Buntes

Das wurde aus dem TTV Gönnern und der TG Hanau

Patrick Franziska und Jörg Roßkopf spielten bei der TG Hanau gemeinsam Doppel. (©Roscher)

27.12.2020 - 13 Jahre lang sorgte der TTV Gönnern auf (inter-)nationaler Ebene für Aufsehen. Mit Timo Boll und Jörg Roßkopf wurde der ehemalige Bundesligist einst Vizemeister, Pokal- und Champions-League-Sieger. 2009 übernahm die TG Hanau die Spielberechtigung. 2020 kämpfen die Nachfolgevereine auf Bezirksebene um Punkte. In unserer Serie 'Ehemalige BL-Vereine‘ werfen wir einen Blick auf den Glanz alter Tage und beleuchten die heutige Situation beider Klubs.

Blickt man auf die "Ewige Tabelle" der Tischtennis-Bundesliga, so fällt auf, dass der TTV Gönnern auch 24 Jahre nach dem Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse im Ranking immer noch weit oben gelistet ist. Die Mittelhessen schafften damals den Sprung von der Kreisklasse ins Oberhaus – unter anderem dank tatkräftiger Sponsorenhilfe. Die Firmen ‚Müller‘ und ‚RE-BAU‘ waren zwischendurch sogar Teil des Vereinsnamens. Schon vor der Zweitligasaison 1995/96 verpflichtete der Klub Timo Boll. 

Der Beginn einer echten Erfolgsstory. Entdecker Helmut Hampl bildete ihn zu einem Weltklasse-Athleten aus und wurde Chefcoach in Gönnern. Der hochtalentierte Boll, der im zarten Alter von 14 Jahren von der FTG Frankfurt zum TTV wechselte, blieb zunächst im 170 Kilometer entfernten Heimartort Höchst wohnen. Er erhielt eine Art Sonderstatus, denn die Verantwortlichen hatten der kompletten Mannschaft vertraglich mitgeteilt, ebenfalls dort zu trainieren und nur die Spiele in Gönnern zu bestreiten.

Boll und Roßkopf führten Gönnern zum zweifachen Königsklassentitel

Der Aufwand machte sich bezahlt, die Entwicklung des neben Frank Klitzsch und Torben Wosik jüngsten Bundesligaspielers der Geschichte nahm an Fahrt auf. Boll verlor in der Aufstiegssaison nur ein Spiel, Gönnern etablierte sich entgegen der Erwartungen in der ersten Liga. Mit seinem heutigen Trainer Danny Heister gewann Boll 1998 den DTTB-Pokal und zog im selben Jahr ins Halbfinale des ETTU-Cups ein. Meister wurden die Hessen zwar nie, die Champions-League-Titel 2005 und 2006 (mit dem heutigen Bundestrainer Roßkopf) bedeuteten den sportlichen Höhepunkt in der 13-jährigen Bundesligahistorie.

Zur Spielzeit 2007/2008 unterschrieb Timo Boll – längst in die Weltspitze vorgestoßen – bei Borussia Düsseldorf. Wenig später (2009) zog sich der Verein aufgrund anhaltender finanzieller Schwierigkeiten vom Profisport zurück und übertrug die Bundesliga-Lizenz auf die TG Hanau. Dieser bisher einmalige Fall rief ein großes Medienecho hervor. Während es für Gönnern nach dem Aus in die Hessenliga herunterging, legte Achtligist Hanau einen „Raketen-Aufstieg“ hin. Die 30 Mitglieder starke Abteilung war plötzlich am Tischtennishimmel angekommen. 

Standortwechsel: Roßkopf und Franziska bildeten in Hanau ein Doppel

Die meisten Profis, darunter Steffen Mengel oder Ruwen Filus sowie Cheftrainer Hampl, vollzogen den Standortwechsel. Auch Jörg Roßkopf (2009-2010), der gebürtige Hanauer Thomas Keinath (2010-2011) sowie Patrick Franziska (2009-2012) waren Teil der ersten Mannschaft. Der damals 17-jährige, aktuelle TTBL-Führungsspieler aus Saarbrücken sammelte seine ersten Erfahrungen im Oberhaus. „Er kam als Talent. Die Erwartungen waren dafür schon sehr hoch. Der Durchbruch ist ihm erst später in Fulda gelungen“, berichtet Kai Fattah. 

