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Interview: Schon über 50 Gruppen für Parkinsonpatienten!

Thorsten Boomhuis sucht Vereine, die Angebote für Parkinsonpatienten schaffen wollen (©privat)

12.03.2021 - Tischtennis macht nicht nur Spaß, sondern hat auch positive Effekte auf unsere Gesundheit. Das wissen besonders auch Parkinsonpatienten, deren Symptome sich oftmals durch das Tischtennisspielen deutlich verbessern. Thorsten Boomhuis vom Verein PingPongParkinson Deutschland e.V. erzählt uns im Interview, wie groß der Bedarf an Angeboten für Parkinsonpatienten ist und wie Vereine auf diese Weise neue engagierte Mitglieder gewinnen können.

myTischtennis.deVon der Krankheit Parkinson hat sicher jeder schon einmal gehört, aber ist nicht unbedingt selbst damit in Berührung gekommen. Kannst du kurz umreißen, was es bedeutet, an Parkinson erkrankt zu sein?

Thorsten Boomhuis: Parkinson ist ein langsam fortschreitender Verlust von Nervenzellen und eine noch immer unheilbare Erkrankung. Betroffene haben ein Defizit des Botenstoffs Dopamin, welcher unter anderem für die Steuerung der Muskeln zuständig ist. Durch den Mangel wird die Beweglichkeit der Patienten beeinträchtigt. Wie sich die Krankheit genau äußert, kann von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. Viele denken sicherlich zuerst an das Zittern, so wie man es vielleicht schon einmal bei Muhammad Ali oder Michael J. Fox gesehen hat, aber es gibt über 30 Symptome, die auftreten können. Neben dem Zittern kann das ein Einfrieren der Bewegungen sein, eine Beeinträchtigung der Mimik oder auch Depressionen. Wenn zum Beispiel jemand an der Supermarktkasse steht und sein Portemonnaie nicht gut aus der Hosentasche holen kann oder sein Kleingeld nicht sortiert bekommt, muss das nicht heißen, dass er betrunken ist. Vielleicht hat er auch einfach Parkinson.

myTischtennis.deWarum ist Tischtennis ein attraktiver Sport für Parkinsonpatienten? 

Thorsten Boomhuis: Tischtennis ist ein Sport, der überall verfügbar ist, und er ist sehr kommunikativ, weil man ihn nicht alleine betreiben kann. Für die Mitglieder unseres Vereins PingPongParkinson Deutschland e.V. bedeutet das, dass die Teilnehmer automatisch in den Austausch miteinander kommen. Der klassische Weg, wie man mit dieser Diagnose umzugehen lernt, ist über Selbsthilfegruppen. In diesen sind aber meist ältere Personen unterwegs, bei denen die Krankheit oft schon weiter fortgeschritten ist. Als ich mit 37 Jahren erkrankt bin, wollte ich nicht in eine solche Gruppe gehen - einfach, weil ich das mir womöglich bevorstehende Leid nicht präsentiert bekommen wollte. Für jüngere Leute sind die Selbsthilfegruppen oft also weniger geeignet und hier setzt PingPongParkinson an. Zwar haben die Mitglieder auch Symptome, aber sie sind noch nicht schwerstbetroffen, können also noch Tischtennis spielen. Man hat somit als Betroffener eher das Gefühl, in eine Sportgruppe zu gehen - und nicht zur Selbsthilfegruppe.

myTischtennis.deUnd abgesehen von dieser sozialen Komponente? Was unterscheidet Tischtennis da von anderen Sportarten?

Thorsten Boomhuis: Das Gehirn ist ein trainierbares Körperteil und es gibt Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass durch Tischtennis neue Synapsen gebildet werden können. Tatsächlich sollen fünf Hirnregionen hierbei gleichzeitig trainiert werden. In unseren Gruppen passen wir das Training ein wenig an unsere Bedürfnisse an und spielen zum Beispiel Übungen, die die Auge-Hand-Koordination schulen oder große Bewegungen erfordern, die Parkinsonpatienten leichter fallen. Hier steht eher das Miteinander im Vordergrund, als der Gedanke, zu gewinnen. 

myTischtennis.deKannst du aus eigener Erfahrung sagen, dass bei dir der Sport deine Symptome verringert hat?

