Buntes

Bundestrainerin Eva Jeler: „Ich bin noch nicht fertig“

Eva Jeler blickt auf eine lange und glückliche Zeit beim DTTB zurück (©Steinbrenner)

31.07.2020 - Nach 37 Jahren in den Diensten des DTTB steht Eva Jeler heute vor ihrem letzten Arbeitstag. Die 66-jährige Trainerin, die auf zahlreiche Erfolge im Jugend- und Erwachsenenbereich zurückblicken kann und zuletzt für den DTTB-Nachwuchs verantwortlich war, erzählt der myTischtennis.de-Redaktion, dass sie noch große Pläne im Tischtennis hat, welche Erfahrungen sie als Cheftrainerin in einem männerdominierten Beruf gesammelt hat und wo die Probleme im deutschen Nachwuchs liegen.

myTischtennis.de: Wer macht für Sie als Trainerin denn den größeren Reiz aus - der Nachwuchs oder die Erwachsenen?

Eva Jeler: Ich sage es mal so: Maria Theresia hatte 16 Kinder. Und als jemand zu ihr sagte, dass sie doch nicht alle gleich lieb haben könnte, antwortete sie: Die Liebe vermehrt sich. Und genau so ist es bei mir. Bei den Schülern bin ich natürlich zu Hause. Es ist wahnsinnig schön, zu sehen, wie sie sich entwickeln. Aber die Arbeit mit Erwachsenen ist auch sehr interessant und bereichernd, wenn auch total anders.

myTischtennis.de: Manche schauen etwas besorgt auf den deutschen Nachwuchsbereich und fragen sich, ob Toptalente nachkommen, die irgendwann in die großen Fußstapfen eines Timo Boll oder Dimitrij Ovtcharov treten können. Mit welchem Gefühl schauen Sie in die Zukunft der deutschen Mannschaft? 

Eva Jeler: Erst mal muss man sagen, dass wir unglaubliches Pech hatten, dass Christian Süß sich am Knie verletzt hat und Patrick Baum krank geworden ist. Denn mit den beiden hätten wir jetzt noch zwei weitere fantastische Spieler neben Boll, Ovtcharov und Franziska. Der deutsche Nachwuchs ist letztlich das Opfer des Erfolgs der Erfolgreichen. Durch die Professionalisierung, die Weltrangliste, die Verpflichtungen und Begrenzungen in Sachen Turnierteilnahmen haben es die Jungen sehr schwer, zu den Großen aufzuschließen. Zudem müssen sie in der Schule präsent sein, was dazu führt, dass sie länger brauchen, um zu reifen und Erfahrungen zu sammeln. Wir können aus Geldmangel nicht an so vielen Turnieren teilnehmen, wie wir gerne wollten. Dadurch holen die Spieler weniger Weltranglistenpunkte und haben dann beim nächsten Wettkampf eine schlechtere Auslosung - es ist ein Teufelskreis. Das sind Schwierigkeiten, für die niemand was kann, aber die schwer zu beseitigen sind. Es ist gut, dass die ‚Großen‘ so erfolgreich sind - aber sie blockieren die Möglichkeiten der ‚Kleinen‘, um Erfahrungen zu sammeln.

myTischtennis.de: Also mangelt es nicht an Talenten…

Eva Jeler: Naja, was ist schon Talent? Tischtennis ist ein Spiel mit vielen Faktoren. Es gibt nicht nur eine Sache, die man können muss. Und mit einer guten Ausbildung kann man viel nachholen. Das größte Talent, das man braucht, ist, dass man übermäßig gerne spielt, trainiert und über die eigenen Grenzen hinaus gehen will. Solche Leute haben wir. Wir haben nicht Timo Bolls Hand und Timing - so was ist einmalig. Aber auch Ovtcharov und Roßkopf sind durch harte Arbeit und andere Qualitäten fantastische Spieler geworden. Und solche können wir wieder hervorbringen. Im Moment ist die Situation nicht perfekt für den Nachwuchs. Die Strukturen sind gut, aber den letzten Schritt können die Spieler dann leider nicht machen.

myTischtennis.de: Ein Problem, mit dem sich jetzt unter anderem Ihr Nachfolger Chris Pfeiffer befassen muss. Was können Sie ihm auf seinem Weg mitgeben? Was macht für Sie einen guten Trainer aus?

Eva Jeler: Es mag altmodisch klingen, aber Fleiß, Verantwortungsgefühl und Pflichtbewusstsein sind die Voraussetzungen für einen Trainer - und keine besonderen Qualitäten! Wenn man das nicht hat, dann ist das nicht der richtige Job für dich. Zudem macht einen guten Trainer auch Bescheidenheit aus. Erfolg hat man nie alleine, sondern zusammen. Es muss einem immer bewusst sein, dass man nichts weiß und noch viel zu lernen hat. Du musst als Trainer bereit sein, viel zu geben - und für deine Arbeit zu leben. Das ist nicht einfach nur dein Job, das ist dein Leben. Wenn du dazu bereit bist, dann sperr dich in die Halle - und am besten schließt du die Tür zu.

(JS)

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