

G. C. Foerster: „Die größte Chance, die sie je hatten“

G.C. Foerster (l.) arbeitete mit Jun Mizutani an dessen Olympiamission (©Manabu Nakagawa/ITTF)

23.07.2021 - Manche werden ihn noch aus seiner aktiven Zeit in den deutschen Ligen - bis zur 2. Bundesliga - kennen. Inzwischen lebt Gregor Clemens Foerster, genannt G. C., in Japan und kann von seiner Wohnung aus direkt ins Olympische Dorf schauen. Im myTischtennis.de-Interview erzählt der gebürtige Düsseldorfer, wie er die Unruhe in der japanischen Bevölkerung vor den Olympischen Spielen wahrgenommen hat, und von seiner intensiven Zeit mit Jun Mizutani, der seiner Meinung nach eine große Chance auf Gold hat.

myTischtennis.de: Wie hoch ist der Druck, der hier in Japan von den Medien oder der Öffentlichkeit auf den Tischtennisspielern lastet?

G. C. Foerster: Der ist schon auf einem anderen Niveau, als wir das kennen. Bei Mima Ito oder Kasumi Ishikawa ist die Aufmerksamkeit besonders hoch, aber auch Jun steht im Fokus. Das Medieninteresse ist einfach unfassbar groß, die Spieler werden förmlich beobachtet und dürfen sich in der Öffentlichkeit keine Fehltritte leisten. Wenn Jun nicht mit der Sonnenbrille aus dem Haus geht, wird er belagert - das ist nicht mit Deutschland zu vergleichen. Auch nach den Spielen werden die Stars mit der Kamera verfolgt. Die Medien wollen alles einfangen, ob die Spieler lachen oder weinen. Da muss man schon gut aufpassen, dass man sich immer unter Kontrolle hat. Meiner Meinung nach sollte ein Sportler in den ersten fünf bis zehn Minuten nach dem Spiel aber auch das Recht haben, mal alles rauszulassen. Das sind Emotionen - die sind sehr wichtig und dürfen nicht in sich hineingefressen werden.

myTischtennis.de: Was glaubst du, wie Japans Chancen stehen? In welchem Wettbewerb ist es am ehesten möglich, China zu schlagen?

G. C. Foerster: Im Mixed-Doppel - und dahinter mache ich ein ganz großes Ausrufezeichen! Hier haben sie die größte Chance, die sie jemals hatten. Jun hat schon scherzhaft gesagt, dass er jetzt Mixed-Spieler sei. Im Teamwettbewerb wird es schwierig, weil das Doppel Jun/Koki keine Chance hat. Und wenn man dann schon mit 0:1 hinten liegt, wird es ganz schwierig. Das kann auch Deutschland in einem möglichen Halbfinale zugutekommen, wenn alle in Normalform spielen. Im Damen-Teamwettbewerb wird es auch schwierig, die Chancen liegen vielleicht bei 10 Prozent. Aber diese kleine Hoffnung ist berechtigt. Mima Ito ist stark, das Doppel auch - da geht was. Leider fällt der Zuschauerbonus weg, das finde ich wirklich sehr schade. Denn so werden am Ende wahrscheinlich doch wieder die Favoriten gewinnen. Mit einer ganzen Halle gegen sich müssen auch die Spieler erst einmal zurechtkommen. Das fehlt hier leider.

myTischtennis.de: Wenn das Mixed deiner Meinung nach das heißeste japanische Eisen im Feuer ist, wurde dann darauf auch in der Vorbereitung besonderer Wert gelegt?

G. C. Foerster: In der Zeit, als ich noch mit dabei war, nicht besonders. Das Mixed wird auch in Japan bei Weitem nicht so intensiv trainiert wie in China zum Beispiel. Ich hoffe aber sehr, dass sie verstärkt daran gearbeitet haben. Denn bei so einer großen Chance wäre es dumm, sich nicht darauf zu konzentrieren. Ich kann aber natürlich auch Mima verstehen, wenn sie nicht alles aufs Mixed setzen will. Sie hat in allen Wettbewerben eine Riesenchance. Mima gefällt mir als Spielerin unheimlich gut, sie ist super gefährlich. Ich habe einmal mit ihr trainiert und das war sehr hässlich. Sie macht da manchmal wirklich komische Sachen mit ihrem Schläger.

myTischtennis.de: Und warum meinst du, können wir vom Doppel Mizutani/Niwa nicht viel erwarten? Eine Links-links-Kombination sieht man ja nicht so häufig, vielleicht sind sie für eine Überraschung gut.

G. C. Foerster: Sie haben schon ein World-Tour-Turnier gemeinsam gespielt und sang- und klanglos verloren. Links-links-Kombinationen gab es schon einige gute, aber dann müssen auch die Spielsysteme harmonieren. Die beiden spielen ziemlich ähnlich, keiner von ihnen ist ein ‚Killer‘, sie wollen eher ein bisschen ‚rumspielen‘. Außerdem ist Koki nicht der Schnellste - und so stehen sich die beiden schon mal häufiger im Weg. Die beiden passen einfach nicht gut zusammen.

myTischtennis.de: Und jetzt noch einmal die Hand aufs Herz! Wenn Japan gegen Deutschland spielt - wem drückst du die Daumen? Das könnte im Herren-Teamwettbewerb ja im Halbfinale der Fall sein, bei Ito/Mizutani im Viertelfinale gegen Solja/Franziska oder bei den Herren im Achtelfinale zwischen Ovtcharov und Niwa…

G. C. Foerster: Schwierig. Ich bin zwar halber Holländer, aber in Deutschland aufgewachsen und die Jungs sind Freunde für mich. Aber es kommt wahrscheinlich auf das Spiel an. Bei Dima gegen Koki kann ich sagen, dass ich klar für Dima bin. Im Teamwettbewerb ist es deutlich knapper, aber am Ende überwiegt wohl doch der Deutsche in mir. Und im Mixed - da bin ich ganz ehrlich - bin ich eher bei Jun und Mima. Wenn Juns internationale Karriere dem Ende zugeht, würde ich ihm das als sein Ex-Kurzzeittrainer sehr gönnen. Und Peti und Patrick haben ja auch bei den nächsten Olympischen Spielen sicher noch mal die Gelegenheit, etwas zu reißen.

(JS)

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