Der 49-jährige Anwalt ist seit 2011 Vorsitzender der Hanauer Tischtennisabteilung und kümmerte sich zu den glorreichen Zeiten um die Tageskasse und Abrechnungen. Drei Serien in Folge beendete die TGH auf einem Nichtabstiegsplatz. Trotz des sportlichen Klassenerhalts am Ende der Saison 2011/2012 zog der Verein die Reißleine und seine Mannschaft aus der ersten Liga zurück. Neben finanziellen Gründen führten auch logistische Umstände zu diesem notwendigen Schritt. Die vereinseigene Argonner-Halle, die erst von der US-Armee, später dann zum täglichen Training genutzt wurde, musste verkauft werden. Das große Abenteuer war passé. Die Herausforderungen zu meistern, war nicht immer leicht. Zwar wussten die Hanauer durchaus, was auf sie zukommt, die anfängliche Begeisterung fiel jedoch recht schnell ab. 

Vom „Glanz alter Tage“ ist nicht mehr viel übrig

Die wechselnden Funktionäre der Betreiber-GmbH hatten teils unterschiedliche Vorstellungen mit Blick auf die Außenwirkung und das Kapital. Beim Auf-/Abbau sowie bei der Spieltagsvorbereitung waren Woche für Woche viele Ehrenamtler stark eingebunden. Für das Catering in der Heimspielstätte, der städtischen Mainz-Kinzig-Halle, sprangen andere Abteilungen zur Hilfe. Nach dem Entschluss, nicht mehr in der TTBL anzutreten, wurde Fattah im Juni 2012 Geschäftsführer der Betreiber-GmbH und wickelte steuerliche Dinge sowie diverse Angelegenheiten mit Spielern, Vertragspartnern und Banken ab. Der 49-Jährige war bis zur späteren Liquidation Gesellschafter der GmbH.

Vom viel zitierten „Glanz alter Tage“ will Kai Fattah rund acht Jahre später nicht unbedingt mehr sprechen. „Das muss man relativieren, da es sehr aufgesetzt war. Wir haben die Verzahnung zwischen Profi und Amateur von beiden Seiten nicht hinbekommen.“ Einige Momente wie das Weihnachtsturnier mit Steffen Mengel oder das Abschiedsspiel von Jörg Roßkopf hält der 49-Jährige aber dennoch in schöner Erinnerung. Seit 2014 bildet die TGH eine Spielgemeinschaft mit der TT-Abteilung des TSV 1860 Hanau. Ein Jahr später gründete sich die TTG Topspin Hanau. In der laufenden Saison wurden drei Herrenmannschaften gemeldet, die von der Bezirksklasse bis zur 2. Kreisklasse reichen. Bis zu zehn Kinder kommen durchschnittlich zum Jugendtraining.

Auch Gönnern fusionierte und spielt heute auf Bezirksebene

Ähnlich sieht die Lage beim TTV Angelburg aus, der 2018 aus einer Fusion des TTV Gönnern mit dem Nachbarverein SSV Lixfeld entstand. „Es war eine Win-win-Situation für beide“, sagt der 2. Vorsitzende Michael Müller. Der 51-Jährige betreute die Jugend schon früher. Viele Vereinsmitglieder, die die Topstars noch miterlebten, sind heute noch mit dabei. Die „Erste“ schlägt mittlerweile in der Bezirksliga auf. „Lange fehlte die Unterstützung. Seit dem Zusammenschluss ist die Motivation zurück und wir sind mit dem Nachwuchs auf einem guten Weg“, ergänzt Müller. 

So stehen die Teams aus Gönnern und Hanau wieder da, wo sie vor dem Ausflug ins Profigeschäft auch bereits waren. Größen wie Roßkopf, Boll oder Franziska aber werden ihre Vergangenheit sicherlich nie aus dem Gedächtnis verlieren.

Zur Homepage der TTG Topspin Hanau
Zu den Vereinsprofilen (click-TT): TTV Angelburg / TTG Topspin Hanau

(FKT)

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