23.12.2020 - Im Sport wird gerne vom Heimvorteil gesprochen. Auf dem heimischen Boden, vor den Stammzuschauern und in der eigenen Halle spielt es sich eben immer noch am besten. Wie gravierend der Vorteil sein kann, wenn man mit der gewohnten Ball-Tisch-Kombination spielen darf, vermittelt ein Webinar der ITTF-Equipment-Abteilung. Aktuell werden Messungen durchgeführt, die zeigen, dass die Unterschiede - vor allem zwischen Tischoberflächen - enorm sein können.
Seit Einführung des Plastikballes häufen sich die Beschwerden sowohl aus dem Amateur- als auch aus dem Profibereich, wie unterschiedlich Bälle auf Tischen abspringen können. Dass das Absprungverhalten eines Balles auf einem Tisch je nach gewähltem Material sehr unterschiedlich ausfallen kann, ist schon lange bekannt. Schon in den 90er Jahren wurde dazu geforscht, die Differenzen waren in Zelluloidzeiten aber nicht so eklatant, dass unbedingter Handlungsbedarf bestand. Nach Einführung des Plastikballs wurden die Unterschiede dann aber unübersehbar. Bloß: Waren die Plastikbälle schuld an diesem unterschiedlichen Absprungverhalten oder die Tische oder eine Kombination aus beidem? Auf einen Antrag des Brasilianischen Tischtennisverbands im Jahr 2014 führte die ITTF eine Studie durch, die sehr interessante Ergebnisse hervorbrachte. Die Unterschiede sind unbestreitbar vorhanden, in ihrem Ausmaß nicht zu vernachlässigen und auf die Tischoberflächen zurückzuführen. Nun soll auf der Grundlage dieser Ergebnisse auch gehandelt werden, wie die ITTF-Equipment-Abteilung in einem Webinar, welches vor Kurzem auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde (siehe Video unten), vorschlägt.
Deutlicher Effekt
„Der Absprung der Bälle auf verschiedenen Tischoberflächen ist zum Teil gravierend anders“, berichtet die Leiterin der ITTF-Equipment-Abteilung Claudia Herweg. „Das entspricht auch den Rückmeldungen, die wir von den Spielern erhalten.“ Wie gravierend die Unterschiede sind, kann man sich mit eigenen Augen im ITTF-Webinar anschauen. Dort wird ein neues Gerät vorgeführt, welches das Absprungverhalten verschiedener Bälle auf verschiedenen Tischen aufzeichnet. Die Bälle fallen durch ein Rohr auf eine Tischprobe. Dabei gibt ihnen das Gerät immer dieselbe Rotation mit, wodurch ein authentischer Tischtennisschlag simuliert werden soll. Danach wird es interessant: Wie springt der Ball vom Tisch ab? In welchem Winkel und mit welcher Geschwindigkeit setzt er seinen Flug fort? Wie lang ist also die Strecke zwischen dem ersten und zweiten Aufprall auf dem Tisch?
Die größten Unterschiede wurden zwischen verschiedenen Tischoberflächen gefunden. Dabei lässt man denselben Ball auf zwei unterschiedliche Tische fallen. Bei manchen Mustern sprang der Ball nur einmal auf dem Tisch auf, bevor er über die Grundlinie flog, bei manchen sprang er hingegen zweimal auf. Der Effekt kann also sehr deutlich sein - und das, obwohl derselbe Ball mit derselben Rotation verwendet wurde. Auch beim Gegentest ergeben sich Unterschiede, wenn verschiedene Bälle auf derselben Tischoberfläche aufprallen. Diese sind allerdings nicht annähernd so stark wie die zwischen den Tischen. Das Zauberwort in der Ursachenforschung ist „Reibung“. Denn die Reibung zwischen Ball und Tisch bestimmt zu einem Großteil, wie sich der Ball nach dem Aufprall verhält. Und das tut er je nach Hersteller des Balles oder Tisches auf sehr unterschiedliche Weise.
„Extreme einfangen“
Wie geht man nun mit dieser Erkenntnis um? Die ITTF-Equipment-Abteilung sieht in ihrem Webinar prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder man erlaubt künftig nur einen bestimmten Reibungsbereich, um zu gewährleisten, dass alle Tisch-Ball-Kombinationen einigermaßen vergleichbar sind. Oder man klassifiziert die Tische je nach ihren Eigenschaften, so dass schon beim Kauf ganz klar wird, welche Reibung man zu erwarten hat. „Diese Sache könnte eine immense Auswirkung weltweit haben“, weiß Claudia Herweg. „Wenn es eine Änderung bezüglich der zugelassenen Tische gäbe, könnte das jeden kleinen Tischtennisverein betreffen. Das wäre ein großer Schritt. Deshalb müssen wir uns das genau angucken und mit den Herstellern reden.“ Die ‚Head of Equipment‘ im Weltverband denkt da ganz besonders an jene, deren Tische an den äußeren Rändern der Messungen liegen. „Diese könnte man dazu auffordern, an den Oberflächen zu arbeiten, so dass sie nicht mehr so stark von den anderen abweichen. So könnte man einfach die Extreme wieder einfangen. Anders dürfen die Tische sein, aber nicht in diesem Ausmaß“, findet Herweg. „Das ist für mich die smarteste Lösung. Wenn wir das umgesetzt hätten, wäre die Lage schon einmal deutlich entspannter. Und dann könnte man sich in Ruhe überlegen, ob man zum Beispiel einen Toleranzbereich für neu zugelassene Tische einführt, ohne die auf dem Markt bereits existierenden anzugreifen.“
Welcher Weg der bessere ist? Darüber macht sich nun die ITTF Gedanken. Sicher ist, dass man für vergleichbare Verhältnisse sorgen will, wovon sowohl Profis als auch Amateure profitieren würden. Erstere, weil damit Verletzungen vorgebeugt werden kann, Letztere, weil sie sich nicht wie Topspieler vor jedem Turnier oder Auswärtsspiel mit dem zu erwartenden Material vorbereiten können. Somit rückt der Weltverband einem Problem zu Leibe, welches die gesamte Bandbreite der Tischtennisspieler tangiert. Sorgen machen, dass plötzlich die vereinseigenen Tische nicht mehr zugelassen sind, muss man sich aber in nächster Zeit wohl nicht. Da ist der ITTF die Tragweite einer solchen Entscheidung durchaus bewusst.
(Hinweis: Das Thema Absprungverhalten von Bällen auf Tischen wird ab Minute 47:08 behandelt.)
(JS)
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