Thorsten Boomhuis: Bei mir ist es schwierig zu sagen, welchen Effekt Tischtennis auf das Fortschreiten meiner Krankheit hat, weil ich seit meiner Kindheit spiele. Ein Neurologe hat sich vor Jahren darüber gewundert, dass es mir so gut geht, und sich gefragt, woran das liegt. Inzwischen verordnet er seinen Patienten Tischtennis. Von unseren Vereinsmitgliedern sagen eigentlich alle, dass der Sport ihre Symptome verbessert. Sie kommen beispielsweise mit einem Zittern zum Training und nach eineinhalb Stunden Spielen ist das Zittern weg. 

myTischtennis.deWarum habt ihr den Verein PingPongParkinson Deutschland e.V. gegründet? Wofür brauchen Parkinsonpatienten eine Vertretung im Tischtennissport?

Thorsten Boomhuis: Die Idee kam uns bei der Parkinson-WM 2019 in New York. Da stand ich mit einem anderen Teilnehmer, Harry Wißler, unter der Dusche und dort haben wir beschlossen, PingPongParkinson in Deutschland bekannt zu machen, um die Betroffenen von der Couch an die Tische zu bekommen. Denn viele Patienten verstecken sich, weil ihre Symptome ihnen unangenehm sind. Und das haben wir dann durchgezogen. Am 2.2.2020 haben wir den Verein gegründet und konnten trotz Corona bisher schon nahezu 200 Mitglieder gewinnen. 

myTischtennis.deWie kann man sich die Hilfe, die ihr anbietet, genau vorstellen?

Thorsten Boomhuis: Interessierte finden auf unserer Webseite eine Landkarte, auf der die deutschlandweit über 50 Gruppen, die es aktuell gibt, mit Ansprechpartnern verzeichnet sind. Wer eine Gruppe in seiner Nähe findet, kann somit sofort einen Probetermin ausmachen; wer nicht, wendet sich an uns und wir suchen einen Verein für ihn oder sie. Das heißt, wir haben sowohl reine Parkinsongruppen, zum Beispiel bei Borussia Düsseldorf mit 25 Spielern, als auch Hobbymannschaften, in denen die Patienten Teil der gemischten Gruppe sind.

myTischtennis.deWas bringt es einem Verein, solch ein Angebot zu schaffen?

Thorsten Boomhuis: Für die Vereine ergeben sich aus meiner Sicht nur Vorteile, weil man neue aktive und engagierte Mitglieder gewinnt, die aber meist nicht am Spielbetrieb teilnehmen und damit auch kaum Kosten verursachen. Es ist eine Chance, die sich auftut, dem Mitgliederschwund, der uns gerade durch die Coronakrise droht, etwas entgegenzusetzen.

myTischtennis.deSind besondere Voraussetzungen nötig, die der Verein erfüllen muss?

Thorsten Boomhuis: Es muss natürlich die Bereitschaft vorhanden sein, jemanden aufzunehmen, der vielleicht noch nicht super Tischtennis spielen kann, und sich ein bisschen zu kümmern, solange dieser noch alleine ist. Aber das bleibt meist nicht lange so, ist meine Erfahrung. Ich hoffe, dass sich künftig noch mehr Parkinsonpatienten melden, die bereits in einem Verein Tischtennis spielen, die Strukturen in ihrem Club kennen und vielleicht leichter etwas ermöglichen können.

myTischtennis.deInwiefern hat Corona eure Bewegung ausgebremst und was habt ihr euch für die Zeit nach der Rückkehr zur Normalität vorgenommen?

Thorsten Boomhuis: Das war ganz unterschiedlich. In Münster hatte sich gerade eine größere Gruppe gegründet, als Corona kam. Die haben noch nicht einmal gemeinsam Tischtennis gespielt. Und beim TTC OE Bad Homburg wird auch aktuell trainiert. Für uns als Verein hatte die Coronakrise vielleicht trotzdem etwas Gutes, weil wir so die Zeit hatten, erst einmal Strukturen aufzubauen, und wir noch nicht von einer zu großen Welle Interessierter überrollt wurden. Wir haben eine Datenbank mit 600 Betroffenen, die schon mit uns Kontakt aufgenommen haben und vielleicht nur darauf warten, dass in ihrer Gegend eine Gruppe ins Leben gerufen wird. Unser Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres mindestens 80 Gruppen zu haben. Ich hoffe, dass viele Vereine mitmachen - der Bedarf ist auf jeden Fall vorhanden.

Hier können Vereine ihr Interesse bekunden und weitere Informationen erhalten!

(JS)

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