Buntes

„Coach Mati“: Neues Leben im Big Apple

Matilda Ekholm gibt Unterricht im Herzen von Manhattan (©Mohanned Nassar)

28.04.2021 - Voriges Jahr hat sie noch die deutsche Pokalmeisterschaft mit dem ttc berlin eastside gewonnen. Heute gibt Matilda Ekholm Trainingsstunden mit Ausblick auf die Allen Street mitten in Manhattan. Eigentlich hatte die Schwedin geplant, ihr Karriereende mit dem Bundesligafinale 2020 und der WM in Busan zu feiern, durch Corona fiel dieser Schritt hingegen deutlich leiser aus. Doch auch die Pandemie konnte sie nicht davon abhalten, ein neues Leben in New York zu beginnen.

Ungewohnt wirken die Bilder, die Matilda Ekholm von New York aus über Instagram an den Rest der Welt schickt: die Schwedin beim Tischtennisspielen in einem futuristisch anmutenden, fast komplett verglasten Raum, jenseits der großen Fensterwände das vorbeirauschende Großstadtleben Manhattans. Der Mund-Nasen-Schutz, den Ekholm auf den meisten Fotos trägt, ist dabei fester Bestandteil ihres neuen Lebens - auch beim Training. „Wo ich spiele, ist die Maske Pflicht und ich habe mich daran gewöhnt“, erzählt die 38-Jährige. „Sie beeinträchtigt meine Sicht nicht, aber das Atmen mit einer N95-Maske ist nicht so einfach, wenn man hart arbeitet. Glücklicherweise arbeite ich am Tisch nicht mehr so hart - das überlasse ich jetzt meinen Schülern.“ Denn „Coach Mati“, wie sie von ihrem neuen Arbeitgeber Pingpod auf dessen Webseite genannt wird, hat das aktive Spielerdasein an den Nagel gehängt und hilft nun anderen Spielern, sich zu verbessern. 

New York als neuer Lebensmittelpunkt

Das Karriereende lief dabei unspektakulärer ab als ursprünglich geplant. Eigentlich sollten das Bundesligafinale 2020 und die WM in Busan den Endpunkt ihrer sportlichen Laufbahn markieren, die Coronapandemie machte ihr jedoch einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen erklärte sie vor fast genau einem Jahr ihren Abschied und glitt ohne großes Abschlusshighlight aus der Szene. Ein schöner Lebensabschnitt, in dem sie sich nur um ihr Tischtennisspiel sorgen musste und viele aufregende Reisen in die verschiedensten Hallen der Welt unternehmen durfte, endete. Dafür begann ein neuer, der nicht weniger spannend klingt. Da ihre Partnerin in New York lebt, entschloss sich Ekholm zum Umzug in den ‚Big Apple‘, wo sie einen Job als Trainerin bei Pingpod annahm, einem erst im März 2020 entstandenen Studio, in dem man sowohl einen Tisch als auch bei Bedarf eine/n Trainer/in mieten kann. 

„Ich mag, dass die ‚Pods‘ mitten in der Stadt auf Straßenhöhe - und nicht im Keller - liegen. Ich möchte, dass Tischtennis sichtbarer wird“, beschreibt Ekholm die Vorzüge von Pingpod. „Es ist eine großartige und offene Gemeinschaft und ich hoffe, hier viele deutsche Touristen beim Spielen zu sehen, wenn man wieder reisen darf. Es ist sehr einfach, einen Tisch und auch einen Coach direkt über die App zu buchen.“ Sicherheit wird bei Pingpod groß geschrieben - das gilt nicht nur für die vorgeschriebene Maske beim Spiel. In der schlimmsten Coronazeit war Ekholm voriges Jahr zwar nicht in der Stadt, von den Ausmaßen berichteten ihr hingegen Freunde. Inzwischen ist das öffentliche Leben in New York wieder erwacht und auch viele Tischtennisvereine haben wieder geöffnet - manche mit und manche ohne Maskenpflicht, wie die inzwischen vollständig geimpfte Schwedin berichtet. Pingpod ist mit seinem vorsichtigen Weg bisher gut gefahren: Durch Kontaktnachverfolgung und Masken konnten während der Pandemie zwei Coronafälle identifiziert und weitere Ansteckungen verhindert werden.

Keine Angst mehr vorm Verlieren

Der Job als Trainerin liegt der ehemaligen Nationalspielerin, auch wenn sie sich an den stressigeren Arbeitsalltag und die vielen neuen Eindrücke erst gewöhnen musste. Ihr Teamgeist kam ihr aber nicht nur in vielen Doppel- und Mannschaftswettbewerben, sondern auch im Trainerberuf zugute. „Als Coach ist es ein großes Vergnügen, zu sehen, dass ich jemand anderem dabei helfen konnte, sich zu verbessern“, findet die Olympiateilnehmerin von Rio 2016. „Dafür ist nicht sein Spielniveau entscheidend, nur sein Motivationslevel.“ Dass sie selbst nicht mehr für Wettkämpfe an den Tisch geht, kann sie dabei gut verkraften: „Ich vermisse es nicht, nervös zu sein und Angst davor zu haben, zu verlieren. Ich habe das Verlieren so sehr gehasst, dass es zu einer echten Last geworden war.“ Zudem plagen sie von Zeit zu Zeit Rücken- und Schulterschmerzen, die sich fast wie zu aktiven Zeiten anfühlen. Somit begrüßt Ekholm es, neben ihrem Trainerjob auch noch andere Aufgaben, zum Beispiel für den Schwedischen Tischtennisverband, zu erledigen. Privat betreibt sie gemeinsam mit der spanischen Nationalspielerin Galia Dvorak den YouTube-Kanal PingPonged-TV, für den sie Interviews und Trainingstipps aufnimmt.

Dvorak drückte sie auch beim europäischen Olympiaqualifikationsturnier vorige Woche die Daumen. Leider vergeblich - die Spanierin schied in der ersten K.o.-Runde aus. Da noch viele ihrer Freunde in der Szene aktiv sind, verfolgt Ekholm die aktuellen Entwicklungen, wie zum Beispiel die Einführung von WTT. „Ich weiß, dass es da ein paar Probleme gibt und viele Spieler außen vor sind, aber ich hoffe, die Verbände und die ITTF werden einen gemeinsamen Weg finden“, sagt Ekholm. „Ich mag das Konzept, den Sport moderner zu machen.“ So würde sie sofort eine Regel einführen, die einem nur eine begrenzte Zeit bis zum nächsten Aufschlag lässt. „Die Spiele auf höchstem Level dauern zu lange, sie sind sehr langweilig anzuschauen“, findet die Schwedin. „T2 und Ultimate Table Tennis in Indien haben es vorgemacht und es hat wunderbar funktioniert.“ Auch der Entscheidungspunkt bei 10:10 hat es ihr angetan. Ob diese Neuerungen auf internationaler Ebene jemals eingeführt werden, ist nicht mehr Ekholms Sache. In ihrem kleinen Glaskasten in der New Yorker Allen Street kann sich „Coach Mati“ dagegen nach Lust und Laune austoben.

(JS)